Kolumne Kreaturen: Wissenswertes über Waschbären
Sie haben einen tollen Tastsinn, leben in Rüdenkoalitionen und wohnen oft in Kassel. Von Harmonielehre verstehen sie hingegen fast gar nichts.
1 . Zur bevorzugten Kost der Waschbären gehören Insekten, Würmer, Obst, Nüsse, Fische und Amphibien. Laut dem Zoologen Samuel Zeveloff zählen sie zu den „omnivorsten Tieren der Welt“. Sie fressen also generell alles, die einzigen Ausnahmen sind Dill, Rapshonig, kleine Partynüsschen und Linsen. Auch Haferbrei nehmen Waschbären nur zu sich, wenn sonst nichts im Haus ist.
2. Menschenmännerbäuche werden oft in Waschbrett- und Waschbärbäuche unterteilt. Waschbären sind darüber nicht sehr glücklich, überspielen ihren Gram aber, indem sie lustige fiepende Geräusche machen.
3. An ihren Händen haben die Waschbären fünf freistehende Finger. Gerüchte der Boulevardpresse, dass sie im Winter deutschen Kleinkindern die Handschuhe stibitzen, sind allerdings völlig haltlos, schließlich besitzen Waschbären keinen opponierbaren Daumen und könnten mit den Handschuhen gar nichts anfangen. In dieser Frage sind die Waschbären seit Jahren in zähen Verhandlungen mit den Koalabären, die pro Pfote über gleich zwei Daumen verfügen.
4. Die Waschbären sind die größten Vertreter der Familie der Kleinbären. Man kann sie also getrost als Großkleinbären bezeichnen, was nicht zu verwechseln ist mit den Ostwestfalen. Die nächsten Verwandten der Waschbären sind die Katzenfrettchen, obwohl es sich bei Kleinbären um Hundeartige handelt. Nach Nordamerika gelangten die Kleinbären einst über die sibirische Landbrücke. Man nennt die dort heute bestehende Meerenge deswegen auch die Beringstraße.
5. Die größte urbane Waschbärpopulation Europas lebt in Kassel. 10.000 Bären sollen es sein, bei der documenta 17 werden sie erstmals einen eigenen Satelliten-Art-Space kuratieren. Gleich um die Ecke, am Edersee, wurden 1934 auch die ersten deutschen Waschbären ausgesetzt, „um die heimische Fauna zu bereichern“. Anders als englische Zeitungen verbreiteten (“Nazi Raccoons“), geschah dies nicht auf Geheiß von Hermann Göring.
6. Waschbären haben hypersensible Vorderpfoten mit einer Hornschicht, die im Wasser aufweicht. Nahezu zwei Drittel der Sinneswahrnehmung-Abteilung im Großhirn kümmert sich um taktile Reize (Rekord!). Zum Ausgleich sind sie farbenblind und haben kein Verständnis für Harmonielehre (Stichwort „Waschbärmusik“).
7. Japan gehört neben dem Kaukasus und Mitteleuropa zu den drei Gebieten, in denen Waschbären außerhalb Nordamerikas vorkommen. Irrtümlicherweise wird oft angenommen, dass auch Super Mario sich in einen Waschbären verwandeln kann. Das entsprechende Kostüm bezieht sich aber auf die Marderhunde, die Tanuki, die in japanischen Märchen häufig verschlagene, reisweintrinkende Genossen sind –gern dargestellt mit sehr ausgeprägten Hoden.
8. Wie Menschen, Affen oder Elefanten leben miteinander verwandte Waschbärweibchen in sogenannten „Fission-fusion societies“. Unverwandte Männchen bilden hingegen kleinere Interessengemeinschaften, die sich „Rüdenkoalitionen“ nennen. Zum Informationsaustausch hinterlassen sie Duftmarken. Smartphones haben sich bisher nicht durchgesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier