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Kolumne Fremd und befremdlichDer falsche Stolz

Kolumne
von Katrin Seddig

Dumm ist es, auf die eigene Herkunft stolz zu sein, ebenso, wie es dumm ist, Menschen wegen ihrer Herkunft lächerlich zu machen.

Astra-Werbung in Hamburg: Für wen ist sie lustig? Foto: Joto

I ch war im Urlaub in Brandenburg, und trotz der Hitze war es dort sehr schön. Ich habe jeden Tag in einem türkisblauen See gebadet und liebe Menschen getroffen. Kurz bevor ich dorthin fuhr, habe ich gelesen, dass es in Brandenburg sehr rassistisch sei, ganz allgemein, und tendenziell mag es stimmen. Ich habe keine Statistiken studiert. Während ich dort war, musste ich immer wieder daran denken, was andere Leute, Leute, die zum Beispiel in Hamburg leben, über die Menschen in Brandenburg, oder im Osten allgemein, denken.

Ich wohne ja selber seit über 25 Jahren in Hamburg und denke manchmal selber ein bisschen so, als käme auch ich nicht aus diesem Brandenburg, das die meiste Zeit, in der ich dort wohnte, gar nicht Brandenburg, sondern Bezirk Frankfurt/O. hieß.

Ich traf dort also verschiedene liebe Menschen, die moralisch absolut integer sind, die sich mutig gegen Rassismus und jede andere Art von Ungerechtigkeit stellen, und ich schämte mich ein wenig. Wenn man Menschen nicht aufgrund ihrer Haltung, sondern aufgrund ihrer Herkunft pauschal verurteilt, dann ist das ja wohl Rassismus. Im Übrigen treffe ich auf diese Art von Rassismus auch bei Linken, die irgendwie „die Schnauze voll haben“ und deshalb, der Einfachheit halber, zum Pauschalisieren neigen, wenn es um den Osten geht.

Ich kam also nach Hamburg zurück und stieß in den sozialen Netzwerken auf die Diskussion um die Astra-Werbung, wo ein infantil grinsender Inder im Seejungfrauenkostüm einen Rosenverkäufer mit mangelnden Deutschkenntnissen nachäfft. Lustig. Und ich stand an der Bushaltestelle und dachte über diese ganzen Sachen nach. Und über Stolz.

Wie soll sich ein indisches Kind fühlen, wenn es diesen infantil grinsenden Inder im Seejungfrauenkostüm sieht?
Bild: Lou Probsthayn
Katrin Seddig

Katrin Seddig ist Schrift-stellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Das Dorf“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

Stolz ist ein heißes Eisen, danach verlangt es besonders den Rechten, aber auch den strammen Muslimen, alle Arten von Extremisten haben richtig viel Bock auf Stolz, aber auch ich halte Stolz für nicht unwichtig. Aber den richtigen Stolz. Den, der mit der Würde verwandt ist.

Den Stolz auf die eigene Arbeit, den Stolz auf das eigene Menschsein, auf seine Klugheit, Güte, den Stolz, der uns am Ende demütig macht, weil wir dankbar sind, denn beruhen alle diese Leistungen und Fähigkeiten auch auf einem Geschenk, auf dem Geschenk der richtigen Geburt, der Gesundheit, dem Leben in einer demokratischen Gesellschaft, dem Zugang zu Bildung und einem öffentlichen Gesundheitswesen. Wir können unsere Möglichkeiten nutzen. Unsere Kinder haben Chancen. Und das ist wichtig, damit sie zu Menschen mit Rückgrat heranwachsen können.

Dumm ist es, auf die eigene Herkunft stolz zu sein, ebenso, wie es dumm ist, Menschen wegen ihrer Herkunft lächerlich zu machen. Es ist gemein, falsch und gefährlich, die Ostmenschen lächerlich zu machen, wie ich es in letzter Zeit verstärkt wahrnehme, weil sie aus dem Osten kommen. Die lesen das, die hören das, und was passiert dann? Wie sollen die sich fühlen? Wie sollen deren Kinder sich fühlen, wenn man sie verurteilt, bevor sie überhaupt eine Chance hatten, sich moralisch zu verhalten?

Menschen sind empfindlich, wenn man sie abwertet

Menschen, besonders heranwachsende, sind sehr empfindlich, wenn man sich über sie lustig macht, wenn man sie abwertet, wenn man sie mit Klischees belegt, nur weil sie aus einem Ort stammen, aus einer Region. Wie soll sich ein indischer Junge fühlen, ein indisches Mädchen, wenn sie diesen infantil grinsenden Inder im Seejungfrauenkostüm sehen? Stolz? Ist es lustig? Für wen? Für junge Inder? Ist es lustig, ein rassistisches Klischee zu bedienen, Stereotype zu bedienen? Ha, ha. Ich lache müde. Inder laufen nun mal rum und sagen „Wolle Rose kaufen.“ So sind Inder nun mal, oder nicht? Und Brandenburger sind nun mal Nazis.

Und weil es so schön einfach ist: Deutsche sind wie Hitler. Deutsche fangen Kriege an, die sie verlieren. Deutsche tragen Lederhosen. Deutsche Frauen haben stramme Dekolletés. Deutsche Männer essen viele Würste. Deutsche können keinen Sex. Deutsche können keinen Humor. Lustig. Sehr lustig. Ich lach mich tot.

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8 Kommentare

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  • Stolz kann man auf seine eigene Leistung sein, aber Heimat... das hat nichts mit der eigenen Leistung zu tun.

    Sie kann schön oder hässlich sein, vieles an ihr lässt sich aus verschiedenen subjektiven Blickwinkeln betrachten... aber jegliche Art von Patriotismus kam mir schon immer falsch vor.

    Denn das ist eine Art von Stolz, bei der jegliche Zweifel wegfallen. Bei dem einer nur noch Blind und mit Phrasen im Maul herum läuft, um all das zu verdecken, was dem Bild schaden könnte.

    Wenn doch der Stolz auf das eigene Land wenigstens so ehrlich wäre, der abertausenden Leute zu gedenken, die aus unterschiedlichsten Ländern stammend zum eigenen Wohlstand beigetragen haben. (ob sie nun wollten oder nicht, ja selbst dort kann man doch nicht uneingeschränkt glücklich sein)...

  • Volkers & Karl mit VogelV ern Mund…

    “Dummheit & Stolz - wachsen auf demselben Holz.“

    “Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.“

    unterm——-empfehle —



    Kino: „Drachenfutter“ von Jan Schütte



    :



    Richtig falsch



    Von Harry Rowohlt



    Aus der Zeit Nr 7/1988

    Drachenfutter" hießen früher die Blumen, die man in der Kneipe kaufte, um die Frau daheim zu beruhigen und die Nudelrolle zu polstern. Heute, da die Drachen ungeniert mit in den Kneipen sitzen, beruhigt man das eigene nagende Gewissen, wenn man einem Asylanten fünf Treibhausrosen abkauft.

    Vor zwei Jahren hat Jan Schütte einen fünfzehn-minütigen Dokumentarfilm über asylsuchende Blumenverkäufer gedreht, und weil er fand, daß das noch nicht genug war, reicht er jetzt diesen Spielfilm nach. Dabei hat er gründlich nachgedacht und keine authentisch "betroffenen" Laiendarsteller genommen, sondern Schauspieler, und zwar gute, denn die gibt es ja hie und da.



    Bhasker zum Beispiel (der pakistanische Blumenverkäufer) ist ein Inder aus Uganda, der in London Theater spielt; Buddy Uzzaman (sein Freund) ist ein aus 300 indischen und pakistanischen Filmen berühmter Star-Komiker; Ric Young (der chinesische Kellner) kommt uns allen bekannt vor, weil er in "Indiana Jones" und im "Letzten Kaiser" wirkte, und Ulrich Wildgruber steht am Herd und meckert. Es ist eine Wonne.

    Ko-Autor Thomas Strittmatter hat nicht etwa Sätze in falschen Deutsch hingeschrieben, die dann Ausländer, die richtiges Deutsch können, falsch aufsagen müssen, und zwar falsch falsch, sondern über das renommierte Besetzungsbüro "The Casting Company" von Debbie Williams in London ließ man sich Ausländer vermitteln, die erst noch ein bißchen Deutsch lernen mußten, woraufhin sie dann ihren Text richtig falsch sprechen konnten.

    ff Liggers. Versprochen

    • @Lowandorder:

      ff hier

      Bhasker zum Beispiel (der pakistanische Blumenverkäufer) ist ein Inder aus Uganda, der in London Theater spielt; Buddy Uzzaman (sein Freund) ist ein aus 300 indischen und pakistanischen Filmen berühmter Star-Komiker; Ric Young (der chinesische Kellner) kommt uns allen bekannt vor, weil er in "Indiana Jones" und im "Letzten Kaiser" wirkte, und Ulrich Wildgruber steht am Herd und meckert. Es ist eine Wonne.

      Ko-Autor Thomas Strittmatter hat nicht etwa Sätze in falschen Deutsch hingeschrieben, die dann Ausländer, die richtiges Deutsch können, falsch aufsagen müssen, und zwar falsch falsch, sondern über das renommierte Besetzungsbüro "The Casting Company" von Debbie Williams in London ließ man sich Ausländer vermitteln, die erst noch ein bißchen Deutsch lernen mußten, woraufhin sie dann ihren Text richtig falsch sprechen konnten.

      Außer richtigem falschen und richtigem richtigen Deutsch wird noch urdu, mandarin, swahili, sanskrit, gujarati und sonstwas gesprochen, und auf die Frage von Monika (Ulrike Purschke): "Wo kommt ihr eigentlich her?" antworten die beiden Pakistani: "Aus Klein-Flottbek." So kommt es doch noch ein bißchen herum in der Welt, mein kleines Hamburg.

      Der Film endet natürlich traurig, aber er macht einen froh: Endlich ein gelungener deutscher Film, nicht zu lang und nicht zu laut, unauffällig aber gut. Wie die Nummer 29 beim Chinesen (Won-Ton-Suppe). Harry Rowohlt

  • Der Duden listet eine Menge Synonyme zu "Stolz" auf. Der erste Punkt beschreibt berechtigten Stolz, der zweite falschen Stolz, und dazu gehört definitiv der Stolz auf Herkunft:

    1.ℹ



    Ehre, Ehrgefühl, Selbstachtung, Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, Selbstvertrauen, Sicherheit, Wertgefühl, Würde; (Psychologie) Selbstwertgefühl

    2. Anmaßung, Einbildung, Selbstverliebtheit, Überheblichkeit; (gehoben) Selbstgewissheit, Siegesgewissheit, Vermessenheit; (abwertend) Arroganz, Blasiertheit, Dünkel, Eingebildetheit, Eitelkeit, Selbstgefälligkeit, Selbstherrlichkeit; (umgangssprachlich abwertend) Aufgeblasenheit

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Den Stolz auf die eigene Arbeit, den Stolz auf das eigene Menschsein, auf seine Klugheit, Güte, den Stolz, der uns am Ende demütig macht, weil wir dankbar sind, denn beruhen alle diese Leistungen und Fähigkeiten auch auf einem Geschenk, auf dem Geschenk der richtigen Geburt, der Gesundheit, dem Leben in einer demokratischen Gesellschaft, dem Zugang zu Bildung und einem öffentlichen Gesundheitswesen."

    Ich versuche, nur die Demut zu sehen, weil ich weiß, dass ich das, was ich geworden bin, nicht mir selbst verdanke. Zwar habe ich mich in vieler Hinsicht bemüht (z.T. auch außerordentlich) und im landläufigen Sinn einen gewissen Erfolg damit gehabt, aber dass mir das möglich war, hat sicher mit dem Elternhaus, dem Leben in einer friedlichen Gesellschaft und der Freiheit und dem Wohlstand zu tun, in dem ich aufgewachsen bin.

    Zum Erfolg braucht es stets jemandem oder etwas, der oder das einem die Steigbügel hält. Leider vergessen das viele Menschen, wenn sie fest oben im Sattel sitzen und auf andere herabschauen (können). Eben deshalb ist mir Stolz zuwider. Ich sähe nämlich nicht, wo er nicht das Sosein oder die Leistungen anderer in Gedanken, Worten oder Taten herabsetzte.

    Wenn meine Kinder vorankommen in Beruf oder Studium, interessieren mich nicht die Noten oder das Geld, sondern das, was sie für ihr Leben gelernt haben. Und wenn ich merke, dass sie das trägt und aufbaut, freue ich mich für sie (und besonders, wenn sie von Vater oder Mutter abweichen) und bin ein wenig glücklich, empfinde aber keinen Stolz in dem Sinne, dass sie das meiner Fraun und mir zu verdanken haben. Wir haben sie schließlich nur in die Welt gesetzt und sie - mit unseren Prägungen und Sedimenten befrachtet - so gut als möglich zu erziehen versucht. Da kann man dann wirklich demütig und dankbar sein, wenn sie ihren Weg gehen und ihnen die Zurichtung durch uns erspart geblieben ist.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Zitat: „Zum Erfolg braucht es stets jemandem oder etwas, der oder das einem die Steigbügel hält. Leider vergessen das viele Menschen, wenn sie fest oben im Sattel sitzen und auf andere herabschauen (können). Eben deshalb ist mir Stolz zuwider. Ich sähe nämlich nicht, wo er nicht das Sosein oder die Leistungen anderer in Gedanken, Worten oder Taten herabsetzte.“

      Dass Sie nicht sehen können, ist sehr schade, finde ich. Versuchen Sie doch einfach mal, die Augen aufzumachen und dabei die Hände vorm Gesicht wegzunehmen.

      Mag ja sein, dass es zum Erfolg „Steigbügelhalter“ braucht. Zugleich aber braucht es immer auch die Entscheidung, aufzusteigen. Wer eine Chance kriegt, muss sie nutzen, sonst ist die größte Chance nichts wert. Die, die ihm die Chan gegeben haben, haben sich dann ganz umsonst bemüht.

      Nein, man kann nicht stolz sein, wenn man die Energie andere Menschen einfach verschwendet. Man braucht allerdings einen gewissen Stolz, um es nicht zu tun. Man muss sich etwas zutrauen, muss an sich glauben, um im richtigen Moment richtig zu entscheiden und richtig zu handeln. Wenn man das schafft, dann darf man nicht nur dankbar sein, sondern auch stolz auf sich selber. Und diese Art Stolz kann dann eine richtige Positivspirale auslösen.

      Andere herabzusetzen braucht man deswegen noch lange nicht. Die Fähigkeit, Chancen zu erkennen und zu verwerten, ist schließlich auch nur ein Geschenk. Eins, das man sich nur zur Hälfte selbst machen kann. Zur anderen Hälfte muss es einem gemacht werden von anderen Menschen. Selbstvertrauen kommt schließlich nicht ganz von allein. Es wächst aus dem Vertrauen, das einem von anderen Menschen entgegengebracht wird.

      Probieren Sie den „Trick“ ruhig mal aus. Sie werden sehen, dass er funktioniert. Das tut es nämlich immer und überall. „Die Deutschen“ haben das bloß bisher nicht gerafft aus lauter (nicht ganz unbegründeter) Angst vor dem, was sie angeblich sind. Gehört schon Mut dazu, stolz sein zu wollen. In einem guten Sinne, meine ich.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        Ich nehme an, Sie meinen nicht wirklich etwas anderes als ich, halten aber an dem Wort Stolz fest.

        Wie ist das denn mit dem Sichetwaszutrauen? Ist das nicht eine Charaktersache? Oder ist es anerzogen? Ich habe mir stets etwas zugetraut und mir ist das, was ich mir zugetraut habe, fast immer gelungen. Daraus erwächst natürlich noch mehr Zutrauen in das eigene Vermögen. Aber warum sollte das nun Stolz zeitigen. Ich war immer so, ich kenne es ja nicht anders. Was wäre also mein Verdienst an meinem Zutrauen mir selbst gegenüber? Und Verdienst muss es doch irgend sein, wenn man etwas mit Stolz betrachtet, oder?

        Die Fähigkeit, Chancen zu erkennen und zu verwerten, sei ein Geschenk, schreiben Sie. Ja, und diese Fähigkeit kann man sich vielleicht ein wenig antrainieren, aber bei den meisten fruchtet das nichts oder nicht viel. Wenn ich nun diese Fähigkeit habe, muss ich deshalb nicht schlecht von anderen denken oder mich erhaben fühlen. Ich behaupte aber, dass das die meisten tun, die aufgrund gewisser Vorzüge nach "oben" gelangt sind und nun komod auf die herabschauen (können), die sie qua Intellekt oder Integrität sehr oft keineswegs überragen.