Kolumne Vollbart: Aufhören mit dem Scheiß!
Nach dem „Hippster“ kommt nun der „Yuccie“ – angeblich. Mich langweilt dieses ganze Kategorien-Bingo mittlerweile. Sind wir nicht alle längst „Normcore“?
Der Hipster ist tot. Das schreibt Journalist David Infante auf Mashable. Was für eine News. Aber gab es den Hipster jemals? Oder war es nur eine Zuschreibung, weil JournalistInnen Kategorien lieben? Mit „Hipster“ konnten sie eine ganze Generation zwischen Brooklyn, Berlin und Paris beschreiben. Infante selbst fand den Begriff beleidigend, weil ungenau. Er schlägt den Begriff „Yuccies“ vor. Das sind die jungen, urbanen Kreativen, die von Reichtum und kreativer Autonomie träumen. Irgendwie süß.
Infantes Definition folgend definieren sich die Yuccies selbst nicht durch ihren Reichtum, sondern die Beziehung zwischen Wohlstand und eigener Kreativität. Und weil ohne Checkliste nichts geht, liefert Infante gleich eine. Ein Auszug: Sie mögen in der Theorie keine Gentrifizierung, lieben in der Praxis aber hausgemachte Donuts. Sie vermeiden sichtbare Tattoos, weil es der Karriere schadet. Sie haben Tausende Instagram – aber kaum Twitter-Follower. Ein wichtiges Merkmal scheint die Liebe zu Geld zu sein, dennoch sind sie „Yuccies“ keine „Yuppies“, weil der „Yuppie“ nicht kreativ ist.
Mich langweilt dieses Kategorien-Ping-Pong. In Berlin vergeht ja keine Minute, in der nicht irgendwer irgendwen als Hipster bezeichnet. Wieso? Um sich selbst zu distanzieren. Um die eigene Individualität zu unterstreichen. Hipster sind die anderen.
Es geht um Privilegien und Geld
Und wie sehen Yuccies aus? Der Hipster wurde vor allem phänotypisch definiert (enge Hose, Bart, Agenturbrille) und natürlich männlich codiert. Bei den Yuccies geht es einfach um Privilegien und Geld. Warum braucht es dafür also ein neues Wort? Es sind eben Leute um die 30, die Kohle haben und sich ihrer Privilegien bewusst sind, sie aber nicht verlieren wollen.
Aber wird nicht schon dieses ganze Kategorien-Bingo unter „Generation Y“ gepackt? Sind wir nicht alle längst „Normcore“? Und könnten wir nicht mal mit dem Scheiß aufhören? Eine ganze Generation lässt sich nicht in einen Begriff packen. Es dient als Marketingstrategie und schreibenden Menschen zur Generalisierung. Vor allem lassen sich so tatsächlich Differenzen ausschalten, denn wenn alle unter einem Begriff fallen, ist es leichter zu wissen, wen wir lieben, wie wir leben und was wir wollen.
Die Hipster gab es jedenfalls nie, weder in Berlin, noch in Brooklyn und schon gar nicht in Paris. Und so gibt es auch die Yuccies nicht. Ich will keins von beiden sein – nicht um meine Pseudo-Hyperindividualität zu beweisen, sondern weil ich nicht in einer Kategorie stecken will, die mir vorschreibt, wonach ich strebe (“Yuccies wollen erfolgreich wie Yuppies und kreativ wie Hipster sein“), was für Musik ich höre und welche Serie ich schauen muss ("Seinfeld“). Und wenn schon Serie, dann bitte „Mord ist ihr Hobby“ oder „Golden Girls“ – oder ist das schon zu Gay-Yuccie?
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