Kolumne Wir retten die Welt: Zombies made in Germany
Zu Besuch in den USA. Plötzlich greifen Untote voller Dummheit und Vorurteil die Energiewende an! Wir retten die Welt.
E s geschah in Bryan, Texas. Die Dämmerung brach über die gottesfürchtige Kleinstadt herein. Die Bewohner des Hauses starrten auf die Horden von Zombies, die in der letzten Folge der Kultserie „The Walking Dead“ auf ihrem Flachbildschirm hin und her torkelten.
Und ich dachte plötzlich: „Was macht eigentlich Philipp Rösler so?“
Nicht, dass es da einen direkten Zusammenhang gäbe. Rösler – die älteren Leser werden sich noch an ihn erinnern – war und ist keineswegs ein Untoter, sondern ein netter Kerl, der jetzt das Wirtschaftsforum in Davos managt. Rösler hatte nur das Pech, in der FDP zu sein und als ihr Wirtschaftsminister die Energiewende schlecht reden zu müssen.
Zum Glück hörten die Wähler in Deutschland nicht auf ihn und schickten die FDP 2013 in den Vorruhestand. Zum Pech hörten aber im Rest der Welt die Leute auf ihn. Und deshalb erinnern mich die Gestalten auf dem Bildschirm an Röslers untote Thesen zu den Kosten der Energiewende.
Ein Leben jenseits des American Way of Fossil Fuel?
Denn für US-Energiespezialisten ist das immer ein tolles Thema. Beim Chef der Lobbygruppe für erneuerbare Energien in Washington komme ich die ersten zehn Minuten nicht zu Wort, weil er sich so ausführlich nach den deutschen Strompreisen erkundigt; der ansonsten sehr gut informierte Professor für Energiewirtschaft in Houston ist nicht davon abzubringen, dass die Strompreise unsere Wirtschaft strangulieren. Und da ist der Umweltberater eines mächtigen Gouverneurs, der mich dringend bittet, ihm Material zu diesem Thema zu besorgen, weil das Kostenargument immer als Killer auftaucht.
Da sind sie, Röslers Zombies. Ich nehme die verbale Schaufel und dresche auf sie ein: Nein, die Strompreise für die Wirtschaft sind nicht zu hoch, sondern eher zu niedrig, nein, es gibt keine Massenarmut wegen des teuren Stroms in Deutschland, ja, wir haben noch eine Industrie, nein, es gibt keinen Volksaufstand wegen 20 Euro im Monat und ja, wir haben dafür bezahlt, dass ihr jetzt billige Solar- und Windanlagen habt, bitte sehr, nichts zu danken. Sie sind hässlich, diese Zombies, voller Dummheit und Vorurteil und tragen irgendwo zwischen ihren hervorquellenden Augen und den aufgerissenen Mündern einen Stempel „Made in Germany – by the Government“.
Und sie verbreiten Angst. Davor, dass die Germans sich und alle anderen mit ihrer Energy Transition ruinieren. Oder viel eher auch: dass die Energiewende klappt. Denn den uramerikanischen Ängsten – Job weg, Benzin teurer, Russen kommen – fügt sie noch eine Sorge hinzu: Es könnte ein Leben jenseits des American Way of Fossil Fuel geben! Da ist man um jeden Zombie froh, der einen davor bewahrt.
Irgendwann ruhen aber selbst die Untoten. Als nach 90 Minuten entweder die Zombies tot oder die Menschen noch am Leben sind, wird klar: Das war die letzte Folge. Vor den „Walking Dead“ haben wir erst mal Ruhe. Bis zur nächsten Staffel. Oder bis zum nächsten Wirtschaftsminister von der FDP.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!