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Kolumne Nullen und EinsenDas Gegenteil von Foodporn

Es ist nicht alles verstreuselter Amaranth und Sepia in der Essensfotografie. Warum hässliche Gerichte jedoch bald verschwinden werden.

Foodporn. Da liegt fast mehr Essen auf dem Tisch als auf dem Teller Foto: Imago/Westend61

E iterfarbene Klumpen. Eine schnelle Amateuraufnahme, von so kurzer Entfernung fotografiert, dass der Glibber das Blitzlicht spiegelt. Dreieinhalb Sterne hat das Bild von der Community erhalten und ist damit das am Besten bewertete in der Reihe. Wir surfen auf chefkoch.de. Mhh, lecker Aioli.

Chefkoch.de ist das Gegenteil von Foodporn. Mit 300.000 Rezepten und einer aktiven Community ist sie die nach eigenen Angaben größte Kochseite Europas und gehört dem Verlagshaus Gruner+Jahr. Aber selbst in der unverfänglichen Kategorie Aufstriche sehen die Pasten auf vielen Bilder ein bisschen wie Kotze aus.

In den Hauptspeisesparten vermitteln braunrot glänzende Fleischteller eine morbide Ästhetik. Die schlechten Aufnahmen sind so auffällig, dass sich 2014 der mit reichlich Berichterstattung versehene Blog „Amateurkochfotos“ gründete, der die schlimmsten Bilder sammelt und dokumentiert. Warum scheinen uns die laienhaft geschossenen Fotos so sehr aus der Zeit gefallen?

Jetzt könnte man sagen, dass wir heute in einer Welt leben, in der die Selbstdarstellung es bis auf den Küchentisch geschafft hat. In der rosa und sepia getönten Instagram-Welt werden nicht nur Reisen und Social Events, sondern selbst das Frühstück inszeniert. Nüsse, frische Trauben und Amaranth werden fürs Foto auf den Holztisch neben die Müslischüssel gestreut. Das sei oberflächliche Selbst­inszenierung und obendrein auch noch Essensverschwendung. Könnte man so sagen, wäre aber wirklich spießig und so auch nicht richtig.

Der eigentliche Unterschied zwischen den beiden Plattformen ist doch, dass die Gerichte auf Chefkoch.de zum Essen gedacht sind und die Gerichte auf Instagram zur Vermarktung. Influencer verdienen mit den Fotos ihr Geld, Foodblogger mit den dazu publizierten Kochbüchern. Nicht wenige kommerzielle Instagram-Accounts werden von Werbeagenturen oder Social-Media-Managern betreut. Der Look der Fotos ist ähnlich: perfekt ausgeleuchtet, oft parallel zur Tischplatte von oben fotografiert. Immer gleich, immer gleich langweilig.

Schauen wir schnell noch in die Zukunft: Bisher können Foto-Apps den Porträtierten lustige Ohren aufsetzen, nachträglich den Mund zu einem Lächeln verbiegen oder Alter und Geschlecht ändern. Es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis es Ähnliches für den Teller gib. Dann werden frische Kräuter in die Fotos reinmontiert und zu viel Soße abgeschöpft. Dann gibt es Foodporn für alle. Aber alles wird noch gleicher, noch langweiliger.

Auf Chefkoch.de herrscht dagegen noch Vielfalt – nicht an Rezepten, aber an dem, was man beim Fotografieren alles falsch machen kann. Mal ist das Essen unscharf, über- oder unterbelichtet. Trotzdem sind auch hier die Fotos in ihrer Ästhetik geeint. Das immer etwas zu dunkle und orange Licht der Küchenenergiesparleuchte und der zu helle Blitz der Kompaktkamera verwandeln etwas, was auf einem Teller vielleicht durchaus essbar aussieht auf dem Bildschirm in grünbraungraue Pampe mit Bröckchen. Auch ein Kunststück.

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Svenja Bednarczyk
Entwicklungsredakteurin
im Produktentwicklungsteam der taz im Netz. taz seit 2012.
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