Kolumne Geht’s noch: Leo Fischer ist tot
Leo Fischer hat für das Zeit Magazin getwittert. Der Zugang wurde schnell gekappt, nachdem er den Tod von Mehmet Scholl eilmeldete.
L eo Fischer, ehemaliger Chefredakteur der Titanic, Kolumnist für die linksextremistischen Kampfblätter Neues Deutschland und Jungle World, Erika-Steinbach-Darsteller und als solcher Bundestagskandidat der Partei Die Partei hat einen seltsamen; einen sogenannten Humor. Am Donnerstag teilte er der überraschten Öffentlichkeit mit, dass erstens Mehmet Scholl tot sei und insinuierte zweitens, dass die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngyang Ziel eines Atomschlags wurde.
Das wäre nicht weiter schlimm oder bemerkenswert, nur war Fischer grad der Gastkolumnist des Twitteraccounts des Zeit-Magazins und meldete von dort aus Tod und Verderben. Empörte Beschwerden von Followern des Accounts verbreiteten sich eilig, darunter eine des Journalisten (Quelle: Wikipedia) und Chefredakteurs von bild.de Julian Reichelt, der kollegial auf den Mißbrauch des Kommunikationskanals hinwies („Die Zeit scheint von ähnlicher Selbstzerstörungs-Sehnsucht getrieben wie Kim Jong-Un.“).
Die Nachlässigkeit in der Beachtung journalistischer Standards wurde vom Zeit-Magazin flugs eingesehen, ein Tweet gelöscht (Das Ableben Scholls) und auf einen weiteren freundlichen Hinweis Reichelts („Der ist noch nicht gelöscht“) auch der zweite (Atomkrieg). Pur und Helene Fischer (nicht verwandt) konnten ihren „Tribute to Mehmet“ fürs Erste wieder in der Schublade verschwinden lassen und Supermärkte zeigten sich kulant bei der Rücknahme in Panik gekaufter Konserven (Pfirsich, Pressfleisch u.a.).
Nur einer wollte keine Einsicht zeigen: Leo Fischer. In wahrscheinlich witzig gemeinter Gehässigkeit äußerte er via Twitter (diesmal von seinem eigenen Account, das Zeit-Magazin hatte ihm seinen Ehrentitel als Gastkolumnist bereits entzogen): „Bin etwas bestürzt, daß die Online-Politik der Zeit offenbar im Springerhochhaus gemacht wird.“
Was Leo „G.“ Fischer dabei entgangen zu sein scheint, ist die Tatsache, dass, (ja, so wird das geschrieben, nicht mit ß!), dass also Journalismus ewigen ethischen Grundsätzen unterliegt. Deren gemeinsame Verteidigung ist die vornehmste Aufgabe aller seriösen Qualitätsmedien, ob sie nun im Springerhochhaus oder beispielsweise in der Dutschkestraße sitzen.
Und da, wo auch immer die Redaktion des Zeit-Magazins zu finden ist, wird man sicher darüber meditieren, was für ein furchtbarer Fehler das Engagement Fischers war und in Dankbarkeit an den Kollegen Reichelt und die aufmerksamen Leser denken, die uns alle vor Schlimmerem bewahrt haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja