piwik no script img

Kolumne Ich meld michFröhliches Geleit

Mit der Bahn von Rumänien nach Budapest – und niemand versteht dich. Wie eine nette Schaffnerin die Situation rettete.

Schalterbeamtin auf der Suche nach einer Lösung. Foto: Foto: imago/bonn-sequenz

E s war drei Uhr nachts, als ich in Simiria ankam. Den ganzen Tag hatte ich in Zügen und mit Warten verbracht: Von Bulgarien über die Donau nach Rumänien. Calafat. Craiova. Die letzte Bahn war wegen eines heftigen Gewitters auf offener Strecke stehengeblieben. Mein Anschluss nach Budapest war weg, der sorgfältig ausgeklügelte Fahrplan hinfällig.

Auf dem Bahnsteig drängten sich Hunderte. Nirgendwo ein Plakat mit Ankünften oder Abfahrten. Keine Durchsage. Keine elektronische Anzeigentafel. Lediglich ein Kästchen mit hölzernen Steckziffern, ähnlich denen, die in Kirchen die Choräle ankündigen, zeigte Uhrzeiten, aber keine Ziele. Kein Mensch verstand mich, ich verstand niemand.

Dann entdeckte ich am anderen Ende des Bahnsteigs hinter einem kleinen Schalter eine Dame in Uniform. Ich erklärte mit Händen und Füßen, was passiert war, und fragte nach Verbindungen. Sie ließ meinen heftigen Wortschwall über sich ergehen, überschüttete mich ihrerseits mit einer verbalen Kaskade, wir redeten und brüllten aufeinander ein, sie schüttelte den Kopf und blickte ratlos in die Luft. Schließlich nahm sie ein Stück Papier, kritzelte ein paar Worte darauf, knallte einen Stempel dazu und schob es mir hinüber. Dann hieß sie mich streng, zu warten.

Eine halbe Stunde später fuhr ein Zug ein. Sie bedeutete mir einzusteigen und dem Schaffner ihren Schrieb zu präsentieren. Ich tat es. Er sah mich an, mit einer Mischung aus Neugier und Amüsement. Im Morgengrauen, beim nächsten Stopp in Dewa, schob er mich aus dem Waggon und übergab mich mit ein paar Worten einem Kollegen auf dem Bahnsteig. Der grinste, führte mich aber tatsächlich zum nächsten Zug, und Ähnliches passierte dann in Curtici noch einmal. Am Vormittag war ich schließlich endlich in Budapest angekommen.

Zu Hause zeigte ich einer rumänischen Bekannten meine „Bescheinigung“ aus Simiria. „Omul acesta este un pic pe lângă“, las sie und grinste. „Vă rog să fiți cumsecade. – „Der Mann steht ein bisschen neben sich“, heißt das. „Bitte seien Sie nett zu ihm!“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Nette Geschichte! Die Damen am Bahnschalter in Dresden würden das vermutlich leider nicht machen und einige von denen sprechen auch kein Englisch!

     

    Aber muss da auf dem Zettel nicht auch noch was zum Reiseverlauf und dem Ziel drauf gestanden haben?