Kolumne Pflanzen essen: Feiern ohne Soße
Wenn zur Geburstagsfeier im veganen Restaurant eingeladen wird, ist die Sorge der Freunde groß: Was soll man da denn bitte bestellen?
W enn fleischessende Freunde mich zu ihrem Geburtstag ins Steakhaus bitten, beschwere ich mich nicht. Nudeln ohne Soße, schlappgekochten Brokkoli, Ofenkartoffel, „ohne Crème fraîche bitte“, esse ich, ohne die Miene zu verziehen. Ja, total lecker, danke der Nachfrage. Ach, wir sollen die Rechnung teilen? Klar, total fair. Mir gegenüber und der Kuh, die in 50-Dollar-Portionen verkauft wird.
Wenn ich jene Freunde an meinem Geburtstag ins Gracias Madre einlade, ein angesagter veganer Mexikaner in Los Angeles, entsetzen sie sich: „Was soll ich da denn bestellen?“ Die Sorge ist groß, vom Fleisch zu fallen, sollten sie Besagtes mal nicht essen.
Generell ist es in Los Angeles leicht, sich pflanzlich zu ernähren, Steakhäuser ausgenommen. Viele Restaurants bieten inzwischen vegetarische und vegane Optionen an. Die hippe Wurstküche in Downtown hat drei fleischfreie Würste im Angebot. Im Beverly Hills Hotel gibt es sogar eine gesonderte vegane Speisekarte, „Käse“-Kuchen inklusive. Auch auf Hollywood-Partys ist es inzwischen schick, pflanzliche Gerichte zu servieren: Starkoch Wolfgang Puck kredenzte neulich während der Oscar-Afterparty etliche vegane Gerichte.
Und im Steakhaus? Obwohl das ethische Argument genügen sollte, gehe ich dort trotzdem gern auf Nummer sicher: „Aber Sie haken noch mal nach, dass ganz bestimmt keine Rinderbouillon im Gemüse ist?“, frage ich den Kellner und flunkere: „Ich bin nämlich Allergikerin, bekomme sonst Atemnot.“ Worauf der entsetzt in die Küche rennt. Eine mögliche Klage kann sich selbst ein überteuertes Steakhaus nicht leisten.
Die Rechnung für mein Geburtstagsessen im Gracias Madre zahle übrigens ich. Auch wenn meine Freunde drei Mal so viel wie ich vertilgt haben. Muss wirklich schlimm geschmeckt haben, oder?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen