Kolumne Luft und Liebe: Nackt einparken in der Wortwolke
Zum Jahresende wird unsere Autorin besinnlich und schmökert im Duden. Sie sucht den Genderwahn und wird nicht fündig.
Z um Jahresende gucken wir ein bisschen in die Wolken, das entspannt die Augen. Wir gucken aber nicht in die Wolken am Himmel, wir gucken in die Wolken im Duden.
Jetzt, wo das Wort des Jahres bestimmt ist und es alle schon wieder vergessen haben, weil es nämlich gar kein Wort war, das sie je benutzt hätten, bleibt noch etwas Zeit, um sich die anderen Wörter anzugucken, die so rumliegen. Der Duden bietet dazu auf seiner Internetseite Wortwolken an, die anzeigen, welche Wörter statistisch gesehen oft zusammen vorkommen. Grundlage dafür ist das „Dudenkorpus“, ein großer Haufen Texte der letzten zehn Jahre.
Wenn man zum Beispiel „Winter“ eingibt, steht da in der Wolke: „kalt, warm, hart, streng, lang, kommend, schneearm, schneereich“ bei den Adjektiven und „frieren, überleben, verbringen, heizen“ bei den Verben und so weiter.
Fast schade, dass „Genderwahn“ noch nicht drinsteht. Mein Ekelwort des Jahres. Und schade auch, dass es in der Wörterwolke nur Verben, Adjektive und Substantive gibt, und nicht so was wie „manno“, „aua“, „ey“, „höhö“ und „rumms“, das Geräusch, das entsteht, wenn mal wieder einer mit seinem Piller auf den Stammtisch haut. Weil „der Genderwahn deutsche Studenten tyrannisiert“. Und weil da immer so gegen Männer gehetzt wird. Und vor allem: Weil unsere schöne Sprache kaputtgemacht wird. Weil jetzt überall Wörter stehen wie „Patient/innenanwalt/wältin“. Das ist doch zu krass.
Kümmern wir uns also um unsere liebe Sprache und gucken wir uns an, was bei den armen Männern in der Wortwolke steht. „Mann“ steht da in der Mitte, und drumherum die Adjektive: „jung, alt, reich, mächtig, stark, bewaffnet, erwachsen, richtig“. Richtig so! Und die Verben: „sehen, sitzen, zuhören, kennen, heiraten, altern, erschießen, sterben“. Im Duden ist die Welt noch in Ordnung.
Bei den Frauen sieht es anders aus, da finden wir: „jung, alt, schwanger, schön, gnädig, groß, berufstätig, nackt“. Und: „einparken, vergewaltigen, meinen, sagen, lieben, heiraten, einen, sitzen“. Man möchtet meinen, da hatte einer einen sitzen, als er das aufschrieb, aber nein, das ist computergeneriert. Komisch. Schnell noch gucken, ob bei den Substantiven „Quotenfrau“ und „Exorzismus“ steht, aber nee, da steht „Mann, Kind, Mädchen, Tochter“.
Gucken wir auf eine andere Seite, eine Synonymsuche, ebenfalls im Internet. Die ist nicht computergeneriert, die ist von Menschen gemacht, und man kann Vorschläge einreichen. Was sehen wir da, als Synonym für „weiblich“? Erste Bedeutung: „feminin“, zweite Bedeutung: „wehleidig“. Synonyme: „empfindlich, unmännlich, verweichlicht, verwöhnt, zimperlich, nachgiebig“ und so weiter.
Die Männer kriegen unter „männlich“ mehr Bedeutungen, das heißt nämlich nicht nur „maskulin“, sondern auch „kräftig“ und „tapfer“. Synonyme: „stark, beherzt, draufgängerisch, mutig, furchtlos, heldenhaft, kühn, kämpferisch, unerschrocken“. Wie beruhigend, dass der Genderwahn noch nicht die ganze Sprache verhunzt hat. Gehen wir also mit wohligem Ekel ins nächste Jahr. Stößchen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!