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Kolumne Unter SchmerzenFuck the pain away

Es ist alles nicht so einfach mit dem Schmerz. Wusste auch schon Freud. Zum Glück gibt es Popmusik, die auch was zur Sache sagt.

Der Meister und seine Lampe. Foto: Sigmund Freud Museum

E s ist gut, es wird besser. Macht weiter, es tut weh. Höre ich ein Lied, das das Wort „Schmerz“ in all seinen Übersetzungen enthält, höre ich mittlerweile genauer hin. „Fuck the pain away“, davon hatte ich es hier schon. „Will you take the pain I will give to you again and again and will you return it?“, Depeche Mode, Strangelove, auch ein schönes Beispiel. Überhaupt: große Schmerzbesinger.

Jetzt, da ich den Schmerz kenne, weiß ich aber auch: Der echte, konkrete Schmerz ist da oft gar nicht gemeint, sondern nur der Schmerz im übertragenen Sinne. Der aber, nächster Gedanke, zu einem echten Schmerz werden kann. Jederzeit. Hallo, Psychosomatik.

Es gibt auch im Alltag ein paar schöne Formulierungen, die tiefer blicken lassen: Mein Vater zum Beispiel beklagt sich über unnötige Geldausgaben gern mit den Worten: „Das tut mir weh.“ Eine sehr geläufige Formulierung ist: „Ich habe Rücken.“ Rücken zu haben wiederum lässt zu achtzig Prozent (Quelle: privat) auf psychische Ursachen schließen. „Gibt es Probleme mit dem Kindsvater oder ist sonst was im Argen, geht sie am Stock.“ Tatsächlich: Die Mittelschichtsfrau kann sich tags drauf nicht mehr bewegen. Sie hat Rücken.

Vulgärfreudianismus? Aber ja doch. Eine meiner Lieblingsstellen bei Freud geht so: „Die Menschen (werden) neurotisch erkranken, wenn ihnen die Möglichkeit benommen ist, ihre Libido zu befriedigen.“ Triebstau macht also aua, könnte man platt ins Hier und Jetzt übersetzen: „(…) und dass ihre Symptome eben der Ersatz für die versagte Befriedigung sind“. Also wird mir als neurotisch Erkranktem etwas wehtun, weil mir irgendein Leid getan wird, ober besser gesagt, weil ich da nicht zum Zug komme, wo ich es mir so dringlich gewünscht habe. Wobei: Es muss da gar nicht um Sex oder die Liebe gehen, denn auch Dinge wie Arbeit, Erfolg, Anerkennung können „libidinös“ besetzt“ sein. Aber: „Das Maß von unbefriedigter Libido, das die Menschen im Durchschnitt auf sich nehmen können, ist begrenzt.“

Ich und die Sexualität

Kompensation könnte ein Weg sein. Das Problem ist nur: „Der Konflikt wird durch die Versagung heraufbeschworen, indem die ihrer Befriedigung verlustige Libido nun darauf angewiesen ist, sich andere Objekte und Wege zu suchen. Er hat zur Bedingung, dass diese anderen Wege und Objekte bei einem Anteil der Persönlichkeit ein Missfallen erwecken, sodass ein Veto erfolgt, welches die neue Weise der Befriedigung zunächst unmöglich macht.“ Kurzum: „Es bleibt also beim Konflikt zwischen Ich und Sexualität.“ Schöne Scheiße.

Es ist alles nicht einfach. Es ist auch nicht so einfach, eine Schmerzkolumne zu schreiben. Auch wenn Kollege Arzt (sic!) meinte, mir brauche nur irgendetwas wehzutun und, schwupp, sei der nächste Text fertig. Die Kunst besteht darin, sich vom eigenen Leid abzuheben. Es beschreibend auf eine andere, allgemeinverständliche Ebene zu kommen. Aber das geht nur, indem man Ursachenforschung betreibt. Womit wir wieder bei Freud wären.

Oder, um mit Depeche Mode zu schließen: „Pain! Will you return it? I‘llsay it again: pain!“

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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2 Kommentare

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  • 2G
    23854 (Profil gelöscht)

    Hoch interesante Themata. Ich traue mir nicht darüber zu Schreiben. Nucht Jetzt.

    Erfarung mit Schmerzen mach ich nach wie vor.

    Solche Erfarunge wunsche ich nimande.

    Bezeichne mich als Opfer von Strukturele Rassismus beu den Organen der Polizei,

    sogenante V-männern und das Villkur der Justizien die sich an Schmerzen verursachen reichlich mitbeteiligt hatte weil die auch wiessen das in einem Rassistischen und Migranten feindluch orientirten Geselschaft eine Individue wie mich nicht gelingen wird seine Schmerz her zu stellen und Hofen auf eine sogenanten Rehabilitirung.

    Nein bin nicht von die Themata weg nur möchte Aufmerksam machen auf ein Portret das Staatliche Gewalt der heute ind swar wie gegen einzellnen Individuen durch gezielte Psychologische zerstöru g in aler stille vor sich gehen kann. Denke das die beigefügte Schmerzen durch staatsgewalt eben eine ganz andere und bittere erfarung mit such bringt weil eine solche Gewalt auf psychiwissenschaftliche ebene und von Profesionel gebildete Menschen durchgefürt werden die einfach als ware reue Gewalt man verstähen kan der darauf Zielt eine Individue in seinen Mensch sein so zerstört sein wird das es sich der Einzelnen nie malls mehr wieder erholen darf.

    Was ins besonderes Schmerzhaft bereitet ist das der betrofene merkt das nicht mall seine familie angehörigen und nucht mall Kinder davon ausgenommem werden wurde.

    Das nent man pure Hass der einfach vernichterisch in ihre Element vor sich geht.

  • Das Unbewusste - die beste Ausrede ever. Und als Motivation fürs Psychologiestudium einfach unschlagbar!

     

    Jeder hat es, keiner kennt es, aber jeder wüsste gern etwas darüber. "Die Menschen (werden) neurotisch erkranken, wenn ihnen die Möglichkeit benommen ist, ihre Libido zu befriedigen", sagt Freud. Na toll! Kennt hier irgendjemand irgendjemanden, der immer und überall die Möglichkeit bekommt, seine aktuelle "Libido zu befriedigen"? (Merke: Es muss nicht unbedingt um Sex oder die Liebe gehen. Auch Dinge wie Arbeit, Erfolg, Anerkennung können "libidinös" besetzt“ sein.)

     

    Ich kenne niemanden. Allerdings kenne ich auch niemanden, der sich selber für neurotisch hält. Daraus ergibt sich meiner Meinung nach eine gewisse Diskrepanz, die sich nur dadurch erklären lässt, dass ein gewisses Maß an Neurosen unter Mitteleuropäern als vollkommen normal gilt. Asiaten wissen nicht repräsentativen Umfragen zufolge nicht einmal mit dem Begriff Neurose etwas anzufangen. Es sei denn, sie wurden einschlägig "geimpft".

     

    Übrigens: Dass René Hamann als neurotisch Erkranktem etwas wehtut, weil ihm irgendein Leid getan wurde oder wird ober er nicht zum Zug komme, wo er es sich ganz dringlich wünscht, müsste er glauben, wenn er etwas davon würde haben wollen. Es handelt sich hier um eine Art Religions-Surrogat. Der Glaube kann zum Beispiel ziemlich hilfreich sein, wenn man sein Geld als "Schmerzbesinger" verdienen möchte. Wenn nicht, sucht man sich wohl besser eine Alternative dazu. Und das, nicht wahr, dürfte nicht mal all zu schwierig werden für einen modernen Menschen unserer Tage, der das Prinzip der Individualität verinnerlicht hat wie früher bloß die Philosophen. Das Maß von unbefriedigter Libido, das Menschen im Durchschnitt ertragen können, mag ja vielleicht begrenzt sein. Der Durchschnittsmensch, allerdings, sagt noch rein gar nichts aus über irgendwelche Einzelindividuen.