Kolumne Luft und Liebe: Ein paar Hausfrauentränen

Ein Presslufthammer fetzt einfach mehr als ein gewaschenes Geschirrhandtuch – auch wenn man das gar nicht will. Yeah, yeah, yeah!

Reproduktionsarbeit mit Yeah!-Faktor: Presslufthammer an Obst. Bild: SirFing/photocase.com

Das Patriarchat stinkt. Dachte ich immer. So vom Gefühl her. So wie der Kapitalismus stinkt oder der Neoliberalismus oder Leute, die gegen die Homoehe sind.

Den Geruch des Patriarchats stellte ich mir vor wie ein Gemisch aus Motoröl, Benzin, Blut und Sperma. Inzwischen weiß ich es besser. Das Patriarchat riecht nach Apfelmus mit Zimt, frisch gewaschener Wäsche und Schmorgurken mit Pellkartoffeln.

Denn, es ist leider so, der Hausfrauen-Blues hat mich erwischt. Und wie. Er kam genau in dem Moment, als ich auf dem Sofa im Wohnzimmer saß, die Füße platt vom Stehen, die Hände schrumpelig vom Abwaschen, am rechten Arm eine Brandblase vom Kochen, und am linken Daumen einen tiefen Schnitt vom Äpfelschälen. So saß ich da und versuchte, mir meinen schmerzenden Rücken zu massieren, als draußen ein paar Leute „Yeah!“ riefen. Dieses „Yeah!“ machte mich fertig.

Wir haben in den letzten Wochen unsere Landkommune renoviert. Das alte Gutshaus, das wir vor einem Jahr zu zehnt gekauft haben, hatte ein paar Reparaturen nötig: Dach flicken, Wände einreißen, Decken verputzen, Rohre und Kabel verlegen, Fenster streichen. Wir hatten einen Haufen Freundinnen und Freunde eingeladen, Handwerker bestellt und Werkzeug besorgt. Und ich hatte mich mehr oder weniger freiwillig dafür gemeldet, die Küche zu übernehmen.

Das „Yeah!“ hieß, dass draußen gerade ein paar Leute den Container mit den Baumischabfällen vollgepackt hatten. Das würden sie dann abends beim Plenum erzählen: Wir haben heute die Mulde gefüllt, mit dem Presslufthammer den alten Zementboden weggedonnert und einen Haufen Holz gehackt. Yeah, yeah, alles Yeah-Aufgaben.

Und ich? Ich würde dann sagen, ich habe heute 57 Stullen geschmiert, 83 Teller gespült, sieben Kilo Nudeln gekocht und fünf Ladungen in der Waschmaschine gewaschen, dazwischen das Obst im Garten geerntet und die Böden gewischt. Irgendjemand würde sagen „Danke, cool“, die anderen würden nicken, fertig. Ein Presslufthammer fetzt halt mehr als ein gewaschenes Geschirrhandtuch.

So saß ich allein auf dem Sofa und fühlte mich elend. Dabei ist meine Kommune eigentlich ganz wunderbar und die Leute, die dazugehören, wissen genau, dass Reproduktionsarbeit gleich wichtig ist wie Handwerksarbeit. Aber ich hatte das blöde Gefühl, ich mache da etwas, das banal und unsichtbar ist und jeden Tag von vorne beginnt und von niemandem richtig bemerkt wird.

Ich weinte ein paar Hausfrauentränen und schimpfte mit mir selbst, dass ich schon nach einer Woche Hausarbeit Depressionen kriege, während andere Leute das jahrzehntelang einfach durchziehen. Und ich warf mir vor, Küchen- und Putztätigkeiten weniger wertzuschätzen als Bau- und Renovierarbeit, wie der letzte Macho. Davon musste ich dann so richtig heulen.

Aber dann ging ich in die Küche und fing an, die Gläser mit dem eingemachten Obst zu beschriften, und ich schrieb auf die Etiketten nicht „Apfelmus 08/2012“ oder „Holundersaft“, sondern „Yeah!“, auf jedes einzelne. Man weiß doch eh, was drin ist. Also ich jedenfalls.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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