Kolumne Über Kreuz: Hohn und Spott
Bei den Christen haut die taz gerne mal drauf. Aber auch Mitarbeiter, die noch im kirchlichen Club sind, haben oft nicht viel zu lachen.
M ein unfreiwilliges Coming-out fand vor ungefähr zehn Jahren statt, als ich im Lohnbüro der taz anrufen musste. „Ich zahle Kirchensteuer, ihr müsst da was ändern“, sagte ich und hörte am anderen Ende der Leitung einige Momente erst einmal gar nichts. Doch die Botschaft dieses beredten Schweigens war eindeutig: Es gibt sie also auch bei uns, diese Irren, die freiwillig einem christlichen Club angehören (in diesem Fall dem evangelischen) und dafür auch noch bezahlen.
Meinem Anruf vorausgegangen war ein Brief der Kirchensteuerstelle Neukölln, die mich offensichtlich jahrelang schlichtweg vergessen und nicht einmal als Karteileiche geführt hatte. Nun wollte sie wissen, ob ich getauft, konfirmiert und dann aus dem Verein ausgetreten sei. Gemäß des 8. Gebots (Du sollst nicht lügen – allenfalls in Notfällen) bejahte ich nur die beiden ersten Fragen.
Fortan entrichtete ich brav monatlich meinen Obolus (aktuell sind das 27,50 Euro). Und wurde in der taz bisweilen mit einigem Argwohn betrachtet, hin und wieder fiel auch die eine oder andere despektierliche Bemerkung. Dabei hat das Blatt doch ein Herz für Minderheiten aller Art, für die Mühseligen und Beladenen dieser Welt.
Von wegen! Bei den Christen ist Schluss mit lustig. Oder eben gerade nicht. Hohn und Spott gehen immer, und bisweilen ist kein Witz zu platt, um es Protestanten oder Katholiken mal wieder so richtig zu besorgen.
Kirchentage unter evangelischen ChristInnen heißt: Ernst zu nehmen, was dort verhandelt, erörtert, begrübelt und was direkt zur Sprache gebracht wird.
Die taz war immer so frei, gerade das an Kirchentagen aufzuspießen, was allzu wohlgefällig im „Allen wohl und niemand weh” unterzugehen droht. Streit nämlich, echte Kontroverse und das Vermögen, scharf Stellung zu beziehen.
Deshalb begleiten wir den Kirchentag auch: in Stuttgart vor Ort und mit vier täglichen Sonderseiten in der Zeitung. Zum ersten Mal schickt die taz Panter Stiftung dafür junge Journalisten nach Stuttgart, die die Berichterstattung übernehmen. Die elf ReporterInnen sind weit angereist, aus Mainz, Berlin oder Hamburg etwa. Es berichten: drei Katholiken, zwei Protestanten, eine Muslima und fünf Atheisten.
Hassobjekt Papst
Bevorzugtes Hassobjekt ist der Papst (so fiel dem Kolumnisten Wiglaf Droste zum Tod von Johannes Paul II. der sinnige Satz ein: Die polnische Flugente ist abgestürzt). Manchmal kann man sich aber auch an Jesus höchstpersönlich ganz gut abarbeiten. So bezeichnete die taz 1996 aus Anlass des Kruxifix-Urteils des Bundesverfassungsgerichtes den Gekreuzigten als „Balken-Sepp“, was eine Missbilligung des Presserats nach sich zog.
Manchmal erbarmte sich denn doch ein tazler und hatte Gesprächsbedarf zum Thema Religion. Er habe ja versucht zu glauben, sagte mir ein Kollege, dessen Kind mit einer chronischen Krankheit auf die Welt gekommen war. Aber das habe dann doch nicht geklappt. Nun ja!
Ach übrigens: Meine jahrelange finanzielle Abstinenz in Sachen Kirche hätte unangenehme Folgen haben können. Hatte sie aber nicht. Anstatt eines satten Nachzahlungsbescheids kam nur ein kurzes Schreiben: Hiermit freuen wir uns, Sie als Mitglied unserer Gemeinde begrüßen zu können.
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