piwik no script img

Kolumne FernsehenDie Schlampe und die Bierbel

Jürn Kruse
Kolumne
von Jürn Kruse

Bankrotte Laiendarsteller, Promi-Wrestling und nervige Kinder. Die Fernsehzukunft im „Titelschutz-Anzeiger“ sieht hervorragend aus.

Mehr davon: Markus Lanz (unten) beim spontanen Wrestling. Dolle Show! Bild: dapd

B evor am Samstag das Sams zurückkommt, kommt am Mittwoch …? Genau: Der Titelschutz Anzeiger, „Deutschlands führendes Spezialmedium für Titelschutz“. Mit dessen Hilfe kann ich mir schon jetzt ausmalen, was die Sender in mehr oder weniger ferner Zukunft vorhaben.

Mal ist kaum Fantasie gefragt: Wenn sich die Sat.1 SatellitenFernsehen GmbH beispielsweise die Titel „Kallwass greift ein!“ und „Hilfe, ich bin pleite! Letzte Rettung Pfandhaus“ in allen Schreibweisen, Darstellungsformen und Wortverbindungen gesichert hat, weiß ich, dass erstens „Zwei bei Kallwass“ einen neuen Namen bekommen hat, der es den MacherInnen fortan erlaubt, mehr als zwei Laiendarsteller pro Folge auszubeuten, und dass zweitens der Unterföhringer Supersender noch ein paar Scripted Reality-Opfer gefunden hat, die so tun müssen, als könne ihnen selbst der Zwegat nicht mehr helfen – und die zum Pfandhaus-Onkel dackeln, um ihre 5.000-Euro-Handyrechnung begleichen zu können.

Auch was das Sat.1-Schwesterprogramm Kabel eins vorhat, wenn es sich den Namen „RRUMMS – Die Experimente-Show“ einverleibt, bedarf keiner Befragung des Fernsehorakels.

Bild: privat
JÜRN KRUSE

ist Medienredakteur der taz.

Spannender wird’s da schon, wer wohl bei „Das große Promiwrestling“ in den Ring steigt, dessen Namensrechte sich Rechtsanwalt Prof. Dr. R. Ingerl für eine Mandatin (RTL? ProSieben?) gesichert hat. Vielleicht Markus Lanz, der hat doch letztens ganz spontan bei „Wetten, dass..?“ mit einem Kandidaten gewrestelt. Und huch, welch Zufall, lagen auf der Bühne Matten parat. Lanz könnte gegen Gottschalk …

Die Welt ist voller Rätsel

Aber zurück zum Titelschutz Anzeiger. Der gibt nämlich in der aktuellen Ausgabe auch preis, dass sich die Rechtsanwälte Altstötter & Spängler aus Nürnberg im Namen eines Dritten die Namensrechte an „175 Rätsel“, „Rätsel Perle“, „Rätsel Perlen“, „Kreuzwort Perle“, „ Kreuzwort Perlen“, „RätselSpiele“, „Kreuzwort Express“, „Kreuzwort Rätsel Spaß & Spannung“, „Rätsel Knobelei“ und „Bester Ratespaß“ gesichert hat. Ich hab lange gerätselt, aber ich schätze, dass deren Mandant irgendein Magazin mit Rätseln plant. Vielleicht mit 175 davon in einem Heft, oder so. Aber ich weiß es natürlich nicht.

Für wen der Rechtsanwalt und Notar Michael Braun den Titel „Kinder machen die lustigsten Sachen“ hat schützen lassen, weiß ich auch nicht genau, habe aber eine Vermutung: Für die Produktionsfirma ITV, die schon im vergangenen Jahr „Tiere machen die lustigsten Sachen“ bei RTL 2 auf Sendung schickte – mit Moderator Ross Antony. Was vielleicht auch erklärt, warum Rechtsanwalt Braun parallel die Namensrechte an „Die Schlampe“ schützen ließ.

Zwei Titel für Veröffentlichungen, die ich mir keinesfalls entgehen lassen werde, sicherten sich der Sportzeuchverlag und die Lodigkeit Rechtsanwälte: „Die Bierbel“ (die Luther-Bibel nach Warsteiner?) und „Das aufregende Leben einer ’Tuppertante‘“ (Veronica Ferres?).

Am aktuellsten zeigte sich Anwalt Detlef Büscher. Er ließ Anfang Januar für einen Mandanten die „Insolvenzzeitung“ unter Schutz stellen. So muss ein neuer Printtitel heute heißen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!