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Kolumne WirtschaftsweisenDer Bauer klatscht und erntet Kacke

Wenn Stadtbewohner aufs Land ziehen und dabei Konflikte entstehen – etwa, weil sie den Dorfbewohnern ihren Lebensstil aufzwingen.

So sieht es aus, wenn Jungbäuerinnen sich von Städtern inspirieren lassen: Jungbauernkalender 2017 Foto: dpa

Der Schriftsteller Geert Mak hat 1996 den „Untergang des Dorfes in Europa“ an einem friesischen Ex-Dorf namens Jorwerd nachgezeichnet. Was von den Dörfern übrig geblieben ist, verschließt sich nun immer mehr der Natur, während die Städte sich ihr öffnen, bemerkte der Münchner Ökologe Josef Reichholf. Dennoch wird das sich entleerende (Um-) Land für die naturliebenden Städter immer attraktiver.

Bisher hat es vornehmlich zwei soziale Gruppen aufs Land gezogen: zum einen Selbständige mit zu viel Geld und zum anderen welche mit zu wenig Geld. Von „oberer Mittelschicht“ und „Studenten/‚Aussteiger‘“ sprachen Sozialwissenschaftler, die vor 1989 den Spuren der Protagonisten einer „Revitalisierung der Dörfer“ in Hessen nachgegangen waren. Nur von den „Habenichtsen“ erwarteten diese eine Aneignung der dörflichen Erfahrungen und kulturellen Eigenarten, während die Wohlhabenden den Dörflern eher besserwisserisch kämen.

Nach allem, was man von dieser „Stadtflucht“ weiß, zwingt die wohlhabende Mittelschicht ihrer neuen (dörflichen) Umgebung vor allem mit juristischen Mitteln einen neuen „Lebensstil“ auf. So haben es die aus der Stadt in ein Dorf Gezogenen einem Bauern gerichtlich verbieten lassen, dass seine Kühe, wenn er sie durch den Ort auf die Weide treibt, auf die Straße kacken, weil ihre Autos dadurch verdreckt werden. Er gab aber nicht klein bei, sondern trainierte seiner 16-köpfigen Herde das Scheißen zwischen Stall und Weide ab. Sie tun das jetzt erst, wenn sie von der Straße runter sind und er in die Hände geklatscht hat.

Nun soll er seinen Misthaufen auf dem Hof hinters Dorf schaffen – wegen des Gestanks und der Fliegen. Der Streit ist noch nicht entschieden. Es häufen sich ähnliche Fälle in den Gerichten der Kreisstädte. Das Problem ist, dass Stadt und Dorf ein anderes Konfliktlösungsverhalten haben, was sich im Ost-West-Falle als Klassenkampf und Klassenjustiz geriert.

Grob gesagt holt man beim nahezu unbekannten Nachbarn in einem großstädtischen Mietshaus die Polizei, wenn er nach zweimaligem Beschweren die Musik nicht leiser macht. Im Dorf erträgt man Derartiges eher und wirkt auf die Nachbarn ein. Bis in die siebziger Jahre kam in unserem norddeutschen Dorf der Bürgermeister noch aufs Feld zu den Bauern, um sie zu fragen: „Ich muss deinen Sohn zur Wehrerfassung melden. Willst du, dass er zur Bundeswehr geht? Wenn der Bauer sagte: „Um Gottes willen, den brauch ich, du weißt, mein kaputtes Kreuz …“ Dann hat er den Sohn nicht gemeldet.

Einmal stieg ich am Ökobahnhof „Kloster Chorin“ aus und schnüffelte im „Ökodorf Brodowin“ herum. Als ich dann darüber schrieb, bekam ich Briefe von Brodowinern, die meinten, ich hätte mich von der freundlichen Oberfläche des Dorfes blenden lassen und hätte nicht einmal erwähnt, dass ein reicher Wessi im „Ökodorf-Projekt“ der flächenmäßig größten deutschen Bio-LPG das Sagen habe: „Bauernland in Junkerhand“.

All diese Zwielichtigkeiten zwischen Alteingesessenen und Neuhinzugezogenen, Kopf- und Handarbeitern, Ostlern und Westlern thematisiert die Zeitung von Strohdehne Wahrsager 2016. Zur Beantwortung der darin gestellten Frage „Gehört die Kuh ins Dorf?“ diente das 174 Tage dauernde Kunstprojekt „Versorgungsengpass“, das in der Mitte des Elbe-Fischerdorfes einen „Kulturversorgungsraum“ mit Kiosk betrieb.

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