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Kolumne MachtVerhör im Callcenter

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Anruf bei der Deutschen Bank: Schön ist es nicht, wenn man vom eigenen Dienstleister in Geiselhaft genommen wird – oder es sich zumindest so anfühlt.

Der Kunde als Opfer Foto: dpa

M ein Kind hat eine Vollmacht für mein Girokonto. Und eine Kreditkarte für dieses Girokonto. Das kann man falsch finden, das kann man richtig finden. Aber eigentlich dachte ich immer, das gehe nur mich etwas an. Die Deutsche Bank sieht das offenbar anders.

Warum hat mein Kind eine Vollmacht? Weil es am anderen Ende der Welt lebt und ich nicht will, dass im Notfall kein Geld für ein Flugticket zur Verfügung steht. Der Notfall trat ein, aber das Ticket konnte trotzdem nicht bezahlt werden. Der Kreditrahmen der Karte war nicht groß genug.

Kein Problem, dachte ich. Ein Anruf bei der Deutschen Bank mit der Bitte um Freigabe des Betrags sollte wohl genügen. Zumal ich einem glücklichen Umstand zufolge gerade mehrere Tausend Euro auf dem Konto hatte und lediglich wünschte, dass mein Kind den Rahmen der Kreditkarte um 500 Euro überschreiten konnte.

Wohnen Sie Miete?

Eine junge Frau am Telefon erklärte mir, sie habe allerdings noch ein paar Fragen. Ob ich einverstanden sei, dass das Gespräch aufgezeichnet werde? Ja, sicher. „Wohnen Sie zur Miete oder im Eigentum? Und wie hoch sind Ihre monatlichen Nebenkosten?“ – „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?“ – „Beantworten Sie einfach meine Fragen.“ Ja, selbstverständlich. Verzeihung.

„Sind Sie fest angestellt oder freiberuflich tätig?“ – „Fest angestellt.“ – „Seit wann?“ – „Oh . . .  Moment . . . lassen Sie mich rechnen . . . seit 1996.“ – „Das genügt nicht. Ich brauche den Monat.“ Wie bitte? Ich fing an zu lachen.

„Darf ich Sie daran erinnern, dass das Gespräch aufgezeichnet wird?“, fragte meine Gesprächspartnerin streng. Jetzt klang sie in meinen Ohren nicht mehr wie eine normale junge Frau. Sondern wie eine Sumpfkuh. „Darf ich nicht lachen?“ Natürlich dürfe ich, wenn ich das denn wolle. Aber dann könne es sein, dass mir das Geld nicht „zur Verfügung gestellt“ werde. Mein Geld. Nicht zur Verfügung gestellt. Das Lachen verging mir.

Die Sumpfkuh hatte noch ziemlich viele Fragen. Und irgendwann – nach rund 20 Minuten – gewährte sie mir die Erhöhung des Kreditrahmens für meine Tochter. Ausnahmsweise. Und nach Rücksprache mit ihrer Teamleiterin, wie sie betonte.

taz.am wochenende

Stefan Bothe ist Talkshow-Stammgast. Anne Will, Plasberg, Gottschalk – Bothe ist immer dabei. Wir haben ihn für die taz.am wochenende vom 18./19. Juni begleitet und einen Ort des diskursiven Miteinanders erkundet. Außerdem: Noch fünf Tage, dann stimmen die Briten über die Zukunft in der EU ab. Gehen oder bleiben? Unser Autor untersucht die Gemütslage. Und: Bald will der Berliner Senat Bierbikes verbieten. Ist es wirklich so schlimm? Höchste Zeit, einmal mitzufahren. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Inzwischen war ich so verzweifelt – die Buchung für das Kind war wirklich dringend –, dass ich nur noch dankbar war. So, so dankbar. Das sagte ich auch.

„Stockholm-Syndrom“, meint ein Freund dazu trocken. Darunter versteht man eine psychische Ausnahmesituation, in der Opfer von Geiselnahmen ein positives Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Was dazu führen kann, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und zusammenarbeitet.

Das Telefonat wird aufgezeichnet

Das finde ich eine ziemlich präzise Beschreibung meiner Beziehung zur Mitarbeiterin der Deutschen Bank. Ich fühlte mich von ihr in der Tat in Geiselhaft genommen. Das Unternehmen hat – nach allem, was ich lese – derzeit gewisse Pro­ble­me. Aus vielen Gründen. Vielleicht könnte man bei der Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein bisschen nachjustieren. Material liegt ja vor. Bekanntlich wurde mein Telefonat aufgezeichnet.

Nachtrag: Vorgestern bekam ich Post. Von der Deutschen Bank. Ich hätte zugestimmt, telefonisch und per Mail von dem Unternehmen beworben zu werden. Hatte ich? Keine Ahnung. Offenbar habe ich manche Fragen irgendwann nur noch apathisch bejaht.

Anruf bei der Bank. Diese Zustimmung will ich widerrufen. Ob ich einverstanden sei, dass das Gespräch aufgezeichnet werde? Aber ja doch. Ob ich Auskunft geben könne über regelmäßige Eingänge auf meinem Konto? Woher die kämen? Ich lerne nichts dazu. Schon wieder habe ich gelacht.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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13 Kommentare

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  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Ich war mal bei McDonald's. Aber da waren die Verkäufer zu pampig. Da bin ich zu Burger King.

  • @ jemanden, der sich "DEIN CHEF" nennt: Bei einer Kreditkarte geht es nicht wirklich um einen Kredit. Und was das Alter angeht: Ich bin 68, mein Sohn ist 40. Wenn ich eine Kreditkarte brauche, nehme ich die von meinem Sohn.

  • Dass eine politische Korrespondentin der taz immer noch ein Konto bei der Deutschen Bank hat ... unglaublich!

     

    Ich empfehle: Schnell wechseln.

  • Wären Sie doch ganz einfach zur Bank hin gegangen. Dann hätte ein solches Gespräch, atmosphärisch ganz andere Chancen bekommen.

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    "Der Untertan" H. Mann

  • Jahrgang 1956. Darf man annehmen, dass Ihr "Kind" mittlerweile so um die 30 ist?

  • "Aber dann könne es sein, dass mir das Geld nicht „zur Verfügung gestellt“ werde. Mein Geld."

     

    Da es aber um einen Kreditrahmen geht, geht es eben doch nicht um Ihr Geld, Frau Gaus, sondern um das der Bank.

  • "Das kann man falsch finden, das kann man richtig finden."

     

    Kann man. Es bleibt aber falsch. Wer am anderen Ende der Welt leben kann, ist kein Kind mehr, sondern erwachsen und alt genug, für sein Einkommen selbst zu sorgen.

  • Sorry, aber warum hat ein so kritischer Mitmensch wie Bettina Gaus ein Konto bei der Deutschen Bank, die bei allen, vorsichtig ausgedrückt, Vergehen im Finanzbereich vorne mit dabei ist - ob hierzulande oder in den USA?

    • @reblek:

      Das ist mir auch völlig unerklärlich. Niemand, den ich kenne, hat mehr ein Konto bei der Deutschen Bank. Oder soll diese Kolumne eine besonders trickreiche Form der Meinungsäußerung sein?

  • Liebe Bettina Gaus! Wie gut ich Sie verstehen kann. Doch das sind keine Einzelfälle. Die meisten sitzen immer noch in Ämtern und Behörden und haben zwar nur geringe, aber doch oft entscheidende Befugnisse, über Wohl und Wehe der "Bittsteller" zu entscheiden. Solche Leute, die Kraft ihres "Amtes" über geliehene Macht verfügen, sind bereit zur Verteidigung derselben bis zum Äußersten zu gehen, um sich durch diese Droge Genugtuung zu verschaffen. Den Wenigsten ist klar, was sie damit im Einzelfall anrichten können. Mit dem bisschen Macht gut und vernünftig umzugehen können die Wenigsten - wie sollen es da die können, denen in ihren Ländern plötzlich von ihren Wählern große Macht gegeben wird.

     

    Leider müssen wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass Niemandem rechtzeitig beigebracht wurde: die Rückseite der Macht heisst Verantwortung und eine gehörige Prise Demut - im Idealfall gepaart mit Verständnis und Humor - könnten sehr vielen Menschen helfen und sie glücklich machen.

     

    Also bleibt uns nicht sehr viel mehr, als solchen Kleingeistern zu geben, was sie glücklich macht (das Gefühl, mächtige Entscheider zu sein) und unseren eigenen Frust durch (leise) augenzwinkerndem Humor die Luft wie aus einem Luftballon entweichen zu lassen. So gesehen finde ich, dass Sie es ziemlich gut angegangen sind!

  • Nun ja, die DeuBa.....

    Sie wurde unter der Leitung von 25-Prozent-Rendite-Ackermann an die Wand gefahren. Die einstige Säule des Mittelstandes wurde zur Zockerbude und ist heute eine Ruine. Daher erstaunt mich der Inhalt dieses Artikels. Die Bank könnte sich doch nun kundenfreundlicher zeigen. Aber anscheinend leben die Mitarbeiter dieser Bank noch immer in einer anderen Welt - sie wurden ja lange Zeit privilegiert. Merkel schickte damals Ackermann Glückwunschtelegramme und organisierte dessen sechzigsten Geburtstag. So etwas prägt anscheinend - man glaubt, als DeuBa eine Art Staat im Staate zu sein.

    • @Sysyphos:

      Hab vor Jahren ähnliche Erfahrungen machen müssen.

       

      Als ich einsehen musste, dass das Personal der DB nur aus stumpfen Robotern bestehen konnte, manche waren auch einfach nur pikierte A-Löcher, habe ich die Bank gewechselt...