Kolumne Pflanzen essen: Knabbern an Einhörnern
Im US-Südstaat South Carolina sind Veganer*innen so rar wie seltene Fabeltiere. Wer dort zu Besuch ist, muss mit Fragen rechnen.
Z war fließt der vegane Lebensstil stetig weiter in den Mainstream ein, doch mancherorts stößt er an seine Grenzen – und noch immer auf Verwunderung. Zum Beispiel in South Carolina, einem Staat im Südosten der USA, der eher wenig alternativen Lebensentwürfen ausgesetzt ist – sein deutsches Äquivalent wäre am ehesten Niederdrunteruntenweiterrunterbayern.
Neulich war ich dort wieder mit meinem Mann auf Familienbesuch. Freunden der Verwandtschaft werde ich oft zuerst als „Das ist Ariane, sie ist Veganerin“ vorgestellt. Erst an zweiter Stelle folgt: „Sie ist die Ehefrau von unserem Cousin Clay.“ Dass ich keine Tierprodukte esse, macht mich in South Carolina zu einer Art Einhorn: Man hat vielleicht mal was darüber gelesen, aber noch nie im wahren Leben eins getroffen.
Dementsprechend skurril fallen einige der Fragen aus, die mir in South Carolina gestellt werden. Etwa: Vermisst du Fleisch denn nicht fürchterlich? Antwort: Nö. Inzwischen nicht mehr. Anfangs lief mir beim Gedanken an den Sonntagsbraten meines Vaters noch literweise Wasser im Mund zusammen. Inzwischen habe ich selbst jede Menge vegane „Comfort Food“-Rezepte entwickelt, und außerdem gibt es ja Fleischersatzprodukte, ich sage nur: Chickenless Chicken Nuggets, Impossible Burger und Fishless Filets. Love it!
Worauf die Frage folgt: Wenn du so gern Fakefleisch isst, warum isst du dann nicht gleich echtes Fleisch? Die South-Carolina-Logik ist schon der Knaller. Wenn's wie Tier schmeckt, kann man doch gleich Tier essen? Meine Gegenfrage: Warum sollte ich Tiere essen, wenn doch die pflanzlichen Alternativen genauso schmecken?
Lustig war auch Nachbar Bobs Interesse am veganen Paarungsverhalten. Ob ich, wäre ich Single, auch mit einem Fleischesser auf ein Date gehen würde? Mein Mann, mit dem ich seit 14 Jahren zusammen bin, lebt und isst zum Glück wie ich.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Aber gut: Wäre ich Single, würde es mich inzwischen wohl stören, wenn meine Verabredung beim romantischen Dinner ein Steak essen würde. Nicht aus Prinzip, schließlich habe ich liebe Freunde und Familie, die Fleischesser sind – aber was das Sinnliche angeht, schon. Der Geruch und Geschmack würde mich abturnen. Einen Raucher will ich auch nicht (mehr) küssen.
Bob fragt, was wäre, würde der Mann nur dann Fleisch essen, wenn ich nicht dabei bin? Gilt das Gleiche. Ein Mann, der pflanzlich isst, schmeckt und riecht einfach besser, nicht nur während der Nahrungsaufnahme. Ich knabbere halt lieber an Einhörnern als an Chicken Nuggets.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“