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Kolumne Nach GeburtNett, aber nicht gerecht

Mehr Kindergeld, kein Soli mehr. Das ist nett von der Großen Koalition und hilft vielen Familien. Aber nicht denen, die es am nötigsten haben.

Im Koalitionsvertrag heißt es: „Familien und Kinder im Mittelpunkt“. Halt nicht alle Familien und Kinder Foto: ap

B ei all dem Gezanke über die Große Koalition, bei dem Führungschaos der Sozialdemokraten, bei dem Ist-doch-scheiße-dass-alles-so-bleibt-wie-es-ist, bei all dem fällt es schwer, sich mal zu bedanken. Also: Danke, Groko.

Denn wenn es zu einer Neuauflage kommt, werden so Durchschnittstypen wie ich mit Durchschnittseinkommen und Durchschnittskindern vermutlich ab 2019 zehn und ab 2021 noch einmal 15 Euro mehr Kindergeld pro Kind bekommen. Außerdem werde ich wohl zu jenen 90 Prozent gehören, die ab 2021 keinen oder wenig Soli zahlen. So wie ich auch schon von der kostenlosen Kitabetreuung in Berlin und vom Elterngeld profitiert habe.

Nur: Ich finde das nicht gerecht. Denn wen entlastet die kostenlose Betreuung am meisten? Besserverdiener (also Leute, die nicht bei der taz arbeiten). Jene, die vorher aufgrund ihres hohen Einkommens 400 Euro für die Betreuung bezahlen mussten. Wer vor der Einführung der kostenlosen Kita nichts hatte, war auch damals schon von den Kosten befreit.

Wer hat denn was davon, wenn der Soli wegfällt? Wer profitiert denn vom Elterngeld? Vom Kindergeld? All jene, die Jobs haben, mit denen sie genug Geld verdienen. Doch wer Kinder hat und Hartz IV bezieht, der hat von alldem quasi nichts. Denn Kindergeld wird auf das Arbeitslosengeld II angerechnet. Wer nichts hat, kriegt auch nichts zusätzlich. Das wird sich auch mit der neuerlichen Groko nicht ändern. Zumindest nicht entscheidend.

Fangt an, Kinderarmut zu bekämpfen!

„Wir wollen, dass Kinder unabhängig vom Elternhaus die gleichen Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe erhalten und ihre Fähigkeiten entwickeln können“, steht im Koalitionsvertrag. Tja. Dann fangt mal an. Zieht das Kindergeld nicht mehr von Hartz IV ab. Entlastet all die Aufstocker.

Es wird zwar kaum wahrgenommen, aber Kinderarmut ist ein reales Problem in Deutschland. Knapp 21 Prozent aller Kinder hierzulande leben laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung vom Oktober letzten Jahres „dauerhaft oder wiederkehrend in Armut“. Fragen Sie mal einen Berliner Lehrer oder eine Lehrerin, wie viele Anträge auf Zuschüsse die ausfüllen müssen, bevor es auf Klassenfahrt gehen kann.

Welche Angst steckt dahinter, denen, die fast nichts haben, bloß nicht mehr Geld für ihre Kinder in die Hände zu drücken? Dass die sich dann so vermehren wie die Katholiken in Monty Pythons „Der Sinn des Lebens“, um Kindergeld abzustauben? Tja, liebe zukünftige Bundesregierung, die Angst kann ich Dir nehmen: Erstens ist das Problem dieses Landes wahrlich nicht, dass zu viele Kinder geboren werden. Und zweitens könntest Du ja gemeinsam mit den Ländern so viel Geld in Schulen, in Kindergärten, SozialarbeiterInnen und so weiter investieren, dass alle Kinder tatsächlich gut gefördert und ganz klug werden, tolle Berufe ergreifen (Zahnarzt, Astronaut) und die Kinder dieser Kinder dann nicht mehr auf Transferleistungen angewiesen sind. Nur ein Vorschlag.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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2 Kommentare

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  • Es müssen aber auch nicht mehr Menschen werden. Es gibt weltweit wahrlich genug.

    Wenn die Besserverdienenden sich nicht in ihre Wohlstandsquartiere zurückziehen würden, wäre allen geholfen. Kinderarmut ist vor allem Erfahrungsarmut (Wandern, Museum, Musik) und lässt sich durch Geld nicht ändern.

  • Gaaanz schlechter Vorschlag. Denn nur wenn die unten bleiben, sind die Gutbürgerkinder sicher vor dieser Konkurrenz. Und wer soll dann die Billiglöhner stellen, die für die Dividenden doch so wichtig sind?