Kolumne Ökosex: Unterwegs mit Sigmar und Annette
Wie Ökosex mit Humor die Herzen der Bundesminister für die Kampagne "Kein Auto über 120" gewinnt.
Martin Unfried (41) arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.
Ohne Humor wäre die solare Effizienzrevolution nur halb so schön. Was haben wir gelacht beim Durcharbeiten der neu recherchierten Liste der Umwelthilfe zu den Dienstwagen der Bundes- und Landesregierungen (www.duh.de). Boah: 225, 224, 249 g/km CO2! Die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz hat demnach dazu geführt, dass so mancher Minister im Stadtverkehr statt 13,5 nur noch 13 Liter Sprit verbraucht. Dieter Althaus, Ministerpräsident in Thüringen, bringt es im BMW immer noch auf 271 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Sehr witzig. Da bleibt einem das Lachen im Halse stecken.
Angela Merkel und Ökosex haben im November noch davor gewarnt, dass wir durch Nichtstun beim Klimaschutz fünf bis 20 Prozent unseres Wohlstandes verlieren werden. Wollen die in Thüringen und Berlin unsere Steuergelder aus dem fahrenden Autofenster werfen? Ökosex appelliert darum im Auftrag der Kanzlerin: "Kein Auto über 120, sonst wird das Klima ranzig." Reflexartig erwidern die Minister beleidigt: "Aber ich brauche doch ein 250km/h schnelles, rollendes Büro mit 300 PS, damit ich dem Volk ergeben dienen kann." Falsch, sagt die Kanzlerin: "Der Klimawandel ist ein globales Problem, das lokal nicht zu lösen ist. Aber wir müssen irgendwo anfangen, um anderen die Lösungspfade zu zeigen."
So ist es, und alternative Bio-Limos stehen schon bereit. Wenn ein Toyota Prius (105g/km CO2) hinten zu klein ist für politische Riesen, dann würde Ökosex erst mal zur Entwöhnung auch so etwas wie einen Passat Blue Motion mit 136 g/km CO2 durchwinken oder einen BMW 520d (136g/km). Wir schlagen der Kanzlerin auch als Incentive vor, dass die Minister als Dankeschön an der Tankstelle das gesparte Geld behalten dürfen. Leute, das könnte heutzutage pro Tank bis zu 50 Euro sein. In die eigene Tasche!
Geld ist aber nicht alles. Den verehrten Regierungsmitgliedern fehlt leider auch die wichtige emotionale Klimaintelligenz. Bestes Beispiel: Regierungssprecher Thomas Steg. Er wies darauf hin, dass Minister ihre Amtsgeschäfte nicht "mit Rikscha oder Sänfte" ausüben könnten, sondern müssten mit den Autos auch was repräsentieren. Gutes Stichwort. Was repräsentiert im Moment der Audi A8, 4.2 TDI von Verkehrsminister Tiefensee mit 326 PS und 250km/h Spitze? Die Spritschleuder repräsentiert treffend die kulturelle und emotionale Vollblockade. Die Minister hegen und pflegen den dreisten Mythos der Ausredengesellschaft, wir müssten noch auf klimaschonende Autos warten. Sie bekräftigen in ihrer Unbedarftheit den kollektiven Elitenwahn: "Ich bin wichtig, also brumme ich mit 250 PS." Humor kann hier helfen, emotionale Verspannungen zu lösen. Darum möchte Ökosex eine Witzewelle "Minister in der Limousine" lostreten. Extra entwickelt im Ökosex Comedylabor im Rahmen der Kampagne "Kein Auto über".
Hier kommt der erste: Sitzt also Sigmar Gabriel in seiner bescheidenen Dienstlimousine (222 g/km CO2) und sagt zu seinem Fahrer: "Wir müssen unbedingt die Fahrzeugflotte der Bundesregierung noch stärker ökologisieren. Da ist das Drei-Liter-Auto wirklich eine tolle, revolutionäre Sache für den Klimaschutz." Fragt sein Fahrer ungläubig: "Herr Minister, Sie meinen doch nicht etwa runter auf drei Liter Verbrauch?" Gabriel klopft ihm jovial auf die Schulter und sagt: "Hubraum, Schmidt! Drei Liter Hubraum!" Hahahaha. An dem Witz wird natürlich auch noch gearbeitet. Wichtig bei Comedy ist ja, dass man dann gleich die nächste Pointe abschießen kann.
Zum Beispiel: Sitzt der Bundesverkehrsminister Tiefensee in seiner Dienstlimo und sagt zu seinem Fahrer: "Privat bin ich ja auch für ein Tempolimit in Deutschland." Fragt sein Fahrer erstaunt: "Auf der Autobahn, Herr Minister?" Klopft ihm Tiefensee auf die Schulter: "Auf dem Fahrradweg, Pocher, auf dem Fahrradweg!" Hahahaha.
Ich hab noch einen: Sitzt Frau Bundesministerin Schavan in ihrem Mercedes S450 (272 g CO2/km) und sagt zu ihrem Fahrer: "Unser Ziel muss sein, dass das umweltfreundlichste Auto der Welt in Deutschland gebaut wird." Fragt ihr Fahrer ungläubig: "Und wer soll sich da reinquetschen, Frau Ministerin?" Klopft ihm Schavan auf die Schulter: "Der Chinese, Schmidt, der kleine Chinese!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen