Kolumne Halleluja: Er schaut hin, wenns schlüpfrig wird
Augen zu und durch: In dieser Kolumne geht es um Katholiken und Sex.
A b und zu muss man die katholische Kirche in Schutz nehmen. Nicht vor sich selbst, das wäre weder machbar noch wünschenswert. Aber vor allzu unfairer Polemik.
Denn was kürzlich für Fremdscham und Schadenfreude in der spanischsprachigen Facebook-Community sorgte, stimmt so ganz sicher nicht: Francisco Javier Martínez, Erzbischof von Granada, habe Frauen versichert, sie könnten ihre Ehemänner ohne moralische Bedenken oral befriedigen – solange sie dabei an Jesus dächten.
Dass das nur ein böser Witz ist, zeigt schon die unwahre Behauptung, der fromme Mann habe dies in seinem Ratgeber „Heirate und unterwerfe dich“ geäußert. Wobei sich da doch der wahre Kern herausschält. Denn dieses „Cásate y sé sumisa“ gibt es wirklich. Martínez’ Diözesanverlag hat das Buch veröffentlicht.
Das Werk, das spanischen und italienischen Buchhändlern angeblich aus den Händen gerissen wird, stammt von der italienischen Journalistin Costanza Miriano (im Original „Sposati e sii sottomessa“) und beinhaltet zwar keine Fellatio am Herrn, aber jede Menge sexistischer Kackscheiße, um es mal in zeitgemäßer Diktion auszudrücken.
Kranke Fantasien
Die 43-jährige vierfache Mutter, die angeblich nicht dem Opus Dei angehört („aber viele meiner Freunde“, schreibt sie in ihrem Blog), rät Frauen, ihre kranken Selbstbestimmungsfantasien über Bord zu werfen und sich freudig für ihren Mann aufzuopfern. Schon weil es in der Bibel steht: „Ihr Frauen“, schreibt Paulus den Ephesern, „ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn, denn der Mann ist das Haupt der Frau wie auch Christus das Haupt der Kirche.“
Bei Miriano wird es etwas konkreter: „Du bist keine erfahrene Köchin und keine perfekte Hausfrau. Wo ist das Problem, wenn er es dir sagt? Sag du ihm, dass er recht hat – und dass du lernen wirst.“ Oder: „Ein Mann kann einer Frau nicht widerstehen, die seine Autorität anerkennt und sich lieber auf die Zunge beißt, als ihm zu widersprechen.“
Natürlich gibt’s auch Wissenswertes über das Untenrum: „Der Bruch der Verbindung zwischen geschlechtlicher Liebe und Kindergebären hat den Sex zu einer traurigen und feigen Angelegenheit gemacht“, schreibt die Autorin. Und wir schlagen mal den Bogen zu Rainer Maria Woelki.
Denn auch Berlins Kardinal hat über Sex gesprochen. In einem Interview mit der FAS über den berühmten vatikanischen Fragebogen erklärt er, nicht wegzusehen, wenn’s schlüpfrig wird im Kino (Aber: „Man kann auch gute Filme machen ohne Sexszenen“), sucht gleichwohl das Unaussprechliche wortreich zu bemänteln („Das gegenseitige Sichschenken als Dimension menschlicher Sexualität gehört unserer Glaubensüberzeugung nach im Letzten in die sakramentale Ehe hinein“) und instrumentalisiert gar den Feminismus („Es kann doch für eine Frau nicht gut sein, durch die ’Pille‘ immer und zu jeder Zeit für den Mann ’verfügbar‘ zu sein, da gibt es ja sogar Zustimmung aus der Frauenbewegung“).
Der Abkehr heutiger Lehrpläne von alten Normen – Stichwort Baden-Württemberg – will Woelki in der Schule selbst entgegenarbeiten. „Und wenn es nicht im Religionsunterricht geschieht, müssen wir eben andere Orte finden.“ Letzteres geht ja in Ordnung – dies ist ein freies Land. Aber als Berliner muss man sich immer wieder von neuem glücklich schätzen, dass „Pro Reli“ seinerzeit so grandios vor die Wand gefahren ist.
Denn auch wenn sich heute niemand im Ernst vorstellen kann, dass das Erzbistum Berlin ein Buch wie „Heirate und unterwerfe dich“ herausbringt: Es ist ein und derselbe Verein. Das sollte man nicht vergessen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Frauenfeindlichkeit
Vor dem Familiengericht sind nicht alle gleich