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Kolumne Wir retten die WeltDer Wolf ist dem Wolf ein Mensch

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Wer die Grenze zwischen Tier und Mensch verwischt, hat einen Vogel. Er tut damit weder den einen noch den anderen einen Gefallen.

Süß! Ein kleine - hihi - Wolf(s)gang Foto: imago/Blickwinkel

M anchmal wäre es gut, wenn auch große Denker im Biologie-Unterricht aufgepasst hätten. Als der englische Staatsphilosoph Thomas Hobbes 1657 seine Theorie belegen wollte, dass sich Staaten untereinander regelmäßig an die Gurgel gehen, wählte er ein Beispiel aus dem Tierreich: „Homo homini lupus“, der „Mensch ist dem Menschen ein Wolf“.

Schön wär’s. Anders als Thomas Hobbes annahm, zerfleischen sich Wölfe keineswegs dauernd untereinander. Im Gegenteil: Wären wir Homines sapientes so clever wie die Wölfe, so lautlos und angepasst an unsere Umwelt und so solidarisch untereinander, hätten wir Journalisten wenig zu schreiben. Und wenn wir den Urvater all unserer Hassos und Bellos nicht insgeheim schätzten, würden wir unser Geld und das Schicksal Europas auch nicht ausgerechnet einem Menschen anvertrauen, der mit Vornamen Wolfgang heißt.

Aber wehe, der Wolf verhält sich artgerecht. Wenn er in manchen Teilen Deutschlands wieder auftaucht und Schafe reißt, kennen selbst einige Biobauern kein Pardon: „Schießen! Sofort schießen!“, forderte der Geschäftsführer des Bauernbunds Brandenburg, Reinhard Jung, der vor ein paar Wochen in der taz interviewt wurde. Die Antwort darauf war ein langgezogenes Geheul von Tierschützern, das sich vor allem im Internet über Tage hinzog: „Dämlich“ war noch das Mindeste.

Es folgten mehrere nicht druckfähige Beleidigungen. Diese Schmähkritik gipfelte darin, wer Wölfe erschieße, solle selbst erschossen werden. Eine Tierfreundin, die Kollege M. daraufhin fragte, ob sie das ernst meine, beharrte auf ihrer Meinung: Wer Tiere töte, habe selbst kein Recht auf Leben.

Aus einer Frage eine Eselei

Das ist absurd. Ähnlich verrückt wie die herrschende Meinung, dass Tiere nach unserem Recht oft wie Dinge be- bzw. misshandelt werden dürfen. Wer die Qual von Schweinen ohne Ringelschwanz oder von Puten mit teilamputierten Schnäbeln in den Fleischfabriken kennt, wird mehr Rechte für Tiere wollen. Wer weiß, dass Menschenaffen uns fast völlig in den Erbanlagen gleichen und so intelligent sind wie kleine Kinder, kann es schwer ertragen, wie diese „Geschwister“ in Zoos gehalten werden. Aber wer Tieren und Menschen grundsätzlich die gleichen Rechte zugesteht, macht aus einer komplizierten ethischen Frage eine populistische Eselei.

Zunächst: Wer Wolfskiller oder andere Jäger zum Abschuss freigibt, der fordert damit die Todesstrafe. Da endet Tierliebe in Menschenhass.

Vor allem aber: Wer Tiere und Menschen auf eine ethische Stufe stellt, erweist dem Tierschutz einen Bärendienst. Denn wenn für Mensch und Wolf die gleichen Regeln gelten, warum sollte der Mensch sich verpflichtet fühlen, einen Konkurrenten um Nahrung und Territorium zu schonen? Er würde ihn so behandeln, wie der Wolf uns, wenn er dazu die Chance bekommt: töten und verspeisen. Wer will, dass der Mensch andere Tiere und Lebensräume schützt – und das sollte man wollen –, der muss dafür sorgen, dass er sich als mehr betrachtet als das Ende der Nahrungskette.

Wer die Grenzen zwischen Mensch und Tier verwischt, tut weder den einen noch den anderen einen Gefallen. Auch bei den gut gemeinten Anzeigen der Tierschützer von „Vier Pfoten“ sträuben sich mir die Nackenhaare. Wer Promis dafür brüllen lässt, dass es „mehr Menschlichkeit für Tiere“ gibt, hat einen Vogel. Tieren reicht es völlig, tierischer behandelt zu werden. Der Irrtum von Thomas Hobbes wird nicht besser, wenn man ihn einfach umdreht. Es hilft auch dem schlauesten Räuber nicht, wenn der Wolf dem Wolf ein Mensch ist.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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13 Kommentare

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  • "Wer die Grenze zwischen Tier und Mensch verwischt..." impliziert, der Mensch sei kein Tier, was ist der Mensch dann, eine Schraube, ein Stuhlbein, ein 'Geschöpf Gottes', ein Nichts, ein Alles, ein Sksöchlklk? Der Mensch ist und bleibt ein Tier.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich schließe mich einigen Blogkommentatoren an: Eine unausgereifte und recht verschwurbelte Kolumne von Herrn Pötter. Wer einmal in die ehrlichen Augen eines Hundes geschaut hat und die Sensibilität, Klarheit, Aufmerksamkeit uvm. verspürt hat, der kann nicht verstehen, weshalb der durchschnittliche Hundehalter im Biergarten dem Hund kein Schälchen Wasser gibt, weshalb er lauthals lachend und schwätzend nicht bemerkt, daß der Hund sich schon zweimal in die kurze Leine gewickelt hat, damit keinen Schattenplatz für die Wartezeit mehr findet und -endlich- irgendwann wie ein lästiger Trolley weg und nach Hause gezerrt wird. Z.B. dies und die im Beitrag kurz erwähnten Exzesse in der Massentierhaltung zeigen, daß der Mensch offenbar nicht in der Lage ist, seine große Zahl von tierischen Mitlebewesen zu verstehen, zu akzeptieren und zu achten. Vielmehr scheint es eher so zu sein, daß der Mensch Tiere nur beherrschen, quälen und sie seinen sadistischen Neigungen unterwerfen will. So unmoralisch, wie der Mensch, verhält sich kein Tier.

    • 2G
      23879 (Profil gelöscht)
      @4932 (Profil gelöscht):

      Das einzige Tier, das sich überhaupt den Luxus einer Moral leistet, ist der Mensch. Das einzige Tier, das überhaupt fähig ist, Tierquälerei als solche zu erkennen und zu vermeiden, ist der Mensch. Die Menschheit besteht nicht nur aus Tierquälern, so wie manch Menschenhasser mit Naturdefizit-Syndrom unterstellt. Wollte man moralische Maßstäbe anlegen, darf man sich gerne auch das Jagdverhalten von Wölfen, Hyänen und Wildhunden vergegenwärtigen: langsames Zerreißen bei lebendigem Leibe, im Blutrausch (also lustvoll) mehr töten als gefressen werden kann... http://www.sueddeutsche.de/wissen/bildstrecke-killer-naturen-1.595059-2

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @23879 (Profil gelöscht):

        Das ist mir dann doch zu dumm. Wer hängt noch nicht ganz tote Kühe und manchmal auch trächtige an den Haken und schneidet sie trotzdem auf, wer pfercht 10 000 Hühner zusammen und gibt ihnen 30 Tage Lebenszeit? Auf diesen 'Luxus' von Moral kann der Mensch wahrhaftig nicht stolz sein. Und ein Tipp: Sie könnten ruhig auch an Ihrer Erkenntnisfähigkeit in Sachen Tierquälerei arbeiten.

        • 2G
          23879 (Profil gelöscht)
          @4932 (Profil gelöscht):

          Ja wer macht denn so etwas? Ich weiß ja nicht, mit was für Leuten Sie so Umgang pflegen, aber die Menschen die ich kenne, machen so etwas nicht. Die Tierhalter hier auf'm Dorf pferchen ihre Tiere nicht in den Stall sondern lassen sie draußen auf der Weide bzw. im Gehege. Sie werden das aber nicht mehr lange so machen können, wenn im benachbarten Wald statt des einzelnen Wolfes bald ein Rudel lebt.

  • Als ein Herr Bischof - der passendeweise der oberste Richter eines Flächenstaates der alten BRD seinen schwer abgehangenen Vortrag -

    Homo homini lupus - zur

    Einführung der Proberichter öh -genäselt hatte -

    knurrte andertags einer damit Beehrten beim morgendlichen Frühstück:

    "Es ist ja eigentlich eine groteske Unverfrorenheit - daß man sich als ausgewachsener Mensch derartige Biertischweisheiten eines ältern Herr

    anhören muß!"

     

    Ob des unisonoGeklopfe konnte dieses

    wolfgelaufene Elaborat als vorschollen

    abgehakt werden.

    Nur Mut.

     

    Thomas Hobbes Leviathan ist als Alternative eher weniger geeignet -

    da selten im Biologieunterricht behandelt -

    auch wenn er zu Wolfgang durchaus passen würde.

  • Wow. Also, es scheint mir ein wenig schwurbelig assoziert, wenn Sie die Gleichstellung von Tieren bezüglich einiger Recht (Recht auf körperliche Unversertheit etc.) als Degradierung des Menschen verstehen. Die Tiere würden dadurch Rechte bekommen, dass sind schon mal keine Pflichten und schon gar keine Regeln. Warum dann der Mensch den Wolf bei jeder Gelegenheit töten und verspeisen sollte, erschließt sich mir nicht ganz. Dass, das Ihr mit "Vor allem aber:" eingeführtes Hauptargument ist, lässt leider sehr tief blicken. Etwas schwierig scheint es mir auch, wenn sie Ihre Argumentation, auf dem blödesten Argument einer sich als Tierschützer betrachtenden Person, das sie finden konnten aufbauen. Die Argumentation von TierschützerInnen ist in Regel nicht mit der Forderung nach der Todesstrafe verquickt. Dass, Sie diesen Strohmann aufbauen müssen, lässt ihre persönliche Position nicht allzu gut aussehen. Zumal sie abgesehen davon, dass Sie die Todesstrafe in die Diskussion hineinziehen wollen, unterschwellig versuchen die Position des sachlich und vernünftig Argumentierenden einzunehmen, während sie sich von einem polarisierenden Cliché zum nächsten hangeln. Bevor Sie ihren nächsten Artikel verfassen, sollten Sie sich vielleicht damit auseinandersetzen , was Sie meinen wenn Sie von "Grenzen zwischen Mensch und Tier" sprechen. Als Tipp gebe ich Ihnen gerne noch die Suchbegriffe "qualitativer Unterschied" und "quantitativer Unterschied" mit. Viel Spaß beim Informieren, und trauen Sie sich ruhig auch auf die Seiten dieser ominösen Tierschützer, die haben häufige eine angenehme Argumentationskultur und beiben macnhmal sogar bei der eigentlichen Frage.

  • " Er würde ihn so behandeln, wie der Wolf uns, wenn er dazu die Chance bekommt: töten und verspeisen. "

     

    Diese Behauptung übersieht, dass Menschen selbst Beutegreifer sind, und diese jagen einander nicht, um sich zu fressen, allenfalls kämpfen sie als Rivalen. Gegessen wurden z.B. getötete Füchse und Wölfe nur in Notzeiten, wenn keine andere Nahrung zur Verfügung stand.

    Will nur sagen: Wir Menschen gehören nicht ins Beuteschema von Wölfen. Seltene Angriffe, die nicht ausgeschlossen werden können, haben andere Ursachen.

  • Ein wenig ausweiten könnte man den Beitrag dadurch, dass man darauf hinweist, dass keinesfalls jedes Tier das gleiche Mitgefühl erhält - wie der Wolf im Moment.

     

    Wer sich auf die Seite des Wolfes stellt, weil der "artgerecht" ein Schaf erlegt, kann wohl kaum als Freund von Schafen durchgehen. Haben Schafe kein Lebensrecht? Also ich persönlich stelle es mir auch nicht besonders schön vor, als Schaf von einem Wolf "gerissen" zu werden.

     

    Aber geschieht denn nicht alles bei der Herstellung unserer Nahrung? Stichwort: Massenvernichtung von Schnecken. Gibt es nur dehalb kein Schneckentiergerichtshof, bloß weil die Salat eben auch so lecker finden wie wir und die Veganer?

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Hunter:

      Aber wollen Sie nicht vielleicht die Evolution und die gentechnisch verankerten Bedürfnisse von Tieren respektieren? Die Evolution hat schon stattgefunden und ist nicht wegzudenken. Ein Frosch frisst eine Fliege, ein Igel einen Maikäfer und eine Nacktschnecke, Ein Bär oder ein Wolf ein Schaf, ein Adler eine Maus, ein Hai Krebse und Fische. Darum geht es doch beim Kern der Kolumne nicht. Es geht um die Forderung des Jägers, wenn ihm eine Konkurrenz nicht passt, zu rufen 'Schießen! Sofort schießen!“. Es geht nicht um Tierachtung, nicht um Gefahr für den Menschen, sondern nur knallhart um entgangene menschliche Beute, wenn der Wolf das tut, was er tun muss. Seit Millionen von Jahren.

      • 2G
        23879 (Profil gelöscht)
        @4932 (Profil gelöscht):

        "knallhart um entgangene menschliche Beute"? Wissen Sie wirklich nicht, daß Herr Jung nicht Sprecher eines Jagdverbandes sondern eines Bauernverbandes ist? Es fällt auf, daß die Sorgen der Tierhalter in solchen Diskussionen (bewußt?) immer wieder ausgeblendet werden. Wie soll denn bitte eine Weidewirtschaft als artgerechte Variante der Tierhaltung betrieben werden, wenn der Bestand auf 400 Rudel angewachsen ist? 2,50 m hohe Zäune genehmigt kein Bauamt, und die halten auch keiner panischen Kuhherde stand. Herdenschutzhunde greifen Spaziergänger an. Herdenschutzesel werden selbst zur Beute. Also alle Tiere in den Stall, damit sie nicht zerfetzt werden? Soll das die Lösung sein?

        • 4G
          4932 (Profil gelöscht)
          @23879 (Profil gelöscht):

          Ich möchte mich hier nicht mit Jägern, Bauern, Fleischproduzenten unterhalten, sondern nur mit Menschen, die eine ethische und moralische Beziehung zu Tieren haben.

          Danke für das Gespräch.

    • @Hunter:

      Einen hübschen Alias-Namen haben Sie sich ausgesucht. Korrigieren Sie mich gern, wenn ich mich irre, aber ich gehe mal davon aus, dass sie, vor die Wahl gestellt, viel lieber bis zum Abschuss frei im Wald leben würden als eingepfercht in einem viel zu engen, völlig verdreckten Stall. Außerdem, stelle ich mir vor, würden Sie dann doch lieber kurz und (dank selbstgebrautem Hormoncocktail) halbwegs schmerzfrei die Kehle durchgebissen kriegen als elend langsam zu verrecken auf einem Tiertransport quer durch Europa. Natürlich nur, wenn die beiden genannten Möglichkeiten alternativlos sind.

       

      Und damit endet dann die Einfachheit auch schon. Aus einer komplizierten ethischen Frage eine populistische Eselei zu machen, ist wirklich nicht sehr hilfreich. Mensch müssen es sich nun mal gefallen lassen, von andere Menschen nach ihren Motiven befragt zu werden. Wer keine nennen kann, dem kann Mensch nicht vertrauen. Die Moral wurde ja schließlich nicht zum Spaß erfunden. Sie soll uns Sicherheit verschaffen.

       

      Wenn wir Schnecken anders behandeln als Wölfe oder Affen, dann deswegen, weil Wölfe und Affen uns viel ähnlicher sind. Wer Wölfe und Affen respektiert, erwarten wir, der respektiert andere Menschen erst recht. Eine Moral, die für das Töten eines Wolfs den Tod seines Jägers fordert, erschüttert unseren Glauben an die Moral. Sie verkehrt ihren Sinn nämlich ins glatte Gegenteil. Und den Tieren hilft sie auch nicht, da hat Bernhard Pötter völlig recht. Genau so wenig, wie uns der Vergleich mit Schnecken nützt. Wäre alles eins, müssten wir glatt verhungern. Wir sind nun mal noch immer Teil der Nahrungskette. Aber wir bemühen uns. Wenn unsere Lebensmittel in ein paar Jahren aus dem Drucker kommen (knnten), sprechen wir zwei noch einmal neu über Moral und Tod, abgemacht?