Kolumne Geht’s noch?: Hoppla, die Mafia ist da
Verhaftungen, Tonnen von Kokain und Millionen in bar: Die Anti-Mafia-Operation „Pollino“ war ein Erfolg – und zeichnet ein beunruhigendes Bild.
M afias liefern die für High-Performer unverzichtbare Drogen; sie entsorgen Müll zu Preisen, die „der Markt nicht hergibt“; sie renovieren Altstädte, die vom realen Sozialismus oder Neoliberalismus dem Verrotten preisgegeben wurden; sie haben Waffen und sogenannte Markenprodukte für jedermann im Portfolio und werden – wie jüngst ein Überwachungsvideo der italienischen Polizei dokumentierte – sogar gebeten, die Tochter zu protegieren, die nun mal unbedingt Staatsanwältin werden wolle.
Kurzum: In einer Welt, in der Menschen, die sich Parteispenden bar in Briefumschlägen rüberschieben lassen, trotzdem noch das zweithöchste Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland bekleiden können – in so einer bürgerlichen Welt, ist das organisierte Verbrechen kein Fremdkörper, sondern gehört, wie schmuddelig auch immer, zur Familie.
Wenn sich nach der durchaus erfolgreichen Anti-Mafia-Operation „Pollino“ nun die europäischen Polizeien dafür loben, dass sie endlich genauso globalisiert vorgehen, wie in diesem Fall die aus Kalabrien stammende Mafia-Organisation ’Ndrangheta, dann sei ihnen das gegönnt. Dass es der italienischen Polizei gelungen ist, einen Kronzeugen zu gewinnen aus dem bislang sogar in Schaubildern des BKA schwer nachzuvollziehenden Verwandtschaftsgeflecht der ’Ndrangheta, ist ebenfalls bemerkenswert.
Nicht zu übersehen ist dabei freilich, dass die Mafia schon wieder einen Schritt weiter ist: Einer, der hierzulande, wo das Böse immer von draußen reinkommt, den meisten Leitmedien vor lauter Kokainbeschlagnahme-Begeisterung erst mal entging: Es habe „Durchstecherei“ gegeben, hieß es am Mittwoch auf der Pressekonferenz zu „Pollino“.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Und am nächsten Tag wurde die zuständige Duisburger Staatsanwaltschaft konkret: Zwei Polizisten, eine Regierungsbeschäftigte der Polizei, eine Mitarbeiterin der Stadt Wesseling und eine ehemalige Mitarbeiterin der Stadt Duisburg sollen Informationen an mutmaßliche Mafiosi weitergegeben haben. Das wird man dann wohl unsere Mafia nennen dürfen.
Die klassischen Analysen machen das Entstehen von Mafias am Zusammenbruch staatlicher Strukturen fest, siehe Süditalien oder Sowjetunion. Dann wäre das sicherste Mittel gegen mafiöse Unterwanderung nicht zuletzt ein Staat, der öffentliche Angelegenheiten nicht dem Markt überlässt: Ein starker Staat – gerne dann auch, was die Ausstattung der Polizei angeht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance