Kolumne Ökosex: Tortilla teuer - Klima kaputt
Warum Biotreibstoffe jetzt erst recht Spaß machen und meine Initiative "pro Salatöl Autofahren" wie geschmiert läuft.
Martin Unfried (41) arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.
Biotreibstoffe haben ein Imageproblem. Irgendwie knüppelt plötzlich jeder auf sie ein: In einer Reihe mit Atomwaffen, Heizpilzen und Taliban, scheinen Biotreibstoffe seit kurzem zu den eher unappetitlichen Übeln der Menschheit zu gehören. Heute weiß ein jeder: Sie sind verantwortlich für so manche Regenwaldschneise in Brasilien wegen Zuckerrohr, hohe Tortillapreise in Mexiko wegen des amerikanischen Ethanol-Imperialismus, und überhaupt ist ihre CO2-Bilanz katastrophal schlecht.
Sie sind die wahren Klimakiller. Möchte eine Redaktion einen unglaublichen Subventionstatbestand, eine weitere Lebenslüge der Gesellschaft, eine absurde Idiotie aufdecken, dann greift sie in diesen Tagen gerne mal zu: Biotreibstoffen. Und zur EU: Die hat sogar ein fragwürdiges zehnprozentiges Ziel verkündet beim Sprit, das in Deutschland mit erhöhten Beimischungen bald angegangen wird. Das finden viele blöd: insbesondere der ADAC, die Umweltverbände und die gesamte Mineralölindustrie.
Diese ungewöhnliche Dreierbande zeigt bereits, dass es sich um einen komplexen Sachverhalt handelt, bei dem leider ab und zu die Zwischentöne verloren gehen. Zwischentöne machen aber auch beim Biotreibstoff die Musik. Natürlich finde ich die kritische Presse in Sachen Biotreibstoffe prima. Das schärft das kritische Denken ungemein. Insbesondere bei mir. Ich liebe nämlich Biotreibstoffe. Ich bin ein Fan von Biotreibstoffen und werbe für sie, was derzeit natürlich sehr schmerzhaft sein kann. Doch eigene Positionen in Frage zu stellen, ist die Pflicht des solaren Effizienzrevolutionärs. Bleiben denn die Biotreibstoffe ein wichtiger Baustein der solaren Effizienzrevolution?
Nach kritischer Analyse meint Ökosex: ja, gut, kommt drauf an. Meine eigenen Biotreibstoffe ganz bestimmt, auf die lass ich nix kommen. Die machen mir nach wie vor eine große Freude. Ich betanke ja seit Jahren das Ökosexmobil mit reinem Pflanzenöl. Das ist leckeres Salatöl im TDI. Warum halte ich das trotz Mediengewitter nach wie vor für sinnvoll? Wegen der Kapitalakkumulation, der monopolisierten Produktionsketten, der Ablehnung der Geschäftsinteressen von fragwürdigen multinationalen Konzernen. Einfacher gesagt: weil ich nicht zu Shell und BP möchte, sondern zu meinem ganz persönlichen Landwirt nach Neunheim.
Ach, wären Sie doch gestern Abend dabei gewesen. Als mir der Duft von frisch gepresstem Raps in die Nase gestiegen ist. Auf dem Hof durfte ich mal wieder bei "meinem" Bauern auf der Ostalb angucken, wie er "meinen" Kraftstoff macht. Der Bauer heißt August und er hat in seiner Werkstatt zwei Rapsölpressen laufen. Eigentlich riecht man mehr als man sieht. Vom Raps wird die schwarze Saat kalt gepresst und über eine Schnecke verteilt. Und dann tropft auf der einen Seite das Rapsöl runter und auf der anderen Seite wird der Presskuchen weggeschoben. Das Öl kommt dann in einen Behälter, wo sich drei Wochen lang die Schwebstoffe absetzen. Dann wird es nochmals gefiltert, um die Kraftstoffqualität zu sichern. Und dann ab in den Tank vom Ökosexmobil. Und Ehrenwort: der Raps kommt entweder von meinem Bauern selbst, oder er kauft ihn von Landwirten aus der Region. Für die Art Biotreibstoffe werbe ich auch seit einiger Zeit regional mit meiner Initiative www.Ostalb-Oel.de. Wir haben die ganz Infrastruktur von der Öllieferung bis zur Autowerkstatt für die Motorumrüstung auf die Reihe gekriegt.
Und jetzt kommt der Witz: Die Initiative wird jetzt wahrscheinlich abgehen, zum einen wegen der schlechten Presse für Biotreibstoffe, die insbesondere die Ökos völlig verunsichert hat. Und dann sind seit 2008 nun zehn Cent Mineralölsteuer auf dem reinen Rapsöl. Da der Pflanzenölpreis sowieso gestiegen ist, wird unser Biotreibstoff bald teurer als Diesel sein. Super! Also genügend gute Argumente, um die Leute für eine Autoumrüstung zu begeistern, die 3000 Euro kostet. Aber das ist Ökosex. Wir kennen keine Probleme, sondern nur Herausforderungen. "Mein Scheich heißt August!" Was mach ich denn jetzt mit den vielen, tollen Autoaufklebern?
Fragen zu Biosprit? kolumne@taz.de Morgen: Jörn Kabisch Das Gericht
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