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Kolumne LiebeserklärungEndlich ohne Newsletter

Martin Kaul
Kolumne
von Martin Kaul

Ich habe ein Kind bekommen und geheiratet, aber diese Verordnung ist das Drittbeste, das mir in den vergangenen Jahren passiert ist.

Weniger Newsletter bedeutet mehr Zeit für Blumen Foto: tom

I ch möchte einfach danke sagen, denn so angenehm war es mir noch nie und ich liebe sie allein dafür: diese Verordnung. Ich meine, ich habe ein Kind gekriegt vor ein paar Jahren und geheiratet neulich, aber vielleicht ist sie das Drittbeste, das mir in den letzten Jahren passiert ist. Es ist ja so, dass seit dem heutigen Freitag die Europäische Datenschutzgrundverordnung, kurz: DSGVO, in Kraft ist und ich weiß das, weil ich – wie Sie sicherlich ebenfalls – seit einigen Tagen nun E-Mails bekomme, die mir mitteilen, aus welchen Newslettern ich nun überall abgemeldet werde, wenn ich nichts unternehme, und ich muss sagen: Ich unternehme nichts.

Man hatte ja schon ganz vergessen, auf welchen Newslettern und auf welchen Verteilern und in welchen Datenbanken man sich seit der Erfindung des Internets so überall angemeldet hat und plötzlich erfährt man es überhaupt einmal wieder und immer heißt es, man möge doch bitte bestätigen, dass man interessiert daran ist, weiterhin all diese Informationen zu bekommen, die es da gibt, und ich bleibe dabei: Ich bin ja gar nicht interessiert daran.

Irgendwie kam es wohl über die Jahre, dass man so allerhand bestellt haben muss und man hat ganz offenbar zu oft vergessen, sich darum zu kümmern, dass sie einen in Ruhe lassen und nun rate mal einer, das kommt noch dazu, wie viele Pressemitteilungen ich täglich kriege, die ich ja alle gar nicht lese.

Das ist bald alles vorbei.

Wie flüchtig doch dieses Menschsein ist, wie fehlerhaft wir doch sind; so vergesslich und nachlässig, dass ich fast möchte, es möge nun jährlich eine Datenschutzgrundverordnung in Kraft treten, so eine staatlich verordnete Saubermacherei. Dieser digitale Sperrmüll, der es ist, bei dem alle Unternehmen ihre Daten aussortieren und wir normalen, geschundenen, wir billig und gerecht denkenden Menschen die Möglichkeit haben, noch einmal von vorn zu beginnen, mit all den süßen Verheißungen, mit all unserem kundigen Wissen, mit all unserer zähen Vorsicht.

So wollen und können wir es nun, nackt und unschuldig, noch einmal von Neuem erobern, das Internet mit all seinen Newslettern, und dafür liebe ich nun wirklich diese Datenschutzgrundverordnung, denn ich bin jetzt vollautomatisch überall abgemeldet und nun hoffe ich nur noch: Dass es so bleibt.

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Martin Kaul
Reporter
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4 Kommentare

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  • Jetzt kriegt Euch wieder ein!

    Das grenzt ja schon an Hofberichterstattung in den letzten Tagen. Mit diesem Bürokratiemonster wurde wieder mal das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Kleinunternehmen und Selbstständige dürfen es jetzt ausbaden.

    Nein, im meinem Leben gab es ein paar mehr erfreulichere Ereignisse als die neue DSGVO.

  • Ich habe spaßhalber gegoogelt. Die neue Datenschutzverordnung hat 11 Kapitel, 99 und Paragraphen und 211 Artikel – allein in den ersten 50 davon. Ich habe schließlich aufgehört zu zählen. Es wurde mir zu mühsam, zu addieren. Wobei einige Artikel bis zu 14 (!) Buchstaben haben und über mehrere Seiten gehen.

     

    Ich schwöre auf Gesetze, ganz bestimmt. Aber mein Fazit ist in diesem Fall: Dieses Gesetz ist einfach unmenschlich. Es ist bestenfalls eine Waffe für das Duell scharfsinniger, hochdekorierter und noch höher bezahlter Spezial-Juristen, die nur die Hälfte davon raffen. Als einfacher Internetnutzer ist man mit diesem Monster total überfordert.

     

    Sein Recht auf Einhaltung dieser Bestimmungen kann man als Nichtjurist wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen. Nicht mal, wenn man zuvor studiert. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass mit dieser Verordnung auch nur einem einzigen User die Möglichkeit gegeben wird, „noch einmal von vorn zu beginnen, mit all den süßen Verheißungen“, kundiges Wissen Wissen und zäheste Vorsicht hin oder her.

     

    Wenn ich mich nicht sehr irre, handelt es sich hier nicht um eine „staatlich verordnete Saubermacherei“, sondern um einen ganz großen (Selbst-)Betrug. Das harmloseste, das jetzt passieren wird, ist, dass großen „Global-Player“ ihre Juristen in die Spur setzen. Die werden schnelstens dafür sorgen, dass jeder demnächst wieder einen Haken setzen muss, wenn der den Dienst fürderhin nutzen will. Und zwar am Ende eines sehr, sehr lange Textes, der voller Klauseln und Bezüge steckt, die man ganz ohne Beistand nicht einmal versteht, geschweige denn vergleichen kann mit dem Gesetz. Die meisten Leute werden dieses Zeug vermutlich wieder nicht mal lesen.

     

    Und nachher? Geht es (fast) weiter wie zuvor. Nur, dass die Großen dann für eine ganze Weile unter sich sein werden. So kann man Konkurrenz auch regeln – und nebenbei den mündigen Bürger im Rechtsstaat zum Gespött machen. Danke dafür? Ne, nicht von mir! Dann lieber noch mal heiraten!

    • @mowgli:

      @Mowgli: Vielleicht erstmal nicht so pessimistisch. Ich wundere mich zwar auch, wieso die EU auf einmal Bürgerrechte durchsetzen will, aber die Reaktionen vor allem von großen US-Firmen zeigen, dass die DSGVO nicht nur heiße Luft sein kann. Facebook hat zufällig zum Datum des Inkrafttretens der DSGVO das Mindestalter für die Nutzung von WhatsApp von 13 auf 16 hochgesetzt. Ab jetzt brauchen die unter-16-Jährigen die Zustimmung von Erwachsenen. Die LA Times ist aus der EU gerade nicht erreichbar. Max Schrems hat pünktlich zum Inkrafttreten der DSGVO Beschwerde gegen Facebook, Google, WhatsApp und Instagram eingelegt. Alle bekommen derzeit Mails, Popups und Banner, in denen versucht wird, Zustimmung zur Zweitverwertung der persönlichen Daten nachzuholen. Einige CDU-Wirtschaftsfuzzis jaulen, man müsste der jetzt kommenden Abmahnwelle Einhalt gebieten. Im Gegenteil, wer sich bisher auf Kosten seiner Nutzer bereichert hat, darf jetzt wieder durch eigene Arbeit glänzen.

       

      Also bei so einem Echo kann ein Gesetz nicht nur Blabla sein. Mal sehen, wann Merkel es wieder marktkonform kastriert.

  • Nein, Sie sind nicht vollautomatisch überall abgemeldet. Nach einem neuen Opt-In fragen nur die Institutionen, die entweder nie einen Opt-In von Ihnen bekommen haben oder die Ihnen den Opt-In unrechtmäßig untergejubelt haben oder die damals nicht ausreichend dokumentiert haben, wann und wie Sie Ihre Zustimmung gegeben haben. Alle, die sich schon früher einigermaßen verantwortungsvoll verhalten haben, werden Ihnen auch weiterhin Newsletter senden. Ob das für Sie okay ist, ist eine andere Frage. Aber Sie sind jedenfalls nicht "vollautomatisch überall" abgemeldet.