Kolumne Macht: Erfolgreich und unberechenbar
Donald Trump täuscht und lügt, jetzt auch in seiner Präsidentenmaschine, der Air Force One. Ein Skandal? Nein, das Problem liegt woanders.
F aszinierend ist nicht, dass Donald Trump täuscht und lügt. Das haben auch schon andere US-Präsidenten getan – und nicht nur sie. Faszinierend ist, dass es Donald Trump gleichgültig zu sein scheint, ob er erwischt wird. Das, und nicht das Fehlverhalten als solches, ist die Aufkündigung eines gemeinsamen Normengerüsts der Gesellschaft.
Entsprechend hilflos fallen die Reaktionen aus. Wenn jemand das erste Mal mit der Hand im Mustopf ertappt wird, ist die Freude, auch die Schadenfreude, groß. Aber was will man tun, wenn es das zweite, siebte, zehnte Mal passiert und niemals Konsequenzen nach sich zieht?
Jetzt wird, mit seltsamem Pathos, darauf hingewiesen, dass Trump an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One gelogen hat. Ooohhhh! An Bord der Präsidentenmaschine! Was für ein Skandal!
Da zucke auch ich mit den Achseln. Na und? Ein Flugzeug ist kein Parlamentsausschuss. Wo genau der US-Präsident lügt, halte ich nicht für wichtig. Sei es am Boden, in der Luft oder irgendwo dazwischen.
Zum 200. Geburtstag des großen Ökonomen, Denkrevolutionärs und Genussmenschen: Eine Sonderausgabe zu Karl Marx, mit 12 Seiten – in der taz am wochenende vom 5./6.Mai 2018. Außerdem: Vor einem Jahr zog "En Marche" ins französische Parlament ein. Die Partei wollte Bürger stärker an der repräsentativen Demokratie beteiligen. Haben die Partei und Emmanuel Macron ihr Versprechen erfüllt? Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Nun gibt es wahrscheinlich ohnehin kaum einen Menschen auf der Welt, der je von Stormy Daniels gehört hat und älter als acht Jahre ist, der die hanebüchenen Behauptungen von Trump und seinem ehemaligen Anwalt glaubte: Keine Affäre, Trump wusste von nichts, das Schweigegeld kam vom Juristen persönlich. Hm.
Was soll’s. Ob Trump außereheliche Affären hatte und hat, geht nur seine Frau Melania etwas an, und ich finde den Vorwurf ziemlich konstruiert, hier seien Kampagnengelder missbraucht worden. Die Prophezeiung sei gewagt: Der Präsident wird nicht über eine Beziehung mit Stormy Daniels stürzen.
Verbündete? Nicht bei Trump
Interessanter ist der Fall eines ehemaligen Arztes von Donald Trump. Der erklärte jetzt, dass der damalige Präsidentschaftskandidat ihm das Gesundheitszeugnis diktiert habe, das dessen Wahlkampfteam wenig später veröffentlichte. Auszug: Trump werde „der gesündeste Mensch“ sein, „der jemals ins Präsidentenamt gewählt wurde“.
Man hätte darauf kommen können, dass Trump das selbst formuliert hat. Es entspricht seiner Diktion.
Aber warum um alles in der Welt war ein Arzt bereit, etwas zu tun – und damit seinen Ruf zu ruinieren –, was ihm, so weit wir wissen, gar nichts genutzt hat? Warum ist überhaupt noch jemand bereit, das eigene Schicksal mit dem von Donald Trump zu verknüpfen?
Das ist unbegreiflich, das ist das eigentlich Unbegreifliche. Trump wirft seine Verbündeten jederzeit unter den Bus, wenn es ihm nützlich zu sein scheint. Lange glaubten zahlreiche Analytiker, der US-Präsident sei nicht mehr als eine Marionette, gesteuert von Beratern wie beispielsweise dem Rechtspopulisten Steve Bannon.
Ziemlich viel erreicht
Bannon wurde mittlerweile gefeuert. Ebenso wie fast alle anderen Berater der ersten Stunde. Donald Trump agiert offenbar tatsächlich weitgehend allein. Und er ist ja nicht einmal erfolglos.
Abbau von Umweltschutz, Steuerreform zugunsten der Besserverdienenden, Erhöhung der Nato-Ausgaben von Verbündeten, Neuverhandlung von Wirtschaftsbeziehungen mit dem Rest der Welt, neue Beziehungen zu Nordkorea. Trump hat im Hinblick auf seine eigene Agenda ziemlich viel erreicht. Mal Gutes, mal Schlechtes. Fast immer: Unberechenbares.
Wir, die wir den Kurs von Donald Trump nicht schätzen, müssen uns ein wenig mehr als bisher anstrengen, um überzeugend erklären zu können, warum er so toll nicht ist. Moralische Empörung genügt nicht – oder jedenfalls: nicht mehr.
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