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Kolumne aufm PlatzAbsonderliches Abwehrverhalten

Brasilien ist – trotz Marta – immer noch ein Entwicklungsland, was den Frauenfußball angeht.

B rasiliens Trainer Kleiton Lima war auch in der Niederlage stolz auf sein Team. Stolz darauf, ein gutes Turnier abgeliefert zu haben: „Wir haben eigentlich nicht verloren.“ Nach dem Spiel war er gefragt worden, ob er das Ergebnis gerecht finde? Er verstand die Frage nicht.

„Gerecht? Beide Mannschaften hätten gewinnen können“, sagte er. „Es gab Phasen, in denen wir deutlich besser waren, aber unser Chancen nicht verwertet haben. Mal gab es mehr Spielanteile auf der einen Seite, mal auf der anderen.“ Er hob die Schultern. „Wer gewinnt, hat es verdient. In diesem Fall waren das die USA.“

Seine Spielerinnen seien am Boden zerstört, sagte Lima, der selbst so richtig niedergeschlagen nicht wirkte. Er will weiterarbeiten in Brasilien. Angst um seinen Posten als Nationaltrainer hat er nicht. Kleiton Lima musste lachen, als er nach seiner persönlichen Zukunft gefragt wurde. Er sieht sich als denjenigen, der den Frauenfußball in Brasilien überhaupt am Leben hält.

Bild: taz

ANDREAS RÜTTENAUER ist Redakteur im WM-Team der taz.

„Wir sind lange nicht so weit wie in Nordamerika oder in Europa. Auch in Asien ist man viel weiter.“ Und so sieht sich Lima als unentbehrlichen Entwicklungshelfer. „Glauben Sie mir, die tägliche Arbeit ist nicht so leicht“, sagte er.

Für ihn, der sich so glücklich schätzt, mit einer „immer genialen“ Marta zusammenarbeiten zu dürfen, ist es kein Wunder, dass sich am Sonntag die Mannschaft mit der besseren Physis durchgesetzt hat. Dass die US-Frauen körperlich stärker waren, habe jeder sehen können im Stadion: „Ihre langen Bälle fliegen weiter als unsere langen Bälle.“

Ganz klein hat Lima das Frauenfußballland Brasilien geredet. Einen regulären Ligabetrieb mit konkurrenzfähigen Klubs, in denen auch kontinuierlich an der Fitness gearbeitet wird, so etwas gibt es in vielen Bundesstaaten überhaupt nicht. Von den Bedingungen, unter denen in Deutschland Frauenfußball gespielt wird, schwärmte Lima regelrecht. Nur im Bundesstaat São Paulo wird kontinuierlich gearbeitet. Da dominiert der FC Santos, der sich nach der WM 2007 entschlossen hat, den Frauenfußball zu fördern, und bei dem nun die meisten Nationalspielerinnen trainieren.

So fehlt in der Heimat echte Konkurrenz, und es ist vielleicht nicht verwunderlich, dass sich so viele taktische Undiszipliniertheiten einschleichen, je länger ein Spiel dauert. Das Abwehrverhalten vor dem Ausgleich der Amerikaner ist mit dem Wort verwunderlich noch harmlos umschrieben. Coach Lima gab auch am Sonntag das ganze Spiel über Anweisungen, schickte die spiellustigen Verteidigerinnen, die für einen Konter quer über das Feld gelaufen sind, zurück auf ihre Position.

Er hatte hart zu arbeiten an der Ordnung im Team und war so noch während des Turniers eine Art fußballerischer Entwicklungshelfer.

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Andreas Rüttenauer
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