Kolumne Lügenleser: Tödliche Wunschzettel
Von drei Todesfällen, die ich vor einem Jahr an dieser Stelle prophezeit habe, sind zwei eingetreten. Wen soll ich als nächstes sterben lassen?
W eihnachten ist medial gesehen wie das Sommerloch, nur im Winter und mit mehr Alkohol. „Kevin allein zu Haus“, „Der Grinch“ und „Das Wunder von Manhattan“ sind schon abgearbeitet. Der letzte Film war der beste, immerhin wird dort von einem Gericht festgestellt, dass ein verrückter alter Mann, der zu tätlicher Gewalt neigt, tatsächlich der Weihnachtsmann ist. (Hier könnte ein Trump-Vergleich stehen, aber das lassen wir lieber, boooriiing).
Mich macht das merkwürdig glücklich und es gibt mir das Gefühl, dass es nie zu spät ist, einen richtigen Beruf zu erlernen. Oder sich halt selber einen auszudenken. Gewalttätiger Weihnachtsmann. Die Zukunft kann rosig werden.
Die Blutsverwandten sind entweder betrunken oder mit ihren neuen LEGO-Baukästen beschäftigt. Manche auch beides, aber das tut hier nichts zur Sache. Ich roll mich auf die andere Seite, den mit Gänseleberpastete gemästeten Wanst in beiden Händen, jetzt ist es Zeit mal Revue passieren zu lassen.
Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich an dieser Stelle eine Vorschau auf das Jahr 2017 gewagt und eine erstaunlich hohe Trefferquote zustande gebracht, die mich selber etwas erschreckt hat. Von drei prophezeiten Toten, sind zwei nicht mehr unter uns. (Was für eine merkwürdige Redewendung, wo sie doch genau dort sind: unter uns).
Wobei man im Fall von Helmut Kohl auch kein Nostradamus sein musste um das vorauszusehen, der letztjährig von mir 2017 wieder zum Leben erweckte Michael Schuhmacher hat in letzter Zeit mehr Agilität an den Tag gelegt als die Birne aus Oggersheim. Man soll ja nicht schlecht über Tote reden, sagt meine Mutter. Seh' ich ganz anders, das ist doch auch nur eine Fortsetzung der Altersdiskriminierung, gleiches Recht für Alle. Auch Tote können Penner sein und das Ableben sollte nicht vor Kritik schützen. (Passende Beispiele: Charles Manson und Helmut Schmidt).
Jetzt lieg‘ ich also hier und überlege, wen ich dieses Jahr sterben lasse. Das gibt mir ein unglaubliches Machtgefühl, etwas befremdlich zwar, aber dennoch interessant. Es gibt statistisch gesehen eine realistische Chance, dass Menschen sterben, nur weil ich es auf ein Papier bringe. So müssen sich also all die Menschen in hohen Ämtern fühlen, die Schreibtischtäter, die Rio Reiser „Menschenfresser-Menschen“ nannte. Im Hintergrund läuft allerdings Britney Spears.
Ich glaube, ich möchte diese Verantwortung dieses Jahr nicht und übergebe Sie deswegen hiermit an Sie, den Leser. Mordphantasien im Internet sind längst Alltag, jetzt wird es halt noch ein wenig realer. Ich lasse nun einfach ein paar Zeichen frei, da können sie ihren persönlichen Todeskandidaten einfügen:
[ ]
Fertig? Schön. Ich hoffe Sie haben jemanden gewählt, für den es sich auch lohnt, wäre ja schade, wenn man eine derart große Verantwortung für so nervige Elendsgestalten wie Bono, Horst Seehofer oder den Volksbühnen-Henker Chris Dercon verschwendet… Oops, I did it again. Wir hören uns im nächsten Jahr.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott