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Kolumne Luft und LiebeEin Paragraf, der wehtut

Nein heißt Nein, aber ein Nein reicht in Deutschland nicht aus. Die meisten Vergewaltigungen bleiben straffrei.

Können völlig veraltet sein: Paragrafen. Bild: zettberlin / photocase.de

N iemand beschäftigt sich gern mit Gesetzen zum Thema Vergewaltigung. Die meisten Menschen fangen erst an, sich damit auseinanderzusetzen, wenn sie selbst damit konfrontiert sind oder jemand aus ihrem Umkreis ein Problem hat. So verständlich das ist, so schockiert sind die meisten, wenn sie erkennen, wie unfassbar schlecht die Gesetzeslage in Deutschland ist.

Im Moment ist Vergewaltigung in Deutschland in sehr vielen Fällen nicht strafbar. Zum Beispiel immer dann, wenn das Opfer „einfach nur“ geweint und Nein geschrien hat. Laut Paragraf 177 des Strafgesetzbuches sind sexuelle Nötigung und Vergewaltigung nur dann strafbar, wenn der Täter „1. mit Gewalt, 2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder 3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist“, eine Person genötigt hat, „sexuelle Handlungen“ auszuführen oder zu erdulden.

Deutschland hat zwar die Istanbul-Konvention unterzeichnet, laut der alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen strafbar sein sollen. Rechtlich ist diese Forderung aber nicht umgesetzt. Aus der Pressestelle des Justizministeriums ist zu hören, dass geprüft werde, „ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf auch im Hinblick § 177 StGB besteht“, das Thema sei „nicht vom Tisch“.

Allein: Es gibt da nicht so fürchterlich viel zu prüfen. Es ist schon geprüft, es gibt genug Studien zur rechtlichen Situation von Vergewaltigungsopfern in Deutschland. Eine der neuesten Analysen trägt den Titel „Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar“ vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Darin wurden Fälle untersucht, in denen Menschen sich gegen sexuelle Übergriffe verbal gewehrt haben. Die Ergebnisse sind sehr hässlich.

Wenig Aussicht auf Verurteilung

Ihr Portemonnaie ist rechtlich besser geschützt als Ihre sexuelle Selbstbestimmung: Wenn jemand Ihnen den Geldbeutel klaut und Sie nichts dagegen tun, ist der Diebstahl trotzdem strafbar. Wenn jemand Sie vergewaltigt und Sie schreien, wird dem Täter höchstwahrscheinlich nichts passieren.

Viele Frauen wissen das. Von den Frauen, die vergewaltigt werden, zeigen – je nachdem, welcher Studie man folgt – 84,5 bis 95 Prozent die Tat gar nicht erst an. Bei den Taten, die angezeigt werden, kommt es nur bei 8,4 Prozent zu einer Verurteilung. Die meisten Anzeigen enden damit, dass das Verfahren eingestellt wird, bevor es zu einem Prozess kommt.

Bis zu diesem Punkt haben viele derjenigen, die sich getraut haben, anzuzeigen – zusätzlich zu der Gewalt, die ihnen widerfahren ist –, viel Zeit und Nerven verloren und unfassbar viel Scheiße zu hören bekommen. Entwürdigende, verletzende, unprofessionelle Scheiße. Von Menschen, von denen sie Hilfe erwartet haben. Menschen bei der Polizei, im Amtsgericht, auch bei Beratungsstellen. Ausgebildete Menschen, die wissen müssten, wie sie sich zu benehmen haben.

Paragraf 177 zu ändern, ist die eine Sache. Diese Menschen zu schulen, wie sie mit Opfern von Gewalt umgehen sollten, eine andere.

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
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6 Kommentare

 / 
  • 6G
    677 (Profil gelöscht)

    Ich habe jetzt doch eine Methode gefunden, mit dieser Kolumne umzugehen:

    Ich überschlage den Text und lese die Kommentare. Damit erspare mir viel Unfug, weiß doch ungefähr was geschrieben wurde und es ist unterhaltsam.

  • Wer über dieses Thema einen Artikel schreibt ohne ebenfalls das Problem zu beleuchten, dass es ja auch Frauen gibt, die mit einer Falschaussage bezüglich einer Vergewaltigung bewusst das Leben eines Mannes vernichten, ist nicht seriös.

    Je einfacher es für eine vergewaltigte Frau gemacht wird, den Täter zu bestrafen (selbstverständlich erwünscht), desto einfacher wird es auch für eine nicht vergewaltigte Frau, einen Unschuldigen hinter Gitter zu bringen.

    Ich fürchte, dass es keine gut funktionierende Lösung für dieses Problem gibt.

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    Teil 1

     

    "Geldbeutel klauen- Vergewaltigung"

     

    Diese Darstellung im Artikel völliger Unsinn!

     

    Wenn jemand OHNE BEDROHUNGSSITUATION ihre Geldbörse nimmt, die OFFEN vor Ihnen liegt, Sie nichts dagegen tun, ist das keine Straftat/Diebstahl. Und SCHREIEN wird natürlich als Gegenwehr gewertet!

     

    Der Artikel selber ist leider furchtbar unkonkret und hilft dem Verständnis der Problematik bei echten/vermeintlichen Vergewaltigungen nicht weiter. Die Fallstudien aufzugreifen, die im Ursprungsdokument enthalten sind, wäre notwendig dafür.

     

    PDF Link Fallstudie:

    https://www.frauen-gegen-gewalt.de/nachricht/items/bff-legt-fallanalyse-zu-schutzluecken-im-sexualstrafrecht-vor.html?file=tl_files/bilder/news/bff-Fallanalyse%20Schutzluecken%20Sexualstrafrecht.pdf

     

    Ein "Nein" kann Vergewaltigung bedeuten, aber wenn es schon zuvor 100 mal Verkehr mit "Nein" gegeben hat, ist es problematisch das 101 "Nein" als Vergewaltigung zu werten.

  • Frau Stokowski, im Gegensatz zu anderen gilt die Juristerei nicht als exakte, resp.: harte Wissenschaft. Für Ihre wieder mal bauernschlau konstruierten, insinuierenden Behauptungen, die für sich allein genommen schon wieder so etwas wie 'mentale Vergewaltigungen' darstellen, z.B.:

    "Viele Frauen wissen das. Von den Frauen, die vergewaltigt werden, zeigen – je nachdem, welcher Studie man folgt – 84,5 bis 95 Prozent die Tat gar nicht erst an.",

    wird Ihnen sicherlich unreflektiert aus den 'richtigen' Ecken Beifall gezollt werden. Gleichwohl: hierzu gilt, dass "viele Frauen" offenbar nicht "wissen", sondern 'gewusst werden', resp.: sich etwas einbilden – oder anders formuliert: wer (vermeintliche) Straftäter nicht anzeigt, hat das vor sich (allein) zu verantworten und dürfte in aller Regel andere Beweg-'Gründe' haben, als die, die Sie zu insinuieren versuchen. Sie verlinken auf jeden: "Scheiß", signifikanterweise nur nicht auf die: "je nachdem, welcher Studie man folgt". Und: gibt es auch "Studien" zu "Vergewaltigungen" unter Homos u./o. Lesben? Aber: nette Variante Ihres obsessiv und tendenziös aus-geübten Quartalthemas.

  • Das Gesetz differenziert eben zwischen Nötigung und Vergewaltigung, wobei insbesondere eine direkte oder indirekte Gewaltanwendung besonders gewürdigt wird. In der öffentlichen Diskussion wird aus so mancher versuchter Nötigung immer gleich eine Vergewaltigung. Nein heißt nein, soviel ist klar. Aber heißt Ja auch immer Ja? Eben nicht! Wer z.B. mit einer alkoholisierten oder unter Medikamenteneinfluß stehenden Frau mutmaßlich einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hat, bekommt ein Riesenproblem, wenn die Frau hinterher angibt, Sie hätte das alles eigentlich gar nicht gewollt. Was also tun? Vor jedem Geschlechtsverkehr eine notariell beglaubigte schriftliche Einverständniserklärung einholen, der ein psychiatrisches Gutachten über die Beteiligten vorgeschaltet ist? Ist nicht jeder Geschlechtsverkehr juristisch gesehen eine Körperverletzung?

  • Das eigentliche Problem daran ist die oft fehlende Beweiskraft. Hat die Vergewaltigung stattgefunden, ist es für die Frau eine Tragödie und noch viel mehr, wenn die sichtbaren Blessuren nach der Anzeige nicht berücksichtigt, bzw. nicht auf die Vergewaltigung zurückgeführt werden. Trotzallem darf nach einer Gesetz-Novellierung die Kraft der Beweiserbringung nicht geschwächt sein, denn es gibt Täter und es gibt Täter, die als Opfer daherkommen. Diese Grauzone wird man gesetzlich nie ganz belichten können.