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Kolumne Luft und LiebeZwangsjacken aus Spitze

Zwei Brüste, drei Körbchengrößen. Das Leben mit BHs ist kompliziert. Verbrennen sollte man sie trotzdem nicht – höchstens tauschen.

Hoffentlich muss sie jetzt nicht zum Bus rennen. Bild: dpa

Übrigens hab ich ja die schönsten Titten der Welt“, sagte meine Freundin A., als ich ihr erzählte, dass ich BHs shoppen war. „Hast du gerade gesagt, du hast schönere Brüste als ich?“, fragte ich. Wir einigten uns ziemlich schnell darauf, dass es viele schönste Titten der Welt gibt. Mindestens vier.

Ich bin nicht so eine coole Sau wie meine Kollegin Julia Seeliger, die sich ihre Unterwäsche per Crowdfunding finanzieren ließ. Einmal im Jahr gehe ich neue BHs kaufen, und ich muss alles selber bezahlen, und dieses ganze Anprobieren und Zurechtrücken dauert länger als ein Autokauf.

Total lächerlich, diese schwedische Wäschefirma, deren Mitarbeiterinnen auf ihren Namensschildern ihre Körbchengröße tragen sollten. Ja, meine Güte, natürlich ist das bekloppt und sexistisch. Aber vor allem ist es unprofessionell. Wenn es denn so einfach wäre, dass eine Frau nur eine Körbchengröße hat. Allein ich habe drei. Obwohl ich auch nur zwei Brüste hab. Aber je nach Hersteller, Modell und so weiter hab ich entweder Größe 70D oder 75C oder 85B.

Margarete Stokowski

ist Autorin der taz, liest Texte bei verschiedenen Berliner Lesebühnen und twittert als @marga_owski.

Der Tag, an dem eine Wäscheverkäuferin mich vermaß und mir erklärte, wie BH-Größen zustande kommen und dass es so etwas gibt wie Kreuzgrößen und dass viele Frauen genau zwischen zwei oder eben drei Größen liegen, dieser Tag hat mein Leben verändert. All die Jahre zuvor trug ich immer 75B, so wie alle Welt um mich herum immer 75B trug. Aber alle Welt kam auch abends nach Hause und riss sich die kneifenden, quetschenden Dinger vom Leib.

„Warum trägst du die Teile überhaupt?“, hatte mich A. neulich erst gefragt, als ich abends zu ihr kam. Sie machte Kaffee, ich ließ mich aufs Sofa fallen und sagte, „sorry, ich muss mich erst mal ausziehen“, weil ich einen blöden, trägerlosen BH trug. „Warum ich die trage?“, sagte ich, „guck.“ Ich zog mein Oberteil hoch und hüpfte. „Ich möchte das nicht. Wenn es wackelt, tut es weh, ganz einfach“, sagte ich. A. nickte und betrachtete das Nachbeben. Ihr Glück, dass sie keine BHs braucht.

Weil Brüste so unterschiedlich sind, ist auch die Geschichte mit der feministischen BH-Verbrennung bescheuert. Zugegeben, die 75Bs, die ich früher trug, diese Zwangsjacken aus Spitze, hätte ich am Tag meiner Körbchengrößenerleuchtung am liebsten verbrannt. Ich schenkte sie stattdessen einer Freundin, der sie passten. Ausziehen und tauschen statt verbrennen! (Da merkt man auch mal, aus welcher Zeit dieser Verbrennungs-Mythos kommt. Heute wird recycelt.) Meine neuen BHs aber, die, die machen, dass ich Treppen runterrennen kann oder dem Bus hinterher, die verbrenne ich sowieso nicht. Die wasche ich höchstens aus Versehen mit den falschen Farben zusammen.

Irgendwann kam A.s Mitbewohner zu unserem Schönste-Titten-der-Welt-Gespräch dazu. Als er hörte, dass wir über BHs sprachen, verdrehte er die Augen. Es war dieser „Habt ihr keine anderen Probleme?“-Blick. „Sei froh, dass Männer keine Schwanzhalter brauchen“, fauchte A., und der Mitbewohner grinste: „Ich würde einfach den größten nehmen, den es gibt.“ Einer von uns lachte, zwei verdrehten die Augen.

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
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9 Kommentare

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  • R
    ridicule

    Glockengeläut aus Balconia.

    Es ist endgültig Frühling. ~||:-))

  • T
    tazitus

    BH tragen ist gewissermaßen "Schwerkraftzersetzung"?

  • V
    vonderbra

    Als Mann, der lang hat, lasse ich natürlich lang hängen, aber an Wochenenden trage ich auch immer wieder gerne Still-BHs, die zum Aufklappen, am liebsten antike Modelle aus dem 19 Jh., cf. Wikipedia: “Büstenhalter”.

     

    ♲ (17.04.201 15:26)

  • G
    ~*Ganesha*~

    @Rainer B.: Aber was heißt denn hier "Wenn"? Gott ist eine Frau, trägt ein bonbonfarbenes Kleid, ein Silbersakko und pinkfarbene Flip-Flops. Außerdem ist sie bekannt für ihren tollen Sinn für Humor... Sex zum Beispiel... nichts ist witziger als die seltsamen Gesichter der Menschen beim Koitus.

     

    OK, das war jetzt genug aus "Dogma" zitiert, aber ich glaube nicht, dass es bewusste Quälerei ist, dass Mama Natur bei einigen ihrer Töchter die Portion größer wählte. Für bewusste Quälerei halte ich aber tatsächlich die Erfindungen, die im Zuge des Bändigens der Milchdrüsen gemacht wurden. Im Grunde soll frau das tragen oder nicht tragen was ihr gefällt und worin bzw. wobei sie sich wohlfühlt.

     

    Gleiches gilt für Männer, auch wenn der Schwanzhalter (über den ich sehr grinsen musste) noch nicht erfunden ist. Aber Modediktate zwingen uns Männer gemeinhin in Hosen. Wo es doch viel befreiender ist, in bzw. unter einem Rock oder Sarong gemütlich frei baumeln zu lassen...

     

    Solidarische Grüße eines Sarongträgers aus der Ruhr-Megalopolis an die noch leidenden und die vom BH befreiten Frauen :-)

  • RB
    Rainer B.

    Ihr Frauen habt es wirklich schwer. Ich verstehe gut, dass ihr es manchmal nicht mehr (er)tragen könnt.

    Wenn Gott eine Frau ist, dann stellt sich doch die Frage, warum sie ihre Geschlechtsgenossinnen so quält.

  • G
    Günter

    Liebe TAZ-Tittinnen !

    Bitte fragt hierzu Trikottausch-Experte Deniz Yücel nach schriftlichen Ratschlägen, diese sodann bitte hier abdrucken, steigert die Auflage bestimmt ungemein.

  • S
    Schmidt

    Und was war jetzt die Aussage des Artikels?

  • K
    KChristoph (masc.)

    ... auch, gerade solche Texte machen die TAZ liebenswert, lesenswert !

    TAZ statt HAZ - Liebe Grüße aus dem Süden, dem Süden von Hannover !

  • T
    textfreund

    Frau Stokowski,

    ihre Texte lese ich wirklich gerne!

    VG