Kolumne Schlagloch: Eva Herman - Mutter der Kleinweltdenker
Das Spannende an Eva Hermann ist ihre Fan-Gemeinde. Gegen sie hilft nur eins: Lachen.
Nicht schon wieder Eva Herman! Sprechen wir über Fulda. Genau zwei Tage, bevor Eva Herman sich etwas früh von Johannes B. Kerner verabschiedete, war sie in Fulda. Und in Fulda war es viel, viel schöner. Angekündigt als "tapfere Frau", die sich "gegen das öffentliche Geheul" erhebe, sprach sie vor 700 Menschen. Und dann ging sie unter - nein, nicht so wie bei Kerner - sie ging unter im Jubel der 700. Alles Nazis?
Nun, nicht unbedingt. Das "Forum deutscher Katholiken" bildete die Jubelgemeinde, und Alois Konstantin Fürst zu Löwenstein hatte das mit der "tapferen Frau" und dem "öffentlichen Geheul" gesagt. Nicht als Obernazi, nur als Kongressleiter. Ach Fulda, was soll aus dir werden?
Fulda hatte noch unlängst einen Oberhirten - Gott nahm ihn vor ein paar Jahren zu sich -, gegen den war der Kölner Kardinal Meisner ein Chorknabe. Fuldas Oberhirte Dyba predigte weniger gegen Fenster als gegen sexuelle Minderheiten. Wie gern hätte Dyba wie soeben der iranische Staatspräsident vor den Vereinten Nationen ausgerufen: In meinem Land gibt es keine Homosexuellen!
Es war ein Tag des besonderen rhetorischen Engagements Dybas, als im ICE von Frankfurt am Main nach Berlin der Zugchef in sanfter Stimmlage mitteilte, dass "unser Zug heute nicht in Fulda" hält. Und der ganze ICE lachte. Voller Einverständnis mit der deutschen Bahn und ihrer Verkehrspolitik. Warum sich nicht daran erinnern in diesen Tagen? Nur der Zugchef verstand nichts. Aber was war eigentlich geschehen?
Die Fahrgäste - lauter betont Einzelne in einer Gesellschaft der betont Einzelnen - bildeten gewissermaßen eine Gemeinde. Modernen Menschen gelingt das nicht mehr so oft. Denn eine Gemeinde können nur Menschen bilden, die möglichst zur selben Zeit dieselbe Nachricht vernehmen.
In unseren Breiten wusste man lange, welche das ist: die gute Nachricht natürlich. Die Apostel waren gewissermaßen Journalisten älteren Typs, deren Eigentümlichkeit darin bestand, dass sie immer dieselbe Nachricht übertrugen, die gute Nachricht. Und die Empfänger der immergleichen Nachricht bilden die Ekklesia, die Kirche also.
Das ist auch historisch völlig korrekt. Denn "Ekklesia" meinte vorchristlich nichts anderes als eine Nachrichtenempfangsversammlung - eine Versammlung von Hörern, die bei Ankunft eines Reichsherolds einen Erlass zur Kenntnis nahmen.
Eva Herman versteht sich, wie jeder weiß, als eine mehr oder minder direkte Nachfolgerin der Apostel. Apostel sind nun einmal etwas penetrant und unterscheiden sich von anderen Journalisten vor allem dadurch, dass sie immer dasselbe sagen. Eva, die Überbringerin der guten Mutter-Nachricht. Das Fuldaer "Forum deutscher Katholiken" hat das verstanden. Senta Berger, Margarethe Schreinemakers und Kerner haben das nicht verstanden. Sie bildeten gewissermaßen die Gegengemeinde, die Exkommunizierungsgemeinde. Sollten wir, lieber Johannes B. Kerner, das Exkommunizieren nicht denen überlassen, die sich geschichtlich damit auskennen? Der Wortstamm von Kommune und Kommunikation ist zwar irritierend gleich, trotzdem hat es das Fernsehen eher mit Letzterem zu tun. Es ist nicht ultimativ ausschlussbefugt.
Aber auch beim Exkommunizieren gibt es eine bemerkenswerte kulturelle Entwicklung. Natürlich hatte damals ein ganzer ICE Dyba exkommuniziert. Aber mit anderen Mitteln. Vielleicht ist das der eigentliche zivilisatorische Fortschritt: von der direkten Kenntnisnahme eines Erlasses zum Lachen - weil alle ohne Zwang dasselbe denken anlässlich eines nicht vorhandenen Anlasses, eines gestrichenen Bahnhofs nämlich. Lachen ist etwas anderes als ein Rauswurf. Und was will Johannes B. Kerner jetzt mit den siebenhundert Katholiken aus Fulda machen? Er sollte ihnen eine Chance geben und sie in seine Talkshow einladen. Zum Nazi-Test. Die beiden bewährten Antifaschistinnen Berger und Schreinemakers könnten ihm helfen.
Natürlich sind Katholiken eher ein bisschen rechts, aber wir wollen uns das nicht zu einfach machen. Da ist doch noch diese Christa Müller, Oskar Lafontaines Ehefrau, die regelmäßig ihre linke Partei verärgert. Christa Müller, familienpolitische Sprecherin der Linkspartei im Saarland, ergänzt das Hermansche Mutter-Ethos gleich noch um das "Hausfrauen"-Ethos. Sie weiß auch, was das ist: "Das bedeutete: Die Wohnung muss sauber sein, die Frau sieht gepflegt aus." Oskar, du hast es besser! Christa Müller vergaß auch nicht anzufügen, dass es für Frauen eine Errungenschaft war, "nicht berufstätig sein zu müssen". Vollkommen klar, Proletarierfrauen mussten arbeiten, die anderen saßen in ihren sauberen Wohnungen und sahen gepflegt aus. Vielleicht sollte Oskar Lafontaines Frau das nicht unbedingt in einer Partei mit Arbeiterhintergrund erzählen, sondern besser den gepflegten Fuldaer Katholikinnen? Und was ist rechts an sauberen Wohnungen?
Möglicherweise sind die meisten Dinge zuletzt eine reine Nervenfrage, und die Modernität ist erst recht eine Nervenfrage. Nehmen wir nur diese Siebenjahresehe-Idee. Die Vorschlagende hat doch recht. Es gibt keine unbefristeten Verträge, alles hat seine Laufzeit. Die Ehe ist ein Vertrag, hat also eine Frist, und die Frist "lebenslänglich" klingt nicht umsonst wie die zweithärteste aller nur denkbaren Strafen. Die Ehe ist nun wirklich die prosaischste aller Einrichtungen, Urzelle einer jeden Ökonomie. Und dann: "Keiner verlangt von einem Einzelnen, dass er glücklich ist. Ist aber einer verheiratet, ist man sehr erstaunt, dass er es nicht ist." Rainer Maria Rilke. Und doch denken wir noch immer bei dem Wort Ehe eher an die "heilige Familie" wie Eva Herman als an ein wirtschaftliches Kalkül. Wider alles bessere Wissen.
Was bedeutet das? Interessant ist der Fall Herman ja doch. Nicht weil sie ein Nazi - eine Nazisse also? - wäre. Wieso gibt es keine vernünftige weibliche Form von Nazi? Nein, Eva Herman ist wie Frau Müller ein typischer Kleinweltdenker. Ein Mutter-Logiker also. Frauen, dachte mann bis vor wenigen Jahrzehnten, sind so. Frauen haben keine Welt, sie haben nur Umwelt. Eben weil sie Mütter sind, denken sie nestzentriert. Herman spricht gern von der Berufung der Frau, "ein schönes Nest" zu bauen. Das muss er sein, Freuds "physiologischer Schwachsinn des Weibes". Sonst hätte auch Eva Herman gewusst, dass Hitler die Autobahnen weniger wegen der freien Fahrt für freie Bürger baute, als um die Söhne seiner Mutterkreuzträgerinnen besser in den Krieg schicken zu können. Ambivalenz des Fortschritts usf.
In "Das Eva-Prinzip" fand Eva Herman heraus, dass Männer schon von ihrer genetischen Disposition her ungeeignet sind, Einkaufstaschen zu tragen oder den Tisch zu decken: Sie mussten immer die Arme frei haben, um den Speer zu tragen. Frauen dagegen - die Ursammlerinnen - haben genau deshalb immer so große Taschen. Mein Gott, Eva!, habe ich zuerst gedacht. Inzwischen sehe ich meine Riesentasche viel nachdenklicher an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“