Kolumne Mithulogie: Ein Witz zur Einbürgerung, ok
Das neue Staatsangehörigkeitsrecht verlangt die „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“. Nur was ist Deutsch?
S eit Donnerstag höre ich immer wieder, dass ich mich anstelle. Mit der Formulierung „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ im neuen Staatsbürgerschaftsrecht sei doch nur die Mehrehe gemeint. Und ich als Feministin müsse schließlich dagegen sein, dass Männer viele Frauen heiraten.
Dabei sehe ich es gar nicht als Aufgabe des Feminismus oder des Staates, zu überprüfen, wer mit wem im Bett liegt. Das war mal so, als meine Eltern heirateten. Da gab es den sogenannten Kuppelei-Paragrafen, nach dem man keine Wohnung an unverheiratete Paare vermieten durfte. Doch da das nicht mit den deutschen Lebensverhältnissen vereinbar war, wurde er 1973 abgeschafft.
Nun ist es natürlich richtig, sich Gedanken zu machen, wie wir mit dem sehr seltenen Problem umgehen, dass Menschen Staatsbürger werden wollen, die in einem anderen Land mehr als eine Person geheiratet haben. Sehr selten, weil es genau einen Fall gab. Brauchen wir dafür wirklich eine Gesetzesänderung?
Offensichtlich ja. Denn der Staat hat Angst vor seinen Bürgern, zumindest vor bestimmten. Hauptsächlich geht es bei dem Gesetzentwurf nämlich darum, Menschen mit Doppelpass, die sich einer Terrormiliz anschließen, ausbürgern zu können. Sozusagen ein Anti-IS-Paragraf. Bloß ist das auf ganz vielen Ebenen schwierig: Was ist eine Terrormiliz und was eine Freiheitsbewegung? (Spoiler: Auch die Kurd*innen, die gegen den IS kämpfen, fallen darunter.) Aber vor allem, was ist mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung? Wird Leuten wie Stephan Ernst, der den Politiker Walter Lübcke erschossen hat und Mitglied der Kasseler Neonazi-Szene ist, jetzt auch der Pass entzogen?
Was sollen „deutsche Lebensverhältnisse“ sein?
Natürlich nicht, weil die Strafe für ein Verbrechen Gefängnis ist und nicht Ausbürgerung. Was kommt denn sonst noch? Die AfD hat bereits gefordert, auch andere kriminelle „Ausländer“ rauszuschmeißen. Und hier wird deutlich, worum es bei dem Gesetz geht. Klarzumachen, wer „echt“ deutsch ist und wer „beweisen“ muss, dass er sich angemessen anpasst.
Nur an was? Was sollen „deutsche Lebensverhältnisse“ sein? Die Engländer sind vor ein paar Jahren glorreich gescheitert, als sie britische Werte definieren wollten – im Gegensatz zu universellen Werten wie Demokratie oder Redefreiheit – sie kamen auf nicht viel mehr als die Neigung, sich in Pubs zu betrinken und selbstabwertende Witze zu machen. Auf einen Witz zur Einbürgerung könnte ich mich noch einigen.
Aber ist es wirklich wünschenswert, dass Leute sich integrieren, also sich in etwas einpassen? Sollten wir uns nicht besser gegenseitig bereichern? Denn die Gesetzesänderung mit ihren ganzen weiteren Passus wird ja nicht dazu führen, dass wir uns morgen alle in Luft auflösen. Wir werden noch immer hier geboren und leben und lieben und arbeiten. Aber wir werden uns weniger zugehörig fühlen.
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