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Kolumne Hier spricht BrasilienAlles ist falsch?

Kolumne
von Lucia Cliente

Nicht nur die WM-Organisation ist schräg, sondern das ganze Fortschrittsmodell Brasiliens. Deshalb begehren die Menschen auf.

Mehr Ordem als Progresso. Bild: dpa

A lles ist falsch!“ Der Satz stand auf einem Graffito einer Brasilien-Fahne im Norden von Rio. Er ersetzte die offizielle Inschrift „Ordem e Progresso“ (Ordnung/Befehl und Fortschritt). So etwas kam im Land des Fußballs früher nicht vor: eine heftige Kritik der Weltmeisterschaft.

Die Art und Weise, wie diese WM im Land umgesetzt wird, scheint wirklich falsch. Aber ist nicht „alles“ falsch? Ist nicht auch ein Fortschritt falsch, der die Wünsche der Bevölkerung nicht berücksichtigt? Ein Fortschritt, der qua Befehl durchgesetzt wird? Der Befehl, zu schweigen, zu akzeptieren, zu vertreiben, zu säubern, der Befehl, die Ordnung aufrechtzuerhalten.

Alle Welt schaut auf Brasilien. Ein guter Anlass, eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Aufrechterhaltung der Macht in unserer Demokratie zum Ausbruch zu bringen. Familien werden für Parkplätze aus ihren Häusern geräumt, Grundrechte negiert, öffentlicher Raum wird privatisiert. #EswirdkeineWMgeben! (#NãovaiterCopa!)

Luiza Cliente

Die Autorin, 29, ist Fotografin und Aktivistin.

Wo ist denn die Demokratie, wenn wir gar nicht gefragt wurden? Immer mehr Leute fordern echte und direkte Teilhabe an den politischen Entscheidungen. Der Missmut über die Mechanismen der repräsentativen Demokratie wird immer deutlicher.

Graffitis zieren die für Touristen geschminkte Stadt. Es sind Stimmen derjenigen, die die Verletzung ihrer Rechte nicht mehr nur hinnehmen wollen. Wenn befohlen wird, zu schweigen, wird auf der Straße reagiert, denn wir wollen mitmachen und Politik gestalten. #EswirdkeineWMgeben, denn die Stadt gehört nicht der Fifa. Die Stadt ist, was wir aus ihr machen.

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4 Kommentare

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  • "...wir wollen mitmachen und Politik gestalten..."

    Ja und - was wollt ihr denn?

    Wollt ihr den Mindestlohn wieder abschaffen?

    Und Bolsa Familia einstampfen?

    Und den Ausbau der Infrastruktur in den Favelas stoppen?

    Und wieder billige Hausangestellte bekommen?

    Also - was genau wollt ihr?

    • @Bernado:

      Da schau her! Jetzt ist die Bankenbonzen-und Agrobusiness-PT doch noch internationalistisch & grassroots geworden. Mit deutschschreibenden Spinn-Doktoren. (Zwei "n".)

      • @Ardaga:

        "Bonzen" der PT? Resultiert dieser Hass nur daraus, das ihr selbst nicht die Bonzen sein? Ihr möchtet die Elite sein, nicht wahr? Wie schön, das ihr es nicht seid.

        http://www.dw.de/overlay_media/brasilien-30-jahre-demokratiebewegung/g-17262557

        • @Bernado:

          Na ja, da hast Du aber schon recht. Wie schön, dass wir (Majestätsplural? – keine Sorge ich bin nur ein Mensch – für den ich sprechen kann), also ich, keine Elite sind. Denn „Eliten“ wollen wir, pardon: ich, ja auf die Erinnerung qua Geschichtsbücher beschränken. Und weil uns/mir „Eliten“ so überflüssig und unverdaulich sind, haben wir uns ja auch abgewendet. Von den Wendehälsen, die erst gegen Korruption geschrien haben und für Landreform, und seit dem ersten An-der-Macht-Tag in den Spontanalzheimer und unemanzipatorischen Stimmenkaufassistenzialismus verfallen sind. (Hier stimmt das „wir“, denn dazu gehören Heloisa Helena, Cristovam Buarque, Marina Silva, usw., und auch ALLE meine FreundInnen, die vor +12 Jahren genauso dumm wie ich gewesen sind, und der PT den Steigbügel gehalten haben, rauf zur Machtelite und also in den Korruptions- und Selbstbereicherungsolymp, Seite an Seite mit den zuvor so „bekämpften Rechtsoligarchen“...)

          Was uns, pardon: mich, nun wirklich (an Dir) interessiert, mein lieber B., ist, ob wir mit unsren 1,7 Billionen Steuergeldern auch Trolle wie Dich mitbezahlen? Nebst DEINER PT. Die, Geisterdämmerung sei Dank, schon lang nimmer unsere (Plural) ist.

          PS: Von welchem „Hass“ sprichst Du eigentlich? Ist Kritik Hass in Deinem Weltbild? Das ist Grund zu Sorge.