Kolumne Mithulogie: Das Piss-Manifest
Ein Aufruf an alle Lad*ys und Cis-Genderas, an Femmes, Butches und Bitches: Verbessern wir die Welt! Und tun wir es in weiter Flur!
A nfang des Jahres sorgte ein Artikel, den ich für die taz geschrieben hatte, für einen Shitstorm (oder, wie ich solche sozialen Wetterphänomene lieber bezeichne, für einen Sturm im www-dot-Glas).
Ich kommentierte die ganze Sache irgendwann im WDR sinngemäß: Wenn die ganzen Scheißer* und Stürmer*innen ernsthaft befürchten, dass ein kleiner Artikel von mir die Welt verändern könnte, möchte ich eine regelmäßige Kolumne in der taz. Dieser Text ist also der Beweis, dass Magie funktioniert.
Beginnen wir die Verbesserung der Welt mit der Blase. Nicht der Filterblase, die uns alle darin bestärkt, dass unsere Ansichten richtig und wichtig sind. Sondern mit der Blase, die uns darin bestärkt, nach der nächsten Toilette Ausschau zu halten. Schließlich ist dies gleichzeitig der Beginn des Frühlings mit seinen kühlen grünen Wiesen und es ist kein Zufall, dass ein Synonym für Erleichterung „Ruf der Natur“ ist.
Unser Raum
Nur ist diese Handlung, die wir alle vornehmen müssen, wenn wir nicht an einer Wasservergiftung (ja, so etwas gibt es) sterben wollen, überraschend gegendert – erst recht im öffentlichen Raum.
Deshalb ist dies ein Aufruf an alle Lad*ys und Cis-Genderas, an Femmes, Butches und Bitches: Tut es in weiter Flur!
Flur im Sinne von Feld und Flur. Natürlich ist nicht gemeint, dass wir uns ab jetzt in jeden Hauseingang hocken sollen. Zwar habe ich das Bouquet bereits mit dem Vokabular von Whisky-Expert*innen beschrieben gehört, die der Geruch an das volle Aroma von in Barriquefässern gereiften Tropfen erinnerte, doch sollte man Urin ebenso wenig wie uisca beatha auf gefliesten oder gepflasterten Boden vergießen. Wofür gibt es Büsche und Bäume? In diesem Sinne:
1. Draußen zu pinkeln ist gut für die Umwelt. Im südafrikanischen Durban wird Urin bereits in öffentlichen Toiletten getrennt aufgefangen und wegen seines hohen Gehalts an Stickstoff, Phosphor und Kalium als Dünger verwendet. Wo*men, verweigert der Vegetation nicht euren Fertiliser!
2. Draußen zu pinkeln ist gut für die Gesundheit. Einhalten erhöht nicht nur die Gefahr von Harn- und Blaseninfektionen, sondern auch von Nierensteinen.
3. Draußen zu pinkeln ist leichter für Menschen mit Mösen – und zwar bis ins hohe Alter, da wir zwar auch eine Prostata haben, diese aber auch vergrößert nicht auf unsere Harnröhre drückt.
4. Draußen zu pinkeln nannte meine Freundin Vera „Pipi mit Aussicht“. Die Aussicht war in der Regel sie. Und das ist noch ein Vorteil für Menschen mit Mösen, dass Exhibitionismus nur bei Männern strafbar ist.
Doch first and foremost:
5. Draußen zu pinkeln verlängert die Zeit, die Menschen, die sich als Frauen identifizieren, im öffentlichen Raum verbringen können. Schon einmal mit einer Freundin im Park gewesen und umkehren müssen, weil sie musste? Quod erat demonstrandum.
Der Park gehört uns! Zumindest auch!
Piss-Tazien, Go Girls, selbst gefaltete Papiertrichter und Pur-Pinkler*innen aller Völker, vereinigt euch!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch