Kolumne Press-Schlag: Dämliche Debatten
Die Nordklubs stecken in der Krise und versagen bei der Ursachenforschung: Sie haben sportliche, konzeptionelle und personelle Fehler gemacht.
I n den nächsten Wochen gibt es viel Betrieb am Walsroder Dreieck. Der Verkehrsknotenpunkt, an dem A7 und A27 sich treffen, liegt ungefähr in der Mitte zwischen den Städten Hamburg, Bremen und Hannover. Am Sonntag werden Tausende Bremer Fußballfans Richtung Hannover fahren, in 14 Tagen folgt eine Blechlawine aus Hamburg.
Und alle werden mit mulmigem Gefühl in ihren Autos sitzen, genauso mulmig wie das der Gastgeber, denen selbst das Heimrecht wenig Freude schenkt. Denn es ist eine tiefe Depression ausgebrochen in Deutschlands Fußballnorden. Der ist zwar mit so vielen Vereinen in die Saison gegangen, wie seit Jahrzehnten nicht mehr, nämlich mit fünfen, von denen stecken aber gleich vier ganz tief im Abstiegssumpf.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es neben dem Außenseiter Eintracht Braunschweig auch mindestens einen der Traditionsklubs von Elbe, Weser und Leine erwischt. Vorbei sind die Zeiten, da die Fans der norddeutschen Klubs sich in durchwachsenen Jahren wenigstens mit der Parallelmeisterschaft um die Nummer eins im Norden trösten konnten. Den Titel hat der Werksklub VfL Wolfsburg schon sicher – für die anderen geht es um das nackte Überleben. Seit der Werftenkrise Anfang der 80er Jahre war die Stimmung nicht mehr so schlecht.
Woran liegt das? Am Klimawandel? Am Strukturwandel? Wenn man den Verantwortlichen der Klubs bei der Ursachenanalyse zuhört, liegt es wohl vor allem an einer Art von Reformstau. Der HSV bereitet sich parallel zum Abstiegskampf gerade auf die Umwandlung vom Verein in eine AG vor, Hannovers Präsident Martin Kind wettert seit Langem gegen die 50+1-Regelung, die es Investoren erschwere in einen Klub einzusteigen, und Werders Präsident Klaus-Dieter Fischer, der letzte Woche überraschend seinen Rückzug verkündete, sagte: „Ich war da konservativ, meine Nachfolger werden einiges verändern müssen.“
Er meinte Maßnahmen, die in Bremen als Tabubrüche gelten, wie den Verkauf des Stadionnamens, von Anteilen an strategische Partner sowie die Beteiligung externer Geldgeber an Spielerkäufen. Müssen die Traditionsklubs also ihre Tradition verkaufen, um erstligatauglich zu bleiben?
Vergleicht man die Zahl der Nachwuchsspieler, die Werder und der HSV in den letzten Jahren ins Profiteam integriert haben mit der in Mainz, Augsburg und Mönchengladbach oder gar Gelsenkirchen, entlarven sich die Strukturdebatten als das, was sie sind: Ablenkungen von falschen sportlichen, konzeptionellen und personellen Entscheidungen.
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