Kolumne Press-Schlag: Aussterbende Art
Darmstadt 98 verweigert sich mit krasser Unprofessionalität der arroganten Attitüde der Ersten Liga. Das kann nur zum Abstieg führen.
V or Biologismen sollte man sich als verantwortungsbewusster Sportjournalist natürlich hüten – keine Frage. Vom gemeinen Singvogel zu sprechen, sollte sich da also verbieten. Der wird ja – wie der notorisch Vögel beobachtende Jonathan Franzen in seinem neuen Roman ausnahmsweise mal nicht beklagt – von der gemeinen Hauskatze gemeinerweise millionenfach dahingerafft. Das ist gewiss bedauerlich, hat aber schließlich mit so etwas Trivialem wie Fußball nur wenig zu tun – ebenso wenig wie das ewig ungleiche Duell Löwe gegen Zwergantilope.
Und dennoch kommt einem als Augenzeuge der Spiele von Darmstadt 98 unweigerlich die Wendung vom „natürlichen Feind“ in den Sinn. Dass es sich dabei um den gleichen natürlichen Feind handelt, der schon andere Zwergvereine wie Freiburg, Fürth oder Paderborn vor deren Abstiegen in den vergangenen zwei Jahren gepeinigt hat, sei an dieser Stelle nur am Rande erwähnt. Darmstadt 98 ist am Samstag nun schon zum fünften Mal im sechsten Spiel hintereinander von einem Wesen in neongelbem Bauchkleid überaus übel mitgespielt worden. Am Samstag pfiff ein solches einen Elfmeter für die Gegner vom FC Augsburg. Das war an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Oder doch?
Dass Bayernspieler Rafinha nach seinem zweifachen Ellenbogencheck gegen Sandro Wagner nur die Gelbe Karte sah, war tatsächlich noch lächerlicher. Der Leidtragende war auch in diesem Fall: Darmstadt 98.
Wobei Darmstadt sich von Zwergantilope, Amsel, Drossel, Fink und Star in einem entscheidenden Punkt unterscheidet. Der Verein kann weder wegfliegen noch sich gut getarnt ins Unterholz verkriechen. Von Tarnung ist da keine Spur. In der ersten Liga fällt der Verein deshalb auf wie ein bunter Hund. Das Stadion ist, nun ja, bekanntermaßen ein wenig in die Jahre gekommen, damit könnte man vielleicht noch leben, aber auch sonst passt dieser Verein einfach nicht in die Erste Liga.
Die Ordner sind freundlich, nett und hilfsbereit – das wirkt schon mal verdammt unprofessionell.
Vom Aussterben bedroht
Auch den Spielern kann man diesen Vorwurf nicht ersparen. Anstatt 75.000 Euro in großen Scheinen im Taxi liegen zu lassen, schlappen sie nach dem Spiel mit Duschbeutel zum Spielerparkplatz, der doch tatsächlich Teil des ganz normalen Parkplatzes ist, und führen noch ein paar Zweikämpfe mit den Selfie-Jägern, die dort auf sie lauern. Auch das: vollkommen unprofessionell!
Es sind natürlich die gleichen Spieler, die nach dem Schlusspfiff einfach stehen bleiben und die Fragen der Reporter beantworten. So etwas kommt davon, wenn man den Grundkurs in Schnöseligkeit und schlechtem Benehmen nicht bestanden hat und denkt, man darf dann trotzdem ein bisschen mittun in der Ersten Liga.
Auch der Präsident sollte sein Verhalten dringend überdenken. Einfach so nach dem Spiel mit einem Becher Bier in der Hand mit ein paar Fans über das Spiel zu reden, geht ja nun wirklich überhaupt nicht. Zumindest dann nicht, wenn weit und breit kein Fotograf in der Nähe ist, der bereitsteht, um die rührende, lange vorher mit der Presseabteilung abgesprochene Geschichte zu bebildern, auf dass alle Welt weiß, wie bodenständig der Vereinschef doch ist.
Schon Freund Charles Darwin hat es gewusst: Wer sich so wenig anpassen kann, der stirbt eben aus.
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