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Kolumne Press-SchlagGekommen, um zu bleiben

Kolumne
von Thomas Winkler

Ein Dämpfer für Hoffnungen der Fußballtraditionalisten, die bösen Retortenklubs mögen wieder verschwinden: Leipzig ist nicht Paderborn.

Fast so lauschig wie daheim in Fuschl am See Foto: dpa

D eutschland im Herbst. Die Temperaturen sinken, die Blätter verfärben sich, die Bundesliga-Saison ist noch jung und die Hoffnungen sind groß. Sehr weit oben in der Tabelle steht ein Liganeuling, den eigentlich niemand so recht haben wollte in der höchsten deutschen Spielklasse.

Doch nach einem souveränen Sieg gegen einen alteingesessenen Traditionsverein gewinnt die Öffentlichkeit langsam den Eindruck, dass der immer noch ungeschlagene Aufsteiger eine Bereicherung sein könnte für die Fußball-Bundesliga. Selbst beim selbstherrlichen Branchenführer in München hat man schon Respekt entwickelt. „Wir wissen, dass es gegen sie gefährlich ist“, sagt Bayern-Torhüter Manuel Neuer. Spieler, Verantwortliche und Fans, alle sind sie sehr glücklich in: Paderborn.

Ja, so war das damals im September 2014. Der SC Paderborn, der Dorfverein mit dem 15.000-Plätze-Stadion, das eben so die Mindestkapazitätsanforderung der Bundesliga erfüllte, stand nach dem 2:0-Erfolg gegen Hannover 96 an der Tabellenspitze. Drei Tage später gab es eine 0:4-Packung in München, die der Anfang vom Ende war. Im Mai 2015 stieg Paderborn als Tabellenletzter nach nur einem Jahr Bundesliga wieder ab und wurde anschließend auch gleich in die dritte Liga durchgereicht.

Der Ausflug in die jüngere Geschichte der Bundesliga mag manchen Traditionalisten, der immer noch hofft, die neuen Akteure im deutschen Klub-Fußball, die bösen, bösen Retortenklubs mit den potenten Sponsoren, möchten so schnell wieder verschwinden, wie sie aufgestiegen sind, mit Hoffnung erfüllen. Doch diese Hoffnung wird wohl eine trügerische sein. Anders gesagt: Leipzig ist nicht Paderborn.

Langfristiger sportlicher Plan

Und das nicht nur, weil hinter dem Projekt RB Leipzig ein Weltkonzern steckt – und nicht bloß ein Möbelhaus-Millionär wie der damalige Paderborner Vereinspräsident Wilfried Finke. Sondern vor allem, weil Leipzig nach einem langfristigen sportlichen Plan kickt, der im Spiel der Mannschaft bereits zu sehen ist.

Während Paderborn bei seinem kurzen Höhenflug im Herbst 2014 vor allem leidenschaftlich kämpfte und geschickt mauerte, spielt Leipzig gegen den Spitzenklub Borussia Dortmund auf Augenhöhe und dominiert Bundesligadurchschnittsteams wie den Hamburger SV.

Viel mehr zu lachen als der Hamburger SV, da darf man sich keinen Illusionen hingeben, werden auch die kommenden Gegner der Leipziger nicht haben.

Folgerichtig demonstriert der Brause-Klub ein ganz anderes Selbstbewusstsein. „Alles nur eine Momentaufnahme“, versuchte im September 2014 der damalige Paderborner Trainer André Breitenreiter Realitätssinn zu bewahren. Im September 2016 kann man RB-Leipzig-Coach Ralph Hasenhüttl gar eine gewisse Arroganz unterstellen, wenn er über den HSV sagt: „Wir haben heute gegen einen Gegner gespielt, der uns das Leben in der ersten Halbzeit richtig schwergemacht hat.“ Und Emil Forsberg, der RB-Stürmer, nach dessen 1:0-Treffer in der 66. Minute der HSV auseinanderfiel wie eine Kreisligamannschaft, gab zu: „Ich habe nach dem 3:0 ein bisschen lachen müssen.“

Viel mehr zu lachen als der Hamburger SV, da darf man sich keinen Illusionen hingeben, werden auch die kommenden Gegner der Leipziger nicht haben. Das Spielzeug von Dietrich Mateschitz ist nicht – wie einst der glorreiche SC Paderborn – bloß aus Versehen in der Bundesliga gelandet. Sorry, tut uns leid.

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1 Kommentar

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  • Leipzig kam auch gegen den HSV in der ersten Stunde nicht über die "Augenhöhe" hinaus, profitierte dann aber von einem zumindest diskussionswürdigen Elfmeter und einer falschen Freistossentscheidung inklusive nachfolgenden Abseitstores (Weber kam aus dem passiven Abseits, das bei der Kopfballvorlage aktiv wurde und abgepfiffen hätte werden müssen, da keine "neue Spielsituation" vorlag).

     

    Auch vor dem vierten Treffer hätte man eigentlich das harte Einsteigen gegen Holtby abpfeifen müssen, zumal die Attacke von hinten kam, so dass der Sieg am Ende wenigstens zwei Tore zu hoch ausfiel.

     

    Das Problem an Leipzig ist aber nicht die Protegierung durch die Unparteiischen, es ist vielmehr die fehlende unabhängige öffentliche Kontrolle der Vereinsgeschicke - das Leipziger Konstrukt verfügt gerade mal über die gesetzlich vorgeschriebene Mindestzahl zur Gründung eines Vereins und alle stimmberechtigten Mitglieder stehen in unmittelbarer finanzieller bzw. wirtschaftlicher Abhängigkeit von Herrn Mateschitz - das Problem ist ferner die Aushebelung sämtlicher Regularien des "financial Fairplay" durch die enge Verzahnung mit weiteren Sport-Filialen weltweit. So werden Transfer-Auflagen schlicht gegenstandslos, ein Spieler, der heute noch in New York oder Salzburg einen Vertrag unterschreibt, kann morgen schon in Leipzig trainieren, ohne dass ein Verband Einfluss auf oder auch nur effektive Einsichtnahme in das tatsächliche Finanzgebahren einer dieser Filialen nehmen könnte.

     

    Schon jetzt ist das ein Wettbewerbsvorteil, der die Liga erheblich verzerrt. Sollte das Schule machen, wird das den Profi-Sport nachhaltiger verändern, als alles bisher dagewesene.