Kolumne Liebeserklärung: Springt, wenn ihr könnt
Hürden sind gut – selbst wenn sie nur drei Prozent hoch sind. Leider sieht das Verfassungsgericht die Sache anders und steht auf schrille Freakshows.
Z ugegebenermaßen sind Hürden von Natur aus anstrengend. Der Hürdenläufer weiß davon ein Lied zu singen und das Springpferd ebenfalls. Immer steht eine im Weg, man verbeult sich schmerzhaft die Schienbeine wie sonst nur nachts betrunken im dunklen Schlafzimmer. Doch zugleich sind Hürden auch sinnvoll. Sie schaffen Anreize und Abenteuer sowie nach erfolgreicher Überwindung Belohnung und Befriedigung für die Fleißigen, Fähigen und Tapferen.
Kein Wunder, dass sich nach Beseitigung der Hürde Sinnkrisen breitmachen. Das Pferd wird depressiv, der Läufer drogensüchtig. Und auch die politische Landschaft dieses Landes dürfte nach dem Kippen der Dreiprozenthürde für die Europawahl in tiefe Agonie verfallen. „Wozu überhaupt noch sachbezogen Wahlkampf führen, wenn dann doch jede Idiotenpartei ins Parlament einzieht?“, mögen sich die Etablierten fragen.
Mit seiner hürdenfeindlichen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht dem Ruf der deutschen Demokratie einen Bärendienst erwiesen. Allein die Vorstellung, wie sich unsere Nachbarn halb wütend, halb belustigt an den Kopf greifen, sobald sie unserer schrillen Freakshow ansichtig werden, treibt einem die Schamesröte ins Gesicht: Exotische Splittergruppen wie die Naturgesetz Partei, die Piraten, die FDP und anderweitige Tree Hugger. Werden die Gründe niemals abreißen, dass man im Urlaub vor lauter Peinlichkeit verleugnen muss, dass man aus Deutschland kommt?
Denn mit den neuen Gründen wühlt sich auch ein alter aus der Hölle hervor und an die Oberfläche: Die NPD mit ihrem Spitzenkandidaten Udo Voigt hat durch den Fall der Hürde fast schon einen Freifahrschein nach Brüssel. Diesmal vorerst mit dem Zug statt mit dem Panzer. Aber was nicht ist … Nur eine hohe Wahlbeteiligung kann das noch verhindern.
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