Kolumne Fernsehen: Journalisten, die provozieren? Bäh!
Jürgen Klopp und Jochen Breyer streiten. Und Markus Lanz redet danach mit seinen Gästen über „dumme“ Fragen. Leider zeigt niemand mit dem Finger auf ihn.
W orüber hätte Markus Lanz eigentlich am Mittwochabend mit seinen Gästen geschnackt, wenn nicht kurz zuvor Jürgen Klopp sein ZDF-Mikro im fernen Studio in Madrid auf den Tresen gepfeffert hätte?
Klopp hatte mit seinem BVB gerade 0:3 bei Real verloren, da wollte ihn Moderator Jochen Breyer mit der Frage „Die Sache ist durch, oder?“ in den Feierabend schicken. Klopp schüttelte kurz den Kopf – und blaffte dann zurück: „Auf ’ne doofe Frage kann man auch doof antworten.“ Er äffte den neben ihm stehenden Breyer nach, fragte noch kurz „Sind wir fertig hier?“, dann flog das Mikro.
Und nun sitzen da sechs Gäste am heimeligen Kamin von Markus Lanz und plaudern über dieses „denkwürdige Interview“ (Lanz). Nach Champions-League-Spielen hat der ZDF-Talker ja stets eine Fußballrunde beisammen. Wieder einmal ist auch der Ex-BVB-Profi und aktuelle Jugendkoordinator des Klubs, Lars Ricken, dabei. Der beschwert sich gleich mal über Journalisten, die es darauf anlegten, dass Klopp so reagiere, indem sie in jovialer Art Fragen stellten – und so keine „08/15-Antworten“ von Jürgen Klopp provozierten.
Journalisten, die keine 08/15-Antworten erwarten und das auch noch herauskitzeln! Da hat Ricken recht: Der gemeine Sportjournalist macht so etwas nicht. Er hat zu jubeln, wenn deutsche Teams gewinnen, und er hat zu trösten, wenn sie verlieren.
Zwei Plätze weiter hockt Thomas Helmer. Einst Bayern-Profi, heute Moderator bei Sport1. Er warnt davor, dass ein Moderator „gerade nach Niederlagen“ aus dem Gespräch nicht so „eine Lachnummer“ machen dürfe. Respekt und so. Und Anna-Sara Lange von Sky meint, der Kollege Breyer hätte die Frage anders stellen sollen, nämlich offener, zum Beispiel so: „Was rechnen Sie sich noch für Chancen aus fürs Rückspiel?
Stimmt, das wäre ’ne Spitzenfrage gewesen. Antwort: Wird schwer. Aber wir werden kämpfen. Danke. Tschüs.
Lieber 08/15-Fragen?
Derlei 08/15-Fragen führen zu 08/15-Antworten führen in einen negativen Bereich des Erkenntnisgewinns und zu Verdummung.
Apropos Verdummung: Lanz beginnt selbstverständlich, das Thema weiter zu fassen. (Nochmal die Frage: Was hätte der ohne den Breyer-Klopp-Disput gemacht?!?) Er fragt seine Gäste nach „dummen“ und „dümmsten“ Fragen, die ihnen je von Journalistenkollegen gestellt worden seien. Leider hat niemand der Gäste die Chuzpe, mit dem Finger auf den Moderator zu zeigen.
So kann sich Lanz tatsächlich – Achtung! – gemeinsam mit Jasmin Tabatabai über die Journaille auslassen: „Ernsthaft“, sowas fragen die? „Das ist dreist.“ Und dieses Geschäft, dieses Spiel, „das ist perfide“.
Nur dass Jürgen Klopp mittlerweile arge Schwierigkeiten hat, seinen GesprächspartnerInnen (Béla Réthy, Claudia Neumann, Oliver Kahn und nun Breyer) den nötigen Respekt entgegenzubringen, oder dass langweilige FragenstellerInnen, die überhaupt nichts beim Gegenüber provozieren, eine Zumutung für den Zuschauer sind, das findet niemand in der Runde perfide. Schade.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut