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Kolumne Geht's nochDie unzulängliche Frau

Sonja Vogel
Kolumne
von Sonja Vogel

Ein Gynäkologie-Professor fordert bezahlten Menstruationsurlaub. Klingt nett. Doch der Ausschluss menstruierender Frauen hat Tradition.

Menstruieren ist nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu. Bild: imago/blickwinkel

E ine brillante Idee hatte der britische Professor Gedis Grudzinskas auf dem „Festival of Ideas“ der Cambridge University: den bezahlten Menstruationsurlaub. Drei freie Tage sollen Frauen demnach jeden Monat zustehen. Ganz schön nett oder?

Diese Idee knüpft allerdings nahtlos an eine jahrhundertealte Tradition an, nach der menstruierende Frauen aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Symbolisch ging es hier um den generellen Ausschluss – denn Frauen, die ja wegen ihrer Gebärfähigkeit als Frauen galten, menstruierten ja.

Entsprechend regulier(t)en Religionen die Rolle der Frau durch Menstruationsvorschriften; im Christentum und Judentum etwa gelten Menstruierende als unrein und von gemeinschaftsstiftenden Ritualen ausgeschlossen. In vielen Stammesgemeinschaften gibt es noch immer abgeschiedene Menstruationshütten.

Heute aber braucht es einen Gynäkologieprofessor, der diese Tradition als ambitionierte, angeblich neue Idee aufleben lässt. Und er liefert damit den Beleg, dass Frauen in der Lohnarbeitswelt auch weiter symbolisch – wenn man sich die Zahl der Frauen in einflussreichen Positionen anschaut auch real – Steine in den Weg gelegt werden.

Erstaunlich ist allerdings, dass sich so viele Frauen in den sozialen Netzwerken für den Urlaub qua Frausein begeistern konnten. Klar, in der Öffentlichkeit ist das Menstruieren immer noch mit einem Tabu belegt. Schön, wenn sich das ändern würde.

Die Forderung nach einem Menstruationsurlaub allerdings verändert die Debatte um Gleichberechtigung radikal. Statt die ausstehende Lohngleichheit durchzusetzen oder die Bezahlung von Care-Arbeit, wird den Frauen ein Trostpflaster angeboten – das sie aus Furcht vor den Nachteilen ohnehin nicht in Anspruch nehmen würden.

Zunächst ist so etwas wie ein Freitzeitäquivalent für den Pay Gap nett. Aber angesichts dieser traditionsreichen Geschichte von der Besonderheit, also der „Unzulänglichkeit“ der Frau in der Arbeitswelt?

Nein, danke.

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Sonja Vogel
tazzwei-Redakteurin
Vollzeitautorin und Teilzeitverlegerin, Gender- und Osteuropawissenschaftlerin.
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17 Kommentare

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  • "Mens-Urlaub.." = Urlaub vom Mann?

    • @lichtgestalt:

      Men ist schon plural... also wenn dann men's urlaub und dann heißt es Männerurlaub, also Urlaub für Männer.

      • @Kleopatros:

        Ja , sehn'se, da haben die Männer dann nicht unter den menstruierenden Frauen zu leiden und die menstruierenden Frauen können sich zurückziehen in ihr Innerstes und Kraft schöpfen für sich. Von nix kommt nix, net wahr?

    • @lichtgestalt:

      Seh schon, sie haben's verstanden. War sicher nicht nur ein Freudscher ;-)

  • Es entspräche der Menstruationsurlaub nicht dem Bild der modernen Frau, die in ihrer Leistungsfähigkeit und Wertschöpfung dem Mann 1:1 entspricht.

  • "... in der Öffentlichkeit ist das Menstruieren immer noch mit einem Tabu belegt." Das kann ich nicht feststellen. Schließlich gibt es zum Beispiel zur besten Sendezeit Werbung für entsprechende Hygieneartikel. Warum sollte man sich über so etwas Alltägliches/Allmonatliches wie die Regel unterhalten? Über ´s Zähne putzen oder Rasieren unterhalte ich mich mit meinen Kumpels nun auch äußerst selten.

    • @Christian_72:

      Mögliche Unpässlichkeiten beim Zähneputzen sind wohl nicht sooo gravierend.

      • @lichtgestalt:

        Nö. Sind se nich. Punktum.

  • Schon der Titel wieder: typisch taz. Unzulängliche Frau, ja, wenn Sie das so sehen Frau Vogel. Ich kann allein dem letzten Satz was abgewinnen. Es sollte kein Trostpflaster sein und ich fände es gut, wenn es die drei Tage Mens-Urlaub zusätzlich zur Entlohnung von wie auch immer gearteter Care-Arbeit und Lohngerechtigkeit gäbe. Geht für mich O.K. Habe sehr starke Schmerzen - übermäßigen Blutverlust und könnte/konnte während der Zeit teilweise ohnehin nicht arbeiten. Vielleicht zählen Sie ja zu den glücklichen, denen die Regel nix ausmacht. Dem Quatsch mit kulturell-religiös fundierter Ausgrenzung wg. Unreinheit könnte frau auch entgegenstellen, dass es in vielen Kulturen (hauptsächl. in Afrika) eine von den Frauen gewollte Zeit des Rückzugs ist, diese dauert sogar mst. noch länger als drei Tage. Sie haben auch vergessen, zu erwähnen, dass es in vielen asiatischen Ländern gang und gäbe ist. Bloß bei uns muss die Frau immer funktionieren und darf bloß nicht für den Arbeitsprozeß ausfallen. Ein Umdenken ist schon lang mal nötig. Witzigerweise kommen Frauen anscheinend selbst nicht auf so eine Idee, nein, sie orientieren sich ja am liebsten, v.a. die durchgegenderten, an der Männerwelt. Herrschender patriarchaler Diskurs kann ich da nur konstatieren.

    • @Florence:

      Frauen haben in Deutschland schon einen Menstruationsurlaub! Jede Frau kann einfach wenn sie ihre Tage hat zum Arzt gehen und sagen ich habe Bauchschmerzen (menstruationsbedingt) und bekommt eine Krankschreibung. Ist doch besser als jeder Frau dafür Urlaub zu geben ob sie nun schmerzen hat oder nicht. So ein Schwachsinn.

    • @Florence:

      "... entgegenstellen, dass es in vielen Kulturen (hauptsächl. in Afrika) eine von den Frauen gewollte Zeit des Rückzugs ist, diese dauert sogar mst. noch länger als drei Tage. Sie haben auch vergessen, zu erwähnen, dass es in vielen asiatischen Ländern gang und gäbe ist. Bloß bei uns muss die Frau..."

       

      Nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik produziert in der hochkapitalisierten Landwirtschaft e i n e Arbeitskraft Nahrungsmittel für ca 130 Menschen . Tja , und dann war es afrikanischen authochtonen Gesellschaften immer schon möglich , Frauen (die auch weitgehend die Feldarbeit verrichteten) für die Dauer der Menstruation "freizustellen" . Der Unterschied zu unserer "Hochkultur" des Kapitalismus :

      W i r leben , um zu arbeiten .

      • @APOKALYPTIKER:

        Gefahr erkannt - Gefahr gebannt. Genau, wir leben um zu arbeiten. Lebst Du schon oder arbeitest Du noch?

  • Frau/Mann muss sich fragen wieso im Zeitraum der bekannten Zivilisationsgeschichte- angefangen bei Platon- das Rationale Vernunftdenken des männlichen,

    als wichtiger, oder als `höher´ akzeptiert wird..

    .. als die Natur der `Ästhetischen Gefühlsvernunft´ des Weiblichen, mit sexueller Erotik und dem Mutter sein, und der nahezu unendlichen Liebe, Arbeit und Sorge für das hilflose Neugeborene und dessen Kindheit...

    Ist schon seltsam..

    Könnte eventuell irgend steinzeitlich- archaische Männer/Vater Rolle als Versorger oder Beschützer der Frau/Mutterrollen in der Familie, im Haushalt als Ursache dieser Hierarchie ( die wie ein ungeschriebenes `Naturgesetz´ die Zivilisationsgeschichte beherrscht) erkannt werden?

    Diese historische Struktur vom Mann (Herr) und Frau (Diener) ist zumindest im Prozess der Dialektik der Aufklärung, im Lichte von Kunst und Wissenschafts/Technologie seit Kant/Baumgarten/Hegel/Marx ...

    durch Ideen sozialer Emanzipation, soziale Gleichberechtigung der Geschlechter im Staate des modernen Denkens sehr entkräftet und verbleibt eigentlich als eine Spielart postmoderner Kultur...

    Jedoch..? Das historisch steinzeitliche hierarchische Denkmodell, in den Rollen von Identitätsgebung für Mann und Frau, wird oftmals durch Angst vor Identitätsverlust durch die Freiheiten der Aufklärung/Emanzipation, im Namen religiöser Tradition etc. sozial lebendig, als Art `common rule´ erhalten.

    Speziell die sozialpolitische Praxis der herrschenden Ideologie neoliberalen Ökonomismus zeigt sich als männlich rational/ökonomisch im z.B. Arbeitsmarkt, in Bildungskultur, als sehr steinzeitlich.

    Die Natur der Frau, bestimmt durch Ästhetische Vernunft der Liebe und Sorge und Solidarität des menschlichen Geborenwerdens... als Identitätsgebend/legitimierend für den rationalökonomischen Männerwahn der Konsumgesellschaft..

    wird `rational verarbeitet´, verdrängt, neutralisiert, eingefroren-

    und verschwindet..

    • @vergessene Liebe:

      bei aller (vergessenen) Liebe: bitte nochmal schreiben und diesmal verständlich formulieren. Danke. :-)

      • @Wer Smith:

        upps.. sorry... ich leide offensichtlich etwas unter `geisteswissenschaftlicher Berufskrankeit´..

        Kurzfassung: Frauen sind nicht `Unzulänglich´! Sie ticken nur anders..

        Die Welt historischer rationalökonomischer MännerMachtIdeologien ist dabei, sich selber abzuschaffen, kann sich nur erhalten wenn Wünsche und Bedarf der Frauen anerkannt werden und befolgt werden....

        • 1G
          12294 (Profil gelöscht)
          @vergessene Liebe:

          Frauen ticken anders… hm, ist das nicht sexistisch?

    • @vergessene Liebe:

      Sonja Vogels Text zitiert Stimmen der steinzeitlichen MännerMachtWelt..

      Die genannten weiblichen `Unzulänglichkeiten´ der Frauen im ökonomischrationalen Kontext des steinzeitlichen Männerwahns ..

      wodurch viele Frauen im Dilemma `rationaler Selbstkonditionierung´ zugunsten einer Karriere in der Männerwelt enden, Krankheit und Unfruchtbarkeit erfahren (durch Anpassung..)

      Diese `Unzulänglichkeiten´ der Frauen sind eigentlich die Stärke der Frauen!

      Die auf Weitsicht, dem Männerwahn des rationalen Ökonomismus von Industrie, Konsum und weltzerstörendem Wachstum und dummen Kriegergehabe des steinzeitlichen..

      ..die bisherige Legitimation durch Liebe und sexuelle Akzeptanz versagt...

      Denn: MännerIdeologie von Macht und Herrschaft verpufft ins NICHTS, wenn deren Legitimation durch Liebe der Frauen versagt ist... Soiffz*