Kolumne Right Trash: AfD macht sich zum Affen
Mit ihrer Gegnerschaft zur Ehe für alle hat die AfD ein Alleinstellungsmerkmal entdeckt. Und das verteidigt sie mit dem homophoben Holzhammer.
F ür die AfD hätte es eine Steilvorlage sein können. Am vergangenen Freitag beschloss der Bundestag mit deutlicher Mehrheit die Ehe für alle, selbst 75 Mitglieder der Union stimmten dafür. Die Grünen beschossen ihren Abgeordneten Volker Beck, der seit Jahrzehnten für die vollständige Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben kämpft, aus Freude und Dank mit Konfetti, auf den Zuschauerrängen fielen sich gleichgeschlechtliche Paare in die Arme, andere feierten vor dem Bundestag.
Die AfD lehnt die „Ehe für alle“ ab – und hat damit nun ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Doch die RechtspopulistInnen griffen gleich mehrfach daneben.
Die Berliner AfD twitterte: „Das ist eine Familie“, dazu ein Foto von fünf, vollständig in rot gekleideten Menschen. Das Problem: Eine der Frauen sah weniger nach drittem Kind denn nach zweiter Mutter aus – eine Welle von Lesben- und Polygamiewitzen brach über die AfD herein. Dann stellte sich heraus: Mit derselben Familie wirbt auch eine Scheidungsanwältin. Der Spott war groß und nicht mehr abzubiegen, auch als schließlich bekannt wurde, dass es sich auf dem Foto tatsächlich um eine traditionelle Familie aus den USA handelt.
Dann kündigte die AfD an, eine Verfassungsklage gegen die Ehe für alle zu prüfen. Das Problem: Die Partei ist bei einer so genannten Normenkontrollklage gar nicht klageberechtigt. Dafür müsste sie schon Teil einer Landesregierung oder mit einer sehr großen Fraktion im Bundestag sein – beides dürfte in naher Zukunft nicht der Fall sein.
Beleidigende Tweets
Schließlich griff der Pressesprecher der AfD, Christian Lüth, zum homophoben Holzhammer. Auf Twitter schrieb er: „Frage: Nach der Ehe für alle könnte nun @VolkerBeck theoretisch auch einen Moslem oder einen Gorilla heiraten, oder?“ Und als die Huffington Post kritisch darüber berichtete, setzte Lüth noch einen drauf: „Liebe @HuffPostDE, ich entschuldige mich bei Gorillas & Muslimen, denen wollte ich keine Eheabsichten mit @volker_beck unterstellen.“
Wie lebt es sich in der rechten Filterblase, wenn Medien pauschal als "Lügenpresse" diffamiert werden und nur noch die Fakten zählen, die ins eigene Weltbild passen? Das fragt sich ein Team von taz-AutorInnen. Wir lesen mit, schreiben zurück oder beobachten einfach nur. Right Trash – seit Februar regelmäßig auf taz.de.
Die Gleichsetzung zwischen Homosexuellen, MuslimInnen und SodomistInnen, die Lüth hier macht, wird auch von anderen RechtspopulistInnen gerne verwendet – häufig ergänzt durch Pädophilie. Die Junge Freiheit druckte eine Karikatur, auf der sich hinter zwei schwulen Männern eine Frau mit ihrem Vogel, ein vollbärtiger Muslim mit vier Burka-Trägerinnen im Schlepptau und ein Junge mit seinem Teddybär in die Schlange auf dem Weg zur „Ehe für alle“ einreihen.
Und die WählerInnen?
Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechtspopulistischen Magazins Compact, schrieb: „Merkel verschwult die CDU und verkohlt die Schwulen.“ Und benutzt exakt dasselbe Bild: Die „nächsten Heiratskandidaten“ würden schon um die Ecke warten: „Moslems mit ihrer Vielweiberei, die Tierliebhaber, die Kinderficker – wie sollte man denen in Zukunft verweigern, was man jetzt den Homosexuellen gestattet?“
Problematisch für die AfD: Diese Gleichsetzung trifft auch ihre Spitzenkandidatin Alice Weidel, die lesbisch ist und mit ihrer Partnerin zwei Kinder großzieht. Wie sollen die WählerInnen das zusammen kriegen? Dass Weidel selbst den Kampf gegen die vermeintliche Islamisierung als wichtiger postuliert als die Ehe für alle, dürfte da nur begrenzt weiterhelfen. Außerdem: Selbst unter den AfD-AnhängerInnen spricht sich nur noch die knappe Hälfte gegen die „Ehe für alle“ aus.
Derzeit liegt die AfD in Umfragen nur noch bei um die sieben Prozent. Lüths Tweets sind inzwischen blockiert.
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