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Kolumne Melodien aus Malmö #4Missliche Werbekampagne

Jan Feddersen
Kolumne
von Jan Feddersen

Plakate zum Eurovision Song Contest sollen europäische Zusammengehörigkeit demonstrieren. Bezeichnend ist, wer nicht darauf abgebildet wird.

So sieht der „Fjäril“ auf den Plakaten aus Bild: Jan Feddersen

D ie Innenstadt von Malmö ist mit diesen Plakaten tapeziert: Männliche und weibliche Antlitze, die um die Augen herum Masken gesprayt bekommen haben, lächeln und damit eines der 39 teilnehmenden Länder am Eurovision Song Contest symbolisieren. Sie schmunzeln alle unter dem diesjährigen Motto des ESC: “We Are One”. Man braucht nicht überreichliche Englischkenntnisse, um die Message zu verstehen.

Wir im eurovisionären Europa sind eins, vereint, eine Familie – und in diesen Tagen treffe man sich in Malmö, um dieses Familientreffen zu symbolisieren. Marketingexperten nennen das Corporate Identity, zumal das Signet einen in pastosen Farben gezeichneten Schmetterling zeigt. Ein “fjäril” (schwedisch für die zart-flattrigen Wesen) stehe für das Kleine, Zufällige, aus dem Großes hervorgehe. Damit wird behauptet, dass der ESC einst als TV-Schaltprojekt begann – und inzwischen zum größten TV-Entertainment-Ereignis des Jahres in Europa herangewachsen ist.

Allein: Die Gesichter der Kampagne, die in Malmö selbst die eigene Einwohnerschaft gewogen und gastfreundlich stimmen soll, irritieren. Nicht im Einzelnen, aber in Gesamtschau. Irgendwas stimmt, zumal nicht dann, wenn man einige Stunden ohne eurovisionären Zweck durch die Stadt flanierte. Und dann sieht man: Es sind nicht alle Hautfarben in der Riege der 39 Personen repräsentiert.

Bild: taz
Jan Feddersen

Jahrgang 1957, Autor und Redakteur der taz, schreibt über den Eurovision Song Contest seit vielen Jahren. Er hat Bücher zum Thema geschrieben, seit 2005 und auch momentan bloggt er auch unter eurovision.de, der ESC-Plattform des in der Bundesrepublik federführenden Senders NDR/ARD, zum Event. Die politischen Begleit- wie Kehrseiten des ESC sind Thema dieser taz-Kolumne.

Man sieht asiatisch aussehende Gesichter, auch solche, die man aus Lateinamerika kommend vermutet, Blonde und Brünette – was aber fehlt, sind genau jene Frauen und Männer, die in Malmö zum gewöhnlichen Blickfutter zu zählen sind. Nämlich: arabisch aussehende Menschen, vor allem sind keine schwarzen und braunhäutigen Männer oder Frauen vertreten.

Freundlich gemeinte Propagandashow

Und damit, das muss man sagen, ist diese Kampagne nicht nur in Malmöer Hinsicht eine, die vieles blind lässt an den modernen Realitäten einer multikulturellen Stadt. Sie ist also: eine Lüge.

Die Kampagne, die marketingstrategisch darauf angelegt war, Gewogenheit und Identifikation zu stiften, stammt von der in Stockholm ansässigen Agentur Forsmann & Bodenfors (Happy FB). Dem Vernehmen nach soll das schwedische Fernsehen SVT die freundlich gemeinte Propagandashow abgenickt haben – aber nähere Auskünfte erhält man nicht, sowohl SVT als auch Happy FB, wie die Agentur gekürzelt wird, wollen den Vorgang nicht kommentieren. Es heißt aber, beide Seiten befänden sich in der Anfangsphase eines Rechtsstreit, bei dem es auch die angeblich nicht ausreichende Präsentation der Sponsorenlogos geht.

Aber wie dem auch sei: So ein Debakel an Selbstpromotion hat es im ESC-Kontext nie gegeben. Nach dem ESC 2001 begann die European Broadcasting Union (EBU) in Grand-Saconnex bei Genf, das eigene TV-Format zu vermarkten. Seither wird offensiv um Sponsoren und Drittmittel geworben. 2002 gab es erste Motto, “Modern Fairytale”. Die nächsten hießen: “Magical Rendez-Vous" (Riga), “Under the Same Sky” (Istanbul), “Awakening” (Kiew), “Feel The Rhythm” (Athen), “True Phantasy” (Helsinki), “Confluence of Sound” (Belgrad), “Fire Bird” (Moskau), “Share The Moment” (Oslo), “Feel Your Heart Beat” (Düsseldorf), “Light Your Fire” (Baku) und eben dieses Jahr “We Are One”.

Man erkennt mit etwas gutem Willen, dass hinter allen Generalüberschriften der Versuch hervorscheint, eine Mixtur aus Gemeinsamkeit und Diversität, aus Selbstbehauptung und Zukunftswunsch – eine promotionelle Standortbeschreibung dessen, was Zeitgeist ist oder sein könnte. Der europäische Fußballdachverband Uefa zeigte, wie es runder, besser, gelungener geht.

Die EBU möchte im Übrigen den Vorgang ebenfalls nicht kommentieren. Als übergeordnete Instanz wolle sie sich in die Dinge der schwedischen TV- und Kommunalorganisatoren nicht einmischen. Die Frage lautete: Verfehlt die Selbstdarstellungsreklame nicht die gesellschaftlichen Wirklichkeiten von allen ESC-Ländern?

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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11 Kommentare

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  • BO
    Bir Osmanli

    Ganz Einfach:das ist ein Europäischer Wettbewerb

  • S
    super

    Gibt es eigentlich auch Bilder mit Weissen-Blonden-Blauäugigen?

    Und was ist mit Transgendern, Alten Menschen oder solchen mit Down-Syndrom?

    Kann man jetzt unendlich weitermachen.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Fragen wir uns doch einmal, warum in Malmö das Image männlicher Araber so schlecht ist. Gibt es Gründedafür, liebe taz? Verschweigt ihr uns etwas?

     

    Klappt etwa die Integration auch in Malmö nicht? Wie jüngst anderen Quellen zu entnehmen war, schreitet die Segregation an deutschen Schulen voran - die türkischen Schüler haben zunehmend WENIGER Sprachkentnisse.

     

    Also, liebe taz, ist in Malmö die Integration dieser Gruppe ebenso grandios gescheitert, wie bei uns?

  • T
    @tommy

    "muslimischen Bevölkerungsanteil von 20% zusteuert"

    ja, wenn's eh so viele sind, macht's dann nicht erst recht sinn, mit entsprechend aussehenden köpfen zu werben? gibt schließlich genügend muslime, die auf schlager oder den esc abfahren!

  • P
    Piefke

    Ernsthaft? Ich meine, ernsthaft?

    Bei dem Hinweis auf die "gelungene" Uefa-Kampagne hätten sie allerdings auch auf einen internen Link verweisen können. Ich helfe ihnen mal:

    http://www.taz.de/Werbeclip-der-Uefa/!96317/

     

    und zitiere: "Andere Leute dienen augenscheinlich nur dazu, in schnellen Schnitten so etwas wie eine fröhliche Verschiedenheit darzustellen – weiß, schwarz, gelb, bärtig, groß, klein, behindert. Sind auch alle da? Ja, alle sind da."

     

    Wie man es macht, macht man es falsch. Dieses Multi-Kulti-Quotengegeifer ist einfach nur sowas von peinlich.

  • T
    tommy

    Noch was: Wie kann man überhaupt so einem Schwachsinn wie dem ESC so viel Aufmerksamkeit widmen? Darüber noch Bücher schreiben? Wer kauft denn das?

  • B
    Bonbonzucker

    So so, die Werbung(!) für eine Schlager(!)dudelshow ist also eine Lüge, sonst noch irgendwelche Probleme, taz?

     

    Ich bin bestimmt nicht der einzige jenseits mancher Hardcorelinken, denen das epidemisch zunehmend verordnete PC Sprech und Denk langsam gewaltig auf den Senkel geht.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Wo wir schon bei den Themen "unvollständige Darstellung = Lüge" und "multikulturelle Stadt" sind...

    Vielleicht hätte der Autor erwähnen sollen, dass es gerade die durch Auslassung diskriminierten Araber sind, die den alteingesessenen Juden von Malmö ein Weiterleben in ihrer Heimatstadt fast unmöglich machen. Der Bürgermeister von Malmö sagt, dass er für die Sicherheit der Juden nicht garantieren könne.

    Und jetzt schäm Dich mal eine Runde, Jan Feddersen!

  • T
    tommy

    "Verfehlt die Selbstdarstellungsreklame nicht die gesellschaftlichen Wirklichkeiten von allen ESC-Ländern?"

     

    Trifft wohl nur auf West- und Nordeuropa zu; in Osteuropa ist das ja glücklicherweise noch anders. Ansonsten: Es gehört schon einiges an Verblendung dazu, in einer politisch korrekten Konsenshölle wie Schweden, das jährlich mehrere hunderttausend Einwanderer aufnimmt und auf einen muslimischen Bevölkerungsanteil von 20% zusteuert (das in einem Land ohne Kolonialgeschichte, das noch vor wenigen Jahrzehnten ethnisch und religiös weitgehend homogen war) - kurz gesagt, in einem Land, in dem der Wunsch nach Selbstabschaffung gesellschaftlicher Konsens zu sein scheint - "Rassismus" auszumachen. Manchmal frag ich mich echt, was für Drogen Leute wie Feddersen nehmen, es muss verdammt starkes Zeug sein.

  • PS
    pa svenska

    Die Gesichter Jüdischer Mitbürger werden ja in Malmö auch immer seltener...

  • I
    isomatte

    Ich würde mich freuen wenn es auch noch eine Kolumne zum Rassismus und Judenhass durch muslimische Einwanderer in Malmö geben würde.

     

    http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/so-ein-herrliches-land-1.17663493