piwik no script img

Kolumne Fremd und befremdlichSüchtig nach Plastik

Kolumne
von Katrin Seddig

Mikroplastik ist überall im Wasser. Warum darf in Kosmetik überhaupt Kunststoff enthalten sein? Und müssen Babys wirklich in Plastik baden?

Braucht kaum Verpackung: Seife Foto: dpa

M ikroplastik soll im Hamburger Wasser sein. Das kommt vom Duschen, zum Beispiel. In manchen Duschgels sind kleine Kügelchen drin, Plastikkügelchen, die sollen anscheinend irgendwie die Haut sauberer machen. Ich habe mal nachgeforscht, wo noch Mikroplastik drin ist. In Peelingprodukten, in Make-up und Puder, in Lidschatten, in Shampoo, in Sonnencreme, sogar im Babybad! Überall kann man Plastik finden. In Handwaschlotions, in Lipgloss, in Bodylotion. Es ist nicht in allen Produkten, aber schon in einigen. Wenn man wissen will, wo sowas drin ist, dann muss man sich informieren, es steht nicht direkt auf den Produkten vorn drauf.

Warum ist Kunststoff in Kosmetikprodukten? Warum ist es erlaubt, dass das da drin ist? Warum ist Plastik in Pflegeprodukten erlaubt? Warum soll jemand ein Baby in Kunststoff-Substanzen baden? Warum nimmt er nicht lieber eine Seife? Warum nehmen die Leute überhaupt nicht einfach ein Stück Seife, wenn sie sich waschen wollen? Einfach nur ein Stück Seife? Ich wasche mich mit Seife, und Seife, das kann ich mal sagen, ist die beste Erfindung, wenn es um das Waschen geht, überhaupt.

Ein Stück Seife braucht so gut wie keine Verpackung. Man kann es in ein Stück Papier tun. Ich tue das. Ich kaufe Seife, die in gar nichts verpackt ist. Sie reicht, das kann ich allen versichern, zum Waschen vollkommen aus. Wenn sie alle ist, dann braucht man gar nichts mehr wegschmeißen. Eine Seife braucht sich einfach auf. Sie enthält auch keine Plastikkügelchen. Wer übrigens hartnäckigen Schmutz zu entfernen hat, der benutze doch eine Bürste. Bürsten sind auch ganz hervorragende Erfindungen und reinigen besser als winzige Plastikkügelchen. Und für ganz hartnäckige Stellen gibt es den Bimsstein.

Flüssigseife: widerlich!

Seife ist eines der Dinge, die man durch sehr viel schlechtere Dinge ersetzt hat. Duschgel braucht kein Mensch. Das hat man uns bloß eingeredet. Flüssige Seife ist das widerlichste, was es gibt. Ich kann es nicht leiden. Wenn ich mir so ein Zeug in die Hände drücken muss, dann fühlt sich das an, als ob mir jemand in die Hand wichst. Neuerdings gibt es ja auch Seife für die Haare. Ich habe mir sogar ein Stück gekauft, weil ich verreisen wollte und ich dachte, da ist es doch praktisch, wenn ich einzig nur ein solches Stück Seife für die Reise mitnehmen muss. Damit kann ich mir die Hände waschen, den Körper und sogar die Haare.

Leider habe ich diese Seife im Hotelzimmer liegen lassen. Es war ein etwas merkwürdiges Haargefühl, zugegeben. Aber ich werde das Experiment fortsetzen. Ein Stück Seife macht übrigens auch gar keine Probleme am Flughafen. Es gibt gar keine Seifenbeschränkung, weil eine Seife keine Flüssigkeit ist.

Ich glaube, es ist eine Verschwörung der Industrie, dass Dinge, die nicht verpackt sein müssen, wie zum Beispiel Seife, so verändert werden, dass man sie doch verpacken kann oder sogar muss. Denn das Verpacken ist eine große Sucht dieser Gesellschaft, es ist eine Verpackungsgesellschaft. Wenn ich manchmal in einen Supermarkt gehe, um mir etwas zu essen zu kaufen, dann kann ich mir unverpackt eigentlich nur eine Banane kaufen.

Warum soll jemand ein Baby in Kunststoff-Substanzen baden?

Es gibt sonst natürlich alles. Es gibt Sushi und Sandwiches und sogar Salate, die alle in genau passenden Plastikschalen angeboten werden. Und diese Lebensmittel, die in diesem Plastik sind, die werden dann zum Feierabend geschreddert in den Kompost getan.

Wer soll sich auch die Mühe machen und die Lebensmittel von all dem Plastik trennen? Bis zu 12.200 Tonnen Plastik landen jährlich, wie die Neue Osnabrücker Zeitung berichtete, durch Komposterde auf den Äckern. Plastik, das prophezeie ich, wird irgendwann die Substanz dieser Erde sein. Wenn sie irgendwann auf diesem Planeten landen, die Außerirdischen, wenn wir lange nicht mehr sind, dann werden sie eine Welt vorfinden, die aus Plastik ist, deren Erde aus Plastik ist, deren Luft von Plastik durchsetzt ist, und alles wird rosa und hellblau sein, türkis und pfirsichfarben, und es wird duften wie Meeresbrise, Vanille, Limette und Kokos.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Schriftstellerin
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    An meine Haut und Haare kommt nur Wasser und Savon du M***.

    Duftnote Agrumes, und die Frauen können nicht mehr nein sagen.

    Im 12er Karton gekauft gibt's auch noch Rabatt.

     

    Danke für Ihre mehr als sinnvolle Polemik, Frau Seddig.

  • Kleiner Tipp fürs Wäsche-Waschen:

    Efeu (ganzjährig) oder Kastanien (im Herbst) funktionieren super und garantiert ohne Mikroplastik, Verpackungsmüll usw.

  • Ich habe fast 30 Jahre Dueschgel verwendet, da mir nicht bewusst war, dass man Seife nehmen kann. Irgendwann auf einem Markt hatte ich gefallen an einem Stück Seife gefunden und festgestellt: man braucht nicht mehr. Die Seife vom MArkt habe ich nicht vertragen, nach etwas Suchen habe ich eine gefunden, mit der ich gut klarkomme. Sie ist verpackt. Aber der Müll geht im Verhältnis zum Duschgel gegen null. Und das Schlimmste an der ganzen Sache: Mit Seife ist man beim Duschen sogar schneller, weil man nicht 3x das Zeug rausholen muss, bis der Körper eingeseift ist. Ich verstehe (mittlerweile) auch nicht (mehr), warum es Duschgel gibt. Ich gehe aber davon aus, dass der Gewinn deutlich höher ist, da der Hauptbestandteil Wasser sein dürfte.

  • Mikroplastik ist nicht nur in EINIGEN Produkten, sondern in fast allen konventionellen Dusch- und Badelotionen, Flüssigseifen, Handcremes, Schaumfestiger und sonstigen (teils überflüssigen) Körperpflegeprodukten.

    Auch in den Produkten des hochgelobten Drogeriekonzerns "dm", der auf seiner homepage "Nachhaltigkeit" suggeriert, ist fast überall Mikroplastik drin!

     

    Zum Haare waschen kann pulverisierte Lavaerde (Rhassoul) benutzt werden. Damit kann man sich unbedenklich sogar im See die Haare waschen. Danach braucht man keinen Conditioner, weil die Haare nicht aufquellen, sondern ihre natürliche Struktur erhalten bleibt.

    Zum Hände waschen gibt es diese wunderbaren "Drehseifen" (Savon Rotatif). Die klebt und matscht auch nicht in der Seifenablage.

    Zum Duschen hängt man sich so eine Seife, die aussieht wie ein großes Ei, an eine Kordel in die Dusche.

     

    Ich empfehle einen Besuch des Hamburger Seifenkontors im Grindelviertel - dort gibt es u.a. die Rotationsseifen - Beispielbild: https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/41U4StetlAL.jpg

    Diese und fast alle Seifen dort sind aus natürlichen Zutaten handgemacht.

  • Ich weiß auch nicht, warum die Menschen Plastikseife oder Quetschfrüchte oder Wegwerfbecher oder, oder, oder kaufen.

    Ich weiß auch nicht, warum Mikroplastik in der EU nicht verboten ist, in den USA ist es das.

  • Es ist wirklich ganz einfach, auf ziemlich viel Plastik zu verzichten. Dies gilt sowohl für Einkaufstaschen (mitnehmen) als auch für Getränke in Einweggefäßen (auch mitnehmen, vom Kaffeebecher bis zur Getränkeflasche). Die Baustelle Kosmetik lässt sich durch das berühmte Seifenstück erfolgreich beackern (für die Haare zusammen mit Apfelessig). Für Peelings eignet sich Kaffeesatz, die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Damit verbannt man Einwegplastik leider nicht völlig aus seinem Leben, aber doch zu einem größeren Teil.

     

    Leider verhindert auch und gerade die Industrie eine erfolgreiche politische Strategie gegen den Plastikwahnsinn, ob die Verpackungshersteller oder die Kosmetikfirmen, die sich vorbehalten, selbst zu definieren, was Mikroplastik eigentlich sei (haha, selten so gelacht ...). Da hilft nur die Abstimmung mit den Füßen von unten - indem immer mehr Leute auf Alternativen zurückgreifen und den Plastikscheiß einfach im Geschäft liegen lassen.

  • Scheissplastik, ich benutze auch das Stück Seife zur Körperhygiene, und zum Fleckentfernen Gallseife, auch im Stück. Zum Haareglänzendmachen Apfelessig.