Kolumne Geht’s noch?: Supernation Germania
Wann darf man Geld ausgeben? Nie! Bundesfinanzminister Scholz spart wie ein schwäbischer Sparkassenvorsteher.
B ürger der Exportweltmeister-Nation, atmet auf. Die schwarze Null ist gesichert. Die seit Jahren gehegte bürgerliche Angst vor dem sozialdemokratischen Verteilungswahn war unbegründet. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bekennt sich in seinem Haushaltentwurf (ein halbes Dutzend Mal) zu dem Ziel, keine neuen Schulden aufzunehmen – um künftig mehr „Spielräume“ zu haben.
Spätestens seit der Agenda 2010 wissen wir ja, dass die hohen Staatsschulden von unseren Kindern in einigen Jahrzehnten in chinesischen Stahlwerken abarbeitet werden müssen. Zwar fällt in deren Schulen vielleicht im Moment der Putz von der Decke und der eigene Hund kann mancherorts aus der Schlaglochpfütze vor dem Haus nicht nur trinken, sondern auch darin baden – aber wenigstens steht der fiskalischen Gesundung der Supernation Germania nichts im Weg.
Mit Obama-esker Rhetorik („Ich erlaube mir, Ihnen einmal dieses Schaubild hochzuhalten“) präsentiert der hanseatische Sparschwein-Politiker am Mittwoch das Diagramm der bundesdeutschen Schuldenkurve – und die zeigt so deutlich und dauerhaft nach unten wie die Umfragewerte der SPD.
Scholz steht für das altbekannte Dogma der SPD-Spitze: Der Wähler honoriere maß- und verantwortungsvolle Regierungspolitik. Das schließt Hippie-Ideen natürlich aus – wie zum Beispiel die Umverteilung zwischen Arm und Reich (nach unten) und eine Sozialpolitik, die diesen Namen verdient.
Agenda-Fan
Da kann man schon mal die Investitionen um ein paar Milliarden Euro jährlich zurückfahren. Um die maroden öffentlichen Einrichtungen, die baufälligen Brücken und den öffentlichen Nahverkehr können sich ja die komplett entschuldeten Nachfolgegenerationen kümmern.
Dass der Agenda-Fan aus Hamburg (#spderneuern) keinen Euro locker machen würde, um Hartz-IV-Betroffenen ein paar Erleichterungen zu gewähren, darf als gesetzt gelten. Aber der Straßenbau? Scheint auch egal.
Zum 200. Geburtstag des großen Ökonomen, Denkrevolutionärs und Genussmenschen: Eine Sonderausgabe zu Karl Marx, mit 12 Seiten – in der taz am wochenende vom 5./6.Mai 2018. Außerdem: Vor einem Jahr zog "En Marche" ins französische Parlament ein. Die Partei wollte Bürger stärker an der repräsentativen Demokratie beteiligen. Haben die Partei und Emmanuel Macron ihr Versprechen erfüllt? Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Da haben die Sozialdemokraten den richtigen Mann ins Amt gehievt. Fantasiefrei, kalt, visionslos. Einer, der immer nur fragt, „wie“ – und nie „warum“. Die personifizierte Sekundärtugend, die immer nur im geistigen Korsett der vermeintlichen Notwendigkeiten denkt, ohne zu verstehen, dass er die „Alternativlosigkeit“ selbst erzeugt.
Auf dass uns der Putz weiter auf den Kopf fallen möge und bald nicht nur Wuffi, sondern auch Herrchen und Frauchen in der Schlaglochpfütze baden können.
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