Kolumne Press-Schlag: Menschenrecht auf Naturrasen
Die weltbesten Fußballerinnen sollen bei der WM 2015 in Kanada auf Kunstrasen spielen. Gegen diese Zumutung drohen sie der Fifa nun mit einer Klage.
W em der Fußball eigentlich gehört, ist eine Frage, die man Joseph Blatter nicht zu stellen braucht. Ihm gehört er! Wem denn sonst? Gibt es etwa noch einen Fifa-Präsidenten? Na also.
Folglich hat Blatter auch erklärt, dass die besten Spielerinnen der Welt sich nicht so anstellen sollen, nur weil bei ihrer WM 2015 in Kanada auf Kunstrasen gespielt werden soll. Früher, vermutlich vor seiner Präsidentschaft, sei Kunstrasen „wie Teppich auf Beton“ gewesen, aber heute seien diese schlimmen Zeiten vorbei, „die Qualität hat sich stark verbessert“.
Weltklasseprofis wie die deutsche Torfrau Nadine Angerer oder die Stürmerin Abby Wambach, sechsfache Fußballerin des Jahres in den USA, haben jedoch eine renommierte Anwaltskanzlei beauftragt, der Fifa unter Klagedrohung mitzuteilen, dass sie nicht vorhaben, auf Kunstrasen zu spielen. „Die besten Spielerinnen der Welt verdienen auch die besten Plätze“, heißt es, ergänzt durch den Hinweis, dass „kein WM-Finale der Frauen jemals auf etwas anderem als Gras“ ausgetragen wurde.
Die Anwälte argumentieren, hier zeige sich eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, und verweisen darauf, dass das kanadische Männerteam es 2014 erfolgreich abgelehnt hatte, WM-Qualifikationsspiele auf Kunstrasen zu absolvieren. Die Spielerinnen selbst argumentieren mit der Verletzungsgefahr, die ihnen auf künstlichem Untergrund drohe. „Der Platz in Vancouver beispielsweise ist eine Frechheit, das ist Beton“, sagt Nadine Angerer, die in den USA spielt.
Ob diese zwei Argumentationsmuster richtig sind, lässt sich mit guten Gründen bezweifeln. Warum sollte ein Verbot gegen das Gleichheitsprinzip der allgemeinen Menschenrechte nur bei Weltmeisterschaften vorliegen, nicht aber, wenn Profis in nationalen Ligen antreten? Und ist nicht die Kunstrasentechnologie mittlerweile wirklich ziemlich weit entwickelt, weshalb auch viele Spitzenmännerteams, die von den Anwälten als Beispiel angeführt werden, auf ihren Trainingsplätzen längst Kunstrasen liegen haben?
Der Fall ist nicht so eindeutig, wie es in der Darstellung von Anwälten und Spielerinnen erscheint. Aber wem danach ist, der kann und soll mit dem international renommierten Gleichstellungsbeauftragten und Rasentechnologieexperten Sepp Blatter über so etwas diskutieren.
Wem gehört der Fußball?
Denn worum es doch wohl vor allem geht, ist die Frage, wem denn der Fußball gehört. Konkret: Wo wird gespielt, wenn beinah alle, die spielen wollen und sollen, sagen, dass sie das auf Gras tun wollen? Die Enteignung der Spieler und, hier vor allem: der Spielerinnen von ihrem Sport ist so weit gediehen, dass sich die Fifa bei ihrer Suche nach neuen Märkten für ihr teures Produkt „Fifa World Cup“ alles erlauben kann: Kunstrasen in Kanada, 50 Grad Außentemperatur in Katar, Anstoßzeiten um 13 Uhr Ortszeit in Brasilien, damit die besten europäischen Sendetermine erreicht werden, und wie selbstverständlich haben Profis, denen immer noch vorgehalten wird, sie sollten sich gefälligst als Vorbilder für die Jugend aufführen, bei allen möglichen Werbeterminen anzutreten – grinsend, in Anzüge gequetscht und zu allem Überfluss noch von Sepp Blatter umarmt. Spielerinnen droht zusätzlich noch ein Küsschen plus kostenlos mitgelieferter anzüglicher Bemerkung.
Dass sich nun neben Angerer und Wambach noch 40 weitere Weltklassespielerinnen gegen die Zumutungen der Fifa wehren, ist nur unterstützenswert. Die haben so sehr recht, dass nicht mal die etwas überzogene Rhetorik stört.
Denn irgendwie geht es natürlich hier auch um Menschenrechte. Dass der Fußball denen gehört, die ihn betreiben und ihn zu einem großen Ereignis machen – den Spielern und den Fans –, das ist ja wirklich eine bedeutende Wahrheit. Und um die dem Sepp Blatter um die Ohren zu hauen, ist beinah jedes Mittel recht.
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