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Kolumne Luft und LiebeFriert mich einfach ein

Aus Panik wird Profit geschlagen. Die westliche Männlichkeit greift zu den Waffen. Die Autorin möchte bitte zur Tiefkühlkost gelegt werden.

Was bist du Narr vor Winters in die Welt entflohn? Bild: dpa

F riert mich ein. Bitte. Friert mich ein wie ein Fischstäbchen oder wie eine zu viel gekaufte Packung Toastbrot und taut mich erst wieder auf, wenn die Zeit gekommen ist. Friert mich ein, solange es Länder gibt, in denen es schwieriger ist, Arbeitsstrukturen zu ändern als weibliche Körper. Solange es leichter ist, einem Menschen Hormone zu spritzen, ihn unter Vollnarkose zu setzen, so viele Eizellen wie möglich abzuernten und die Ernte in flüssigem Stickstoff einzufrieren, als Elternzeit und Wiedereinstieg so zu gestalten, dass alle klarkommen.

Friert mich ein, solange Frauen mit Statistiken aus dem 18. Jahrhundert erklärt wird, wie lange sie fruchtbar sein werden und solange aus ihrer dann folgenden Unsicherheit und Panik fetter Profit geschlagen wird. Friert mich ein, kalt ist es sowieso schon.

Friert mich ein, solange Männer, die Zeugs studiert haben, Historiker oder Philosophen sind, und Frauen, die Zeugs studiert haben, Karrierefrauen. (Ausgerechnet diese Fächer. Sie hören mein hysterisches Lachen aus dem Gefrierschrank.) Friert mich ein, solange das Wort „Karrierefrau“ überhaupt noch existiert.

Friert mich ein, solange Frauen, die Geschlechterrollen in Videospielen untersuchen, immer wieder Vergewaltigungs- und Morddrohungen kriegen und solange die Tatsache, dass es Feministinnen gibt, die sich öffentlich äußern, irgendwelche Kackpfeifen so aggressiv macht, dass sie mit Massakern drohen. Weil sie den „giftigen Einfluss des Feminismus auf die westliche Männlichkeit“ anprangern möchten. Mit Waffen. Wie souverän, wie erhaben.

Stinkmorcheln im Internet

Friert mich ein, solange Frauenhass im Internet sprießt wie eine Gemeine Stinkmorchel (Phallus impudicus), wenn eine 41-jährige Frau, die mit 22 eine Affäre mit dem damaligen US-Präsidenten hatte, sich auf Twitter anmeldet. Eine Frau, die eine Kampagne gegen Cybermobbing starten will und von eigenen Demütigungen erzählt. Die dann schwallweise oralsexbezogene Beschimpfungen erhält.

Besagter Expräsident ist derweil ziemlich okay rehabilitiert. Er, der Starke, der eine Krise überstanden hat. Sie, die dumme Nuss, die doch besser lebenslänglich die Klappe halten sollte. „Good job, Internet“, schrieb die Washington Post, „You’ve done yourself proud today.“

Friert mich ein, solange Winterjacken für Mädchen pink und tailliert sind und die für Jungs blau und bequem. Friert mich ein, solange es „sexy cop“-Kostüme für Mädchen im Kindergartenalter gibt. Friert mich ein, solange Einschulungsuntersuchungen in der Kategorie „Emotionale Kompetenz“ genau diese zwei Kriterien beinhalten: 1.: „Kind kann seine Emotionen bei alltäglichen Ereignissen meist selbst regulieren. Gewisse Toleranz gegen Kummer, Enttäuschung, Freude, Vorfreude, Ängste, Stress.“ Und 2.: „Kind weiß, dass es Mädchen oder Junge ist, und verhält sich danach.“

Taut mich auf, wenn kein Kind mehr weiß, was das angemessene Verhalten für ein Mädchen oder einen Jungen wäre. Taut mich auf, wenn Geschlechterrollen antiker Scheiß sind. Taut mich auf, wenn Frauen einfach Menschen sind. Und Männer auch.

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
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8 Kommentare

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  • "Kind weiß, dass es Mädchen oder Junge ist und verhält sich danach" - steht wirklich in einem amtlichen Dokument. Ich habs nicht glauben können. Da würde ich doch sehr gerne mal in der taz was drüber lesen, wie Fachleute das operationalisieren. Ansonsten: Vielen Dank für den erfrischenden Text, aber bitte nicht einfrieren lassen, dazu lese ich die Kolumne von MS viel zu gerne.

  • Danke, ich habe so herzlich gelacht. Ich will auch eingefroren werden, weil alles immer grotesker wird und weil "lustige" Debatten entstehen, sobald die angeblich normale Zweigeschlechtlichkeit angegriffen werden soll. Da wird mensch einfach mal müde und muss mal ein paar tausend Jährchen auf ein Wunder hoffen.Taut mich auch erst auf, wenn nur noch von Menschen die Rede ist !!! Nein- das wird dann nicht langweilig, sondern dann haben wir Zeit , uns um die wirklich wichtigen Inhalte zu kümmern und uns nicht von lancierten Geschlechterdebatten ablenken und aufregen zu lassen.

  • Dort wo der Feminismus nicht die Geschlechterrollen in Frage stellt sondern nur nach Privilegien ruft, sollte die Autorin auch aufschreien. Dort wo Männer keine Chance haben, Vater zu sein, ebenfalls. Und es sind nicht zuletzt die Feministinnen, die bei der Diskussion über Quoten und Privilegien mit agressiver Rhetorik antworten bis hin dazu, dass sie die Diskussion verbieten wollen und die Kritiker in die Terrorismusecke stellen (in den USA).

    Wer die Geschlechterrollen ändern will, muss auch die Männerrollen ändern. Wenn Quote ein sinnvolles Mittel wäre, warum dann nicht auch beim Sorgerecht? Warum nur 2 "Väter"monate und warum nicht 50/50? Warum gibt es noch immer die Hausmannsrechtsprechung, die es getrennten Väter untersagt bei weiteren Kindern zu Hause zu bleiben.

    Es gibt viel zu tun um die alten Rollen aufzubrechen - neue Privilegien für Frauen (oder für Männer) gehören nicht dazu!

  • Alles wahr,- aber einfrieren kann nicht die Antwort sein. Wie soll mannfrau sich dann weiterhin noch mit Tiefkühlkost ernähren? Ich werd die Bilder jetzt schon nicht mehr los.

  • Ein Zitat von Jännerwein in einem Artikel der Taz? Wurde schon Zeit, wie es aussieht^^

  • Wenn es die Möglichkeit des einfrierens gäbe, und jeder den etwas Stört diese auch nutzen würde bliebe der Status quo immer erhalten.

  • 3G
    372 (Profil gelöscht)

    Nachtrag. Ich habe mir Lewinskis Account fast 73.000 Follower - nach drei Tagen bei Twitter. Social Media Experten könnten sicherlich vorrechnen, was das wert ist.

  • 3G
    372 (Profil gelöscht)

    Erinnert mich an Helgas Text "Hier ist der traurige Feminismus". http://hanhaiwen.wordpress.com/2012/11/22/hier-ist-der-traurige-feminismus/

     

    Wenn alle diese Wünsche in Erfüllung gehen sollen, dann kannste für immer eingefroren bleiben. Wer lebt, kann sterben bzw. verletzt werden. "Frauenhass" gibt es übrigens nicht nur im Internet, dieses macht ihn lediglich sichtbar. Und übrigens: ich denke bei Monica Lewinski auch an Blowjobs. Bin ich also ein perverses Maskuschwein?