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Kolumne PressschlagMit sehr viel Testosteron

Fast unbemerkt entwickeln sich die TSG Hoffenheim wieder zu einem Spitzenklub. Trainer Julian Nagelmann will das Team „männlicher“ machen.

Ist hier noch mehr Männlichkeit nötig? Foto: ap

A uch am 13. Spieltag bestimmte Leipzig wieder die Schlagzeilen, wenn auch diesmal nicht aus rein sportlichen Gründen. Eine Schwalbe sorgte für Aufregung. Aber irgendwie kennt man diese Geschichte, die gerade so häufig erzählt wird.

Genau: Vieles in Leipzig erinnert derzeit an die TSG Hoffenheim vor acht Jahren. Ein Klub kommt durch viel Geld eines Mannes (Hoffenheim: Dietmar Hopp; Leipzig: Dietrich Mateschitz) und die sportliche Kompetenz eines anderen Mannes (Hoffenheim: Ralf Rangnick; Leipzig: Ralf Rangnick) raketenhaft nach oben, rockt sportlich die Liga und ist oft auch wegen allerlei sportfremder Vorfälle Schlagzeilenlieferant.

In Hoffenheim aber herrscht gerade weder Schwalben- noch Hupenalarm. Aber im Schatten des Leipzig-Hypes hat ein gewisser Julian Nagelsmann dort aus einem Fastabsteiger einen ernsthaften Europapokalkandidaten gemacht. Neben Leipzig ist Hoffenheim die einzige noch ungeschlagene Mannschaft im deutschen Ligabetrieb. Und das ist kein Zufall. In revolutionärer Absicht hat der Trainer Julian Nagelsmann aus einer zaudernden, naiven und braven Elf eine aggressive, gierige mit Siegeswillen gemacht.

Beim 4:0-Triumph gegen Köln erweckte diese TSG den Eindruck, dass sie auch noch eine dritte Halbzeit mit Vollgas auf weitere Tore gespielt hätte, statt sich wie in der Vergangenheit mit dem bereits Erreichten zufrieden zu geben. Augenscheinlich lernt dieser Kader schnell: Am vierten Spieltag in Darmstadt war die Elf in alte Muster zurückgefallen und wollte eine Führung nur verwalten – und wurde am Ende mit dem Ausgleich bestraft. Nagelsmann hat diese Mentalität erfolgreich laut angeprangert.

Die Lethargie im Kader wurde auch durch die kluge Einkaufspolitik im Sommer verändert. Geholt wurden Profis wie Mittelstürmer Sandro Wagner, die Achter Kerem Demirbay und Lukas Rupp sowie die Defensivspieler Benjamin Hübner und Kevin Vogt, die in Hoffenheim endlich Erfolge feiern wollen. Und gegen Köln standen bei Abpfiff in Niklas Süle, Jeremy Toljan, Nadiem Amiri, Philipp Ochs und Debütant Baris Atik fünf Großtalente auf dem Platz, die im eigenen Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet wurden. Es ist eine Pointe, dass der ehemalige Jugendtrainer Nagelsmann in der Vergangenheit also jene Profis ausgebildet hat, von denen nun der Profitrainer Nagelsmann profitiert.

„Männlicher“ sollte seine Mannschaft werden, hat Nagelsmann im Sommer gefordert. Dieser erst 29-jährige Trainer hat eine kloppohafte Überzeugungskraft. „Männlicher“ – wie das klingt. Das klingt martialisch und soll es auch. Martialisch spielt zum Beispiel Stürmer Wagner, ein Mann mit mehr Testosteron als ganz Hoffenheim, ach was, der ganze Kraichgau im beschaulichen Nordbaden. Der urplötzlich vom Zauderer zum Entscheider gereifte Sebastian Rudy sagt über Wagner: „Es ist gut, so einen Panzer vorne drin zu haben.“ Wenn sie nicht aufpassen in Hoffenheim, geben sie bald wieder die Schlagzeilen vor.

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1 Kommentar

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  • Schon klar: This is a man's world. Allerdings: Man(n) ist heutzutage nicht nur Adrenalin-Junky, sondern auch Teamplayer. Der eine gibt den "Panzer" und der andere jazzt ihn dafür hoch. Nachher wundern sich dann alle miteinander, dass der Plebs partout nicht raffen will, dass Fußball bloß ein Spiel ist – und ein Refugium.