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Kolumne LiebeserklärungDanke für die Erinnerung

Der Presserat rügt die „FAZ“ für einen Gastbeitrag zur Ehe für alle. Die Reaktion der Zeitung zeigt den Extremismus der Mitte der Gesellschaft.

Da geht noch was Foto: TOM

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) steht zu dem, was sie sagt – selbst wenn es homophober Dreck ist. Da können sich die Leser*innen beschweren und der Presserat kann eine öffentliche Rüge aussprechen; bei der FAZ weiß man besser als alle anderen, was geht und was nicht.

Zur Erinnerung: Am 30. Juni dieses Jahres wurde im Deutschen Bundestag die Ehe für alle beschlossen; ein lange überfälliger Schritt im Sinne des Kampfs gegen Diskriminierung. Anlässlich dieses Tages hatte der Politikteil der FAZ einen Gastkommentar veröffentlicht. Unter dem Pseudonym „Johannes Gabriel“ und der Überschrift „Wir verraten alles, was wir sind“ schrieb ein bis heute Unbekannter: „Und ist es wirklich so abwegig, was manche Gegner der Homo-Ehe behaupten, dass adoptierte Kinder ungleich stärker der Gefahr sexuellen Missbrauchs ausgeliefert sind, weil die Inzest-Hemmung wegfällt und diese Gefahr bei homosexuellen Paaren besonders hoch sei, weil die sexuelle Outsider-Rolle eine habituelle Freizügigkeit erotischer Binnenverhältnisse ohne alle sexual-ethischen Normen ausgebildet habe?“

Am 15. September sprach der Presserat eine öffentliche Rüge aus. In Form einer rhetorischen Frage stelle der Autor Behauptungen auf, „für die es nach Auffassung des Presserats keinen wissenschaftlichen Beleg gibt“. Diese „entfalten eine diskriminierende Wirkung gegenüber Homosexuellen und stellen einen schweren Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex dar“, so der Presserat.

Die FAZ druckte diese Rüge am vergangenen Wochenende ab und ergänzte: „Sowohl in rechtlicher als auch in presseethischer Hinsicht bewerten wir den Fall anders als der Beschwerdeausschuss“. Es handle sich um Meinungsäußerung. „Soweit sich Leser durch diesen Diskussionsbeitrag angegriffen oder herabgewürdigt fühlen, bedauern wir dies.“ Von der Freiheit, auch kontroversen Meinungen Raum zu geben, werde man weiterhin Gebrauch machen.

Die FAZ meint, für die breite „Mitte der Gesellschaft“ zu schreiben. Und sie glaubt, derart homophobe und verachtungstriefende Texte seien für dieses Publikum angemessen kontroverse Meinungsäußerungen. Danke, FAZ, für die Erinnerung: Wir sind noch nicht am Ziel.

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8 Kommentare

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  • "Wir sind noch nicht am Ziel": Ihr werdet das Ziel, welches auch immer Ihr meint, auch nicht erreichen, denn ich habt's aus den Augen verloren! Aber Ihr könnt die Geschwindigkeit verdoppeln und gucken, ob das hilft!

  • Es gibt viele Worte gür das was die FAZ geschrieben hat:

    Beleidigung, Dennunzierung, Diskriminierung, Demagogie, Herabwürdigung usw. Eine Meinungsäusserung war es nicht.

    Aber das war es auch nicht bei Professor Kutschera, der unsere Kinder als "Befruchtungs Objekte" und uns als "Pädophile Eltern" bezeichnete. Auch das wurde in einem katholischen Online Portal als Wahrheit verkauft.

     

    Solange eine Zeitung dafür genutzt wird ganze Bevölkerungsgruppen zu demagogisieren. Solange wird Diskriminierung als normal betrachtet.

     

    Das nicht nur Erwachsene unter solchen Artikeln leiden müssen, sondern auch Kinder wird hier vollkommen ignoriert. Wenn das deutscher Journalismus ist. Dann gehen bei uns die Uhren rückwärts und wir befinden uns wieder im Jahr 1933.

  • Liebe taz,

    ich teile die Meinung des faz-Artikels keinesfalls. Aber ich halte die Meinungsfreiheit für wichtiger als die Bedenken des Presserats. Wir erlauben uns eine Diskriminierung von Erziehern in Kinderbetreuungseinrichtungen, da ihnen ein größere Nähe zum Kindesmissbrauch unterstellt wird. Dort geht es nicht um irgendeine Meinungsäußerung sondern um handfeste Diskriminierung. Hier rollt ein Autor dagegen eine Vermutung aus, die genausowenig wissenschaftlich bewiesen ist. Ich halte diese für abwegig, denke aber, dass wir solche Meinungen im Diskurs aushalten müssen. Das gilt gerade deshalb, weil wir an anderer Stelle in ähnlicher Weise diskriminieren und diese Diskriminierung wenn dann nur ganz am Rande diskutieren.

    Der Presserat zeigt hier eine Doppelmoral, die sich nach Wendehalsmanier der (glücklicherweise) geänderten politischen Meinung anpasst. Meinungen, die jahrzehntelang in Deutschland als alternativlos und unverrückbar galten - und von der Kirche über Bundespräsident bis zum Bundesverfassungsgericht als unverrückbar galten, sollen nun als undiskutierbar unterdrückt werden. Wir müssen uns mit diesen konservativen Meinungen auseinandersetzen. Wenn wir sie verbieten, kommen sie in der Form der AfD und anderen Gruppen zurück.

  • Bei aller Liebe -

     

    "Danke, FAZ, für die Erinnerung: Wir sind noch nicht am Ziel. "

    Und die FAZ ist noch nicht am Ende. Das "Weg" ist das Ziel. "

     

    Danke. Das ist deutlich.

    Damit nur noch die Klütten im

    Kohlenkeller - Schatten werfen!

  • Wenn vulgäre Herabwürdigung (so gestelzt formuliert sie auch daherkommt) für die FAZ eine zulässige Meinungsäußerung ist - dann ist es sicher eine ebenso zulässige Meinungsäußerung, wenn ich die FAZ als homophobes Drecksblatt bezeichne und darauf verzichte, sie zu kaufen.

  • Nein, wir sind noch nicht am Ziel. Noch lange nicht. Ob wir es erreichen werden?

     

    Alle Gesetze und Regelungen, die gegen den sogenannten "bürgerlichen Mainstream" errungen worden sind, sind nicht mehr als gesellschaftliche Kompromisse, und bedeuten nur, dass ein kleines Stückchen Freiheit eingeräumt wurde und wird. Es wurde damit etwas hochherrschaftlich gewährt. Mehr nicht.

     

    Das Denken und das Reden wurden damit noch nicht verändert. Im Gegenteil, wähnen sich die Mitglieder dieser Mehrheitsgesellschaft "unbeobachtet und unter sich", wird gesprochen als sei nichts geschehen. Die Gesellschaft wurde nicht freier und liberaler, man gibt sich nur so, weil es irgendeinen Zusatznutzen hat.

    • @Der Allgäuer:

      Wenn irgendwann 40% Afd gewählt haben, weil sie wegen ihrer Meinung pauschal verunglimpft wurden, dann habt ihr es geschafft.

      • @schwarzwaldtib:

        Das was da in der FAZ geschrieben wurde, war nicht einfach nur eine Meinungsäußerung - genau deshalb wurde die Zeitung ja auch vom Presserat gerügt. Das war - ironisch, nicht? - eine reine Verunglimpfung. Oder, treffender ausgedrückt: eine gezielte Beleidigung einer bestimmten Menschengruppe.

        Wer so etwas sagt und sich von Widerspruch dann "verunglimpft" fühlt, hat offenbar den Blick für Maß und Verhältnis verloren.