Kolumne Jung und dumm: Warum sich nichts mehr ändern wird
Der Anteil jener, die gegen die Klospültaste kacken, dürfte höher sein als derer, die wählen gehen. Verwirrte Gedanken zur Hochschulwahl.
D as weiß ich auch nicht so genau. Vielleicht wegen Stabilität und so. Fragen Sie Verhaltensforscher. Oder weil die Echsenmenschen in Wahrheit doch die Welt beherrschen. Für nähere Infos wenden Sie sich bitte an die staatlichen Zensoren, die auch diesen Text hier abnehmen (wenn ich nicht zu oft die Wahrheit schreibe).
Gerade ist Hochschulwahl an meiner Uni, der Goethe-Universität Frankfurt – die eigentlich genauso gut Kermit-University heißen könnte (wegen Catchiness), sich so anfühlt, als wäre sie gerne eine private „Businessschool“ (am zentralen Punkt steht die Statue „Body of Knowledge“, gestiftet von Johanna Quandt), und ihren Hauptcampus dort hat, wo einst die Zentralverwaltung der größten Chemiefirma der Nazis saß, der I.G. Farben, und daher besser nach Norbert Wollheim benannt sein sollte: dem ersten Zwangsarbeiter, der mit seiner Klage auf Entschädigung Erfolg hatte. Goethe kennen halt mehr Leute.
Der Anteil jener, die gegen die Klospültaste kacken (Meta-Ekel!), dürfte höher sein als der derer, die wählen gehen. Der „Wahlkampf“ ist eine Parade aus Klassensprechern. Nur konsequent eigentlich, wo doch alles, haben wir ja brav gelernt, immer „verschulter“ wird.
Natürlich gibt es darin grenzdebile Forderungen wie die nach mehr Parkplätzen (wahrscheinlich weil vor den privaten Wohnheimen solcher Menschen Muttis und Vatis Karren schon alles belegen, wofür man ihnen eine Extraportion der eigenen Traurigkeit schenken würde, wären sie denn nur empfindsam genug). Die linken Listen wollen derweil diffus mehr Wohnraum und beschränken sich ansonsten auf die Schaffung oder Sicherung studentisch verwalteter Räume sowie nur von Eingeweihten gelesene Trotzbotschaften.
Alle klagen über die Bologna-Reformen, die Kritik an ihnen ist in weiten Teilen Common Sense – aber niemand tut etwas. Das System hat gesiegt. Der Protest ist abgeräumt, weggeschachtelt, stumm geworden. Noch nicht mal vor so langer Zeit. Und jetzt?
Während ich phlegmatisch auf dem Bett sitze, sehne ich mich nach Veränderung. Vielleicht ist ja da schon der Fehler. Mit jeder Jugendstudie rutschen ihre Teilnehmer tiefer in die Smartphonesucht – aber welches Medium bleibt ansonsten, um das auszudrücken? Internet killed activism. Oder ist „feiern“ neuerdings politisch? Ich will schlafen und in einer Traumwelt leben.
Protest wogegen überhaupt? Das neue Album von Bushido? Die „hr2-Morningshow“? Kleine Kinder in der Mensa? Die Bundeswehr? Bürokratische Verwaltungswelten, die sich jeden Fortschritt (zum Beispiel Gendern) aneignen und innerhalb ihrer Strukturen von seinem ursprünglichen Zweck entfremden: der Machtkritik? Soziale Ungerechtigkeit? Wer ist das und wo wohnt sie? Kann man ein Praktikum da machen? Was wird man damit später? Oder ist das alles übertrieben? Was genau? Und wer sagt das? Warum hat Spiegel Online eine eigene Dschungelcamp-Kolumnistin? Was ist Heumilchkäse? Woher kommt der ganze Hass?
Ich habe übrigens ungültig gewählt. Der Umschlag ging nicht zu. Mein Kleber war alle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!