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Kolumne FernsehenDer Marijke-Amado-Chor

Jürn Kruse
Kolumne
von Jürn Kruse

Wenn das Quartal vorbei ist, jubeln die Fernsehsender über ihre Quoten. ZDF, RTL, ARD, DMAX, Sat.1 Gold - alle fühlen sich als Sieger.

Jubel überall: Die Quoten sind da! Bild: dpa

K ennen Sie Marijke Amado noch? Das war die blonde Holländerin mit der Zauberkugel, durch die die vielen kleinen Kinder geschubst wurden, die dann als Michael Jackson oder Madonna auftraten, um sich anschließend von Jurymitglied DJ Bobo das immer gleiche Lob abzuholen, dass sich Madonna und Michael Jackson nun aber ganz warm anziehen müssten. Alle Kinder meiner Generation träumten davon, einmal in der „Mini Playback Show“ auftreten zu dürfen. Heute sind die meisten froh, dass ihre Eltern ihnen das verboten haben.

Marijke Amado jedenfalls sang am Ende jeder Folge: „Alle waren Sieger, auch wenn einer nur gewinnen kann.“ Die Chefs der deutschen Fernsehsender singen das Lied am Ende jedes Quartals. Man muss sich die Damen und Herren wohl so vorstellen wie die Kinder mit ihren gewonnenen Casio-Keyboards, nur dass die Programmverantwortlichen wild mit den Quotenpapieren wedeln und lauthals in den Marijke-Amado-Chor einstimmen. Aber die Passage, dass nur einer gewinnen könne, die lassen sie weg. Die ist 90er. Heute sind alle Sieger und Gewinner.

„ZDF auch im März Marktführer“, jubelte beispielsweise zu Beginn dieser Woche der ganze Lerchenberg. Doch nicht nur im März war das Zweite unverschämt gut dabei: „2013 bleibt das ZDF nach dem 1. Quartal mit 13,4 Prozent Marktanteil beliebtester Sender.“

privat
JÜRN KRUSE

ist Medienredakteur der taz.

Auch so mancher Männersender kommt beim Grillen der Quoten-Steaks in Wallung: „Rekordmarktanteil: 1,7 Prozent – DMAX mit dem besten Monat aller Zeiten!“ Alle waren Sieger!

Die Kernzielgruppe: 49- bis 64-jährige Frauen

Sogar Sender, die von den Fernsehzuschauern eher unterschwellig wahrgenommen werden, brüllten am Dienstag überschwellig: „Spitzenwert: Sat.1 Gold holt 1,5 Prozent Tagesmarktanteil!“ Ist das geil! Gut, den „Spitzenwert“ erreichte der Sender nur in der „Kernzielgruppe der 49- bis 64-jährigen Frauen“, aber trotzdem: Es war ein klasse Montag, den uns Sat.1 Gold mit den Wiederholungen von „Der Mustervater“, „Der Mustervater 2“, „Die Jäger des Ostsee-Schatzes“ und den Wiederholungen der Wiederholungen von „Der Mustervater“, „Der Mustervater 2“ und „Die Jäger des Ostsee-Schatzes“ bot.

Da will die ARD natürlich mit anstoßen. Hoch die Tassen auf „25,6 % Marktanteil für die Fernsehprogramme der ARD“! So tönte es, als der März gelaufen war, aus der Presseabteilung – und am wichtigsten: „Die vier meistgesehenen Sendungen des vergangenen Monats liefen im Ersten“. Auch bei den Landesrundfunkanstalten nur Sieger und Polonäsen mit Anfassen.

Und wo Polonäsen sind, da sind die Kölner natürlich nicht weit: „RTL ist im März klarer Marktführer bei den 14- bis 59-jährigen Zuschauern“, lässt der Peter-Kloeppel-Sender verlautbaren. Das Schönste daran ist, dass sich RTL die Zielgruppe der 14- bis 59-Jährigen gerade erst selbst ausgedacht hat. Nachdem sich der Sender in Person seines ehemaligen Chefs Dieter Thoma zuvor die „werberelevante Zielgruppe“ der 14- bis 49-Jährigen selbst ausgedacht hatte.

So wird RTL immer ein Sieger bleiben – und alle anderen gewinnen auch. Darauf einen Genever, Frau Amado!

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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2 Kommentare

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  • R
    Redvines

    Ach ja, lieber hubertradio, die ganzen Arte- und 3Sat-Seher! Sind das nicht die gleichen Leute, die schon seit Jahren keinen Fernseher mehr haben?

     

    Arte, 3 Sat, Eurosport, Sky wird übrigens alles gemessen - im gleichen Panel wie ARD, ZDF und die ganzen anderen "Großen".

     

    Noch nie war es so leicht wie heute, an Fakten zu gelangen. Man muss nicht von "einschlägigen Ermittlungstechniken faseln". Googeln hilft...

  • H
    hubertradio

    Die heutzutage ständig herbeizitierten Quoten sind

    längst überholungsbedürftig und geben nur ein Zerrbild der Wirklichkeit zu erkennen.Ich kenne nicht wenige Tage, an denen stehen die Antennen meiner Nachbarschaft und der Freunde am Abend voll auf.3-sat, oder auf arte. Nicht selten sogar auf Eurosport.Werden in Statistiken nicht erwähnt.

    Die einschlägigen Ermittlungstechniken sehen das offenbar überhaupt nicht vor.Was ist mit den immer

    populäreren Bezahlsendern, was gar mit den Angeboten der deutschsprachigen Nachbarschaft.Die Mediatheken verschieben manche Sehbeteiligung auf Tageszeiten der Schichtarbeiter oder Schüler.Wetten dass.. hängt dabei viel weiter unten, als es bereits die offiziellen Statistiken angeben.RTL sollte sich seines realen Platzes auch nicht so sicher sein.

    Würde das w i r k l i c h e Angebot an Sendern einbezogen, fielen auch die Einschätzungen anders aus.Auch die Medieninstanzen sollten da endlich aufwachen und keine Scheinquoten rausposaunen....