piwik no script img

Kolumne ÖkosexFietsen - ein familiäres Kulturgut

Kommentar von Martin Unfried

Wie sehen eigentlich die Solarbeziehungen zwischen Holland und Deutschland aus - haben die Ökosex?

E coseks - das heißt Ökosex auf Niederländisch. Versuchen Sie doch mal Seks mit ks. Sollten wir unbedingt rechtschreibreformen. Sieht einfach besser aus. Auch viel besser in meiner Wahlheimat ist der Schlüsselbegriff der solaren Effizienzrevolution: Fietsen. Heißt bekanntlich Fahrräder. Ich war diese Woche in Amsterdam. Da gehen einem die Augen über. Was da an der Herengracht so rumsteht: Bakfiets.nl, fabriekfiets.nl, familietandem.nl. Das sind die Giganten der Transporträder. Meistens mit so tollen Holzkisten (Bak genannt) vorne dran.

Der Deutsche hat ja gern ein Mountainbike, mit dem er nicht mal einen Kasten Bier mitnehmen kann. Da steht es eins zu null für uns. Ich selbst fietse seit Jahren mit einem Familientandem der Firma "Onderwater" durch Maastricht. Da kann ich bei Bedarf drei Kinder mitnehmen. Passanten stehen da und staunen. Der Prestigewert eines roten "Onderwater" ist nämlich weit höher als der eines gelben Ferraris. Überhaupt: warum ist Fietsen bei uns hier Kulturgut?

Bild: privat

Martin Unfried (41) arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.

Das liegt vor allem an der schöneren Sprache. Wer möchte schon Faahrraaadfaaahren? Aber Fietsen ist Emotion. Mein Vorschlag: Bitte tragen Sie dazu bei, dass das Wort "Fietsen" in die deutsche Sprache eingeht. Sagen sie einfach: "Baby, willst du mit mir mir ne Runde fietsen?" Das ist Ekoseks. Darum ist das Niederländische auch meine Lieblingssprache. Vielleicht weil es meinem Mutterdialekt, dem Schwäbischen, ähnelt. Beide Sprachen werden als Witznummer abgetan. Das ist provinziell. Sie sind in Wahrheit Werkzeuge der solaren Poesie.

Warmtekrachtkoppeling. Heißt Kraft-Wärme-Kopplung auf Niederländisch, was ich mit schwäbischem Akzent ausspreche, das ergibt eine tolle Mischung. Bei der Warmtekrachtkoppeling spielen die Niederländer Champions League. Die Deutschen Kreisliga. 2:0. Käse heißt übrigens Kaas im Niederländischen und Sonne Zon. Womit wir beim Thema wären.

Warum hab ich eigentlich keine Photovoltaik auf dem Dach hier in Maastricht? Nicht weil die Zon nicht scheint. Sondern weil die Politik Kaas ist. Die Erneuerbaren kommen nicht richtig voran, sind sogar im Jahr 2007 zurückgegangen auf 6 Prozent beim Strom. Deutschland zieht da mit 14 Prozent locker vorbei. 2:1. So stehen in Nordrhein-Westfalen bedeutend mehr Windmühlen als im Windland NL. Jaqueline Cramer, die sozialdemokratische Umweltministerin, hat erst diese Woche wieder die Kohle als Option begrüßt. Natürlich mit CO2-weg-Zauberei. Cramer reagierte auf die Kernenergie-Überlegungen der Christdemokraten in der großen Koalition. Das klingt doch für deutsche Ohren irgendwie vertraut. Das Problem: es gibt weit und breit in der niederländischen Politik keinen Hermann Scheer, Vorsitzender des Weltrats für erneuerbare Energien, der den Umstieg auf die Erneuerbaren jenseits der Logik der großen Energiekonzerne denkt. Shell kriegt dicke Subventionen und baut einen Off-Shore-Windpark (2:2). Seit Jahren hat die Regierung keine verlässliche Einspeisevergütung auf die Reihe gekriegt. Wer beispielsweise ins Sonnenstrom-Geschäft einsteigen wollte, wusste nicht mal genau, wie die Kilowattstunde vergütet wurde. Also gibt es keine Solaranlagen (2:3).

Ab dem 1. April gilt wieder mal eine neue Regelung. Ein Aprilscherz. Der produzierte Strom wird 15 Jahre mit dem selbst verbrauchten Haushaltsstrom verrechnet. Also mit rund 20 Cent vergütet. Und dann kommen noch 33 Cent vom Staat für die Kilowattstunde obendrauf. Ich stell mal einen komplizierten Antrag, obwohl es blöder kaum geht. Geld ist im Topf für ungefähr 5.000 bis 10.000 Anträge. Der Topf ist bestimmt am 2. April leer, viele enttäuscht, die Photovoltaik eine Lachnummer. Die Regierung sagt, man wolle damit technologisches Know-how aufbauen. Hoh, hoh. Mit kleinen PV-Anlagen, wie sie in Deutschland zu hunderttausenden stehen. Dabei träumen in Maastricht unsere regionalen Politiker vom Solarvalley in der Nähe der deutschen Grenze. Da baut Solland Solar heute schon Module. Für den deutschen Markt. Hiep, Duitsland, hiep.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!