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Kolumne EierBin ich gemacht oder mache ich?

Der Konflikt zwischen Biologie und sozialer Konstruktion prägt Feminist*innen. Trans Leute laufen Gefahr, zerrieben zu werden. Das muss nicht sein.

Ist man als Frau geboren, wird man zu einer gemacht oder macht man sich selbst zu einer? Foto: dpa

Man ist nicht als Frau geboren, man wird es“, sagt Simone de Beauvoir. Klare Sache? Keineswegs. Noch immer streitet man im Feminismus darüber, was nun „gemacht“ ist und was „angeboren“.

Die Autorin Marlen Hobrack schreibt in der Welt, man dürfe die biologische Definition von „Frau“ nicht durch Inklusion von trans* Frauen auflösen. „Eine echte Frau kann ihr Frausein nicht wie ein Kleid ausziehen“, schreibt Hobrack und wehrt sich gegen den Vorwurf, diese Denke sei transphob.

Es ist eine Mär, dass Feminist*innen alle den Konstruktivismus („wir sind gemacht“) lieben. Viele sind Fans des Objektivismus („wir sind, was wir sind“). Denn Feminismus entstand von und für „Frauen“ – als ziemlich eindeutig, ziemlich biologisch-medizinisch definierte Gruppe, die sich gut mobilisieren ließ, weil sie nämlich mit den ziemlich eindeutig, ziemlich biologisch-medizinisch definierten Männern klare Gegner hatte.

Mehr als eine verkopfte Debatte

Verabschiedet man sich von dieser ziemlichen Eindeutigkeit, dann war’s das mit der Bewegung, fürchten nicht wenige, und wollen „die Frau“ (und implizit auch „den Mann“) retten – und zwar biologisch.Ich finde das nicht komplett falsch. Viele feministische Themen sind biologisch. Wer arbeitslos schwanger ist, wird Ihnen bestätigen, dass diese Situation mehr als eine Diskursformation ist. Aber Feminismus ist auch mehr als Uterus.

Vielleicht denken Sie jetzt: Eine verkopfte Debatte um Begrifflichkeiten, wie sie nur Geisteswissenschaftler*innen einfällt! Allerdings hat sie reale Auswirkungen auf Menschen, die trans* sind – also Menschen, die für ihr Geschlecht keinen Beweis in Form von Unterleibsorganen auf den Tisch legen können. Sie sind Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt und brauchen deshalb feministische Netzwerke. Was aber, wenn diese Netzwerke befinden, dass mensch nur mit Uterus Unterschlupf erhält – und das, obwohl die trans* Frau unter vielen patriarchalen Phänomenen (wie sexualisierte Gewalt oder Ausbeutung) ebenso leidet wie die cis Frau?

Marlen Hobrack zeigt Verständnis für Feministinnen, die trans* Frauen zurückweisen: „Diese Ablehnung gründet sich wohl auch auf die Sorge, dass Transfrauen das ohnehin schwer zu definierende feministische Kollektivsubjekt ‚Frau‘ endgültig undefinierbar machen.“ Abgesehen davon, dass diese Debatte ohne und zulasten von trans* Personen geführt wird, finde ich nicht, dass es hier einen Konflikt geben muss. Feminismus muss nicht zwingend als Frontlinie „Cis-Frauen-gegen-cis-Männer“ funktionieren.

Im Gegenteil: Voraussetzung dafür, dass sich das Patriarchat mit all seinen Unterproblemen auflöst, ist, dass sich „der Mann“ abschafft. Im Ansatz passiert das. Aber dafür muss es auch möglich sein, dass sich „die Frau“ ein wenig abschafft. Letztlich geht es im Feminismus nämlich um Macht – um diejenigen, die sie haben, und diejenigen, die darunter leiden. Und Macht ist nicht biologisch. Macht ist erst einmal Macht.

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Peter Weissenburger
Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Medien.
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9 Kommentare

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  • "Sie sind Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt und brauchen deshalb feministische Netzwerke. Was aber, wenn diese Netzwerke befinden, dass mensch nur mit Uterus Unterschlupf erhält [...]"

    Die Zeiten, in denen Frauen auf einen (funktionsfähigen) Uterus reduziert wuden, gehören auf den "Misthaufen der Geschichte".

  • Die Rechnung geht aber nur dann auf, wenn zuvor ein Zerrbild von Frauen mit Körpervariationen gezeichnet wird. Wer aus einer Frau eine "trans*Frau" konstruiert, um dann sagen zu können, diese Frau sei ein Mann mir Gender-Varianz, der gibt den identitär wie biologischen Pass vor, den dann Andere wunderbar transexuellen-- und damit frauenfeindlich verwandeln können.

    Es ist nie gut, Lügen über Menschen zu verbreiten und sich dann hinterher auf Grundlage der eigenen Lügen von Menschen abzugrenzen. Es ist schon spannend, dass wir im Zeitalter des Rechtspopulismus genau diese Muster des "Die sind so und so und das finde ich nicht gut" häufiger sehen können. Auch der rechtspopulistische Identitarismus tickt so.

    Transexuellenfeindlichkeit ist dumm, rechts und unsolidarisch. Gegenüber wem? Gegenüber Frauen, deren Körper nicht der Norm entspricht. Und das sind ziemlich viele.

    • @Kim Schicklang:

      Liebe Kim,

      ich wurde in einer "queeren LGBT*I-Community" schon mehrfach beschimpft.



      Exakter Wortlaut als Beispiel: "Du bist eine Cis-Frau! Geh gefälligst zu Deinesgleichen!"

      Dass ich transsexuell bin, wissen solche Leute natürlich nicht, sonst würden sie mich "Trans*-Frau" schimpfen.

      Der Identitarismus, den Sie ansprechen, ist erschreckend weit verbreitet und hat viele Gesichter.



      Ein zweites "T" für den Buchstabensalat würde daran wohl auch nichts ändern, da auch dieses "T" nur als weitere Identitätsform umgedeutet werden würde.

      In letzter Zeit lese ich öfters von "Inter*", gar von "interident", womit Intersexualität gemeint sein soll.



      Es scheint modern zu sein, Körpervariationen zu Identitäten umzudefinieren.

      Liebe Grüße



      Lydia

  • Ach PS: AUch wenn ich Ihre Darstellung der Streitpositionen nicht so doll informiert finde - siehe unten: Sehr schön an Ihrem Artikel ist aber, dass Sie nicht versuchen, eine Seite als die einzig Wahre zu bezeichnen. Sondern vielmehr zugestehen, dass die auf der jeweiligen Gegenseite vielleicht auch nicht ganz blöd sind und jede ein paar gewichtige Punkte anzubieten hat. Das ist in dieser Debatte - wie auch vielen anderen derzeit aufgeheizten Debatten - leider keine Selbstverständlichkeit mehr, dafür also ein Leser-Lob trotz der vorher geäußerten Kritik. :D

    • @kami:

      Eine sehr gute Kommentarserie. Danke dafür!

  • Die anderen gehen sogar so weit zu sagen: Wenn eine Person mit Penis, Adamsapfel und allen sonstigen sogenannten "männlichen" biologischen Merkmalen sich als Frau definiert, dann habe sie gar keinen männlichen Körper, sondern dann seien in dem Fall eben auch Penisse und Adamsäpfel etc. umgehend als "weibliche" Körperteile anzusehen.



    Neben denen, die Penisse für biologisch weiblich halten und denen, die biologische Körper für die Geschlechtszugehörigkeit für irrelevant halten, gibt es dann noch jene trans*Personen, die Transsexualität selbst für einen biologischen Fakt halten, der auf wisenschaftlich noch nicht wirklich geklärten Hypothesen wie der Annahme eines "weiblichen Hirns" oder "weiblicher Biochemie" in einem ansonsten üblicherweise als männlich bezeichnetem Körper vorhanden seien. Kurzum, dass Trans*sein eben nicht (nur) mit "Gender"-Gefühlen, sondern mit biologischen Fakten und sex zu tun habe - was andere trans*Menschen wiederum als schrecklichen biologischen Essentialismus empfinden. Diese Camps bekämpfen sich oftmals bitterlich und werfen sich gegenseitig Beschimpfungen wie "transtrender" und "truescum" um die Ohren,

    tl;dr: Ihre Artikel stellt sowohl die Diskussion zwischen verschiedenen (cis-)theoretischen Positionen als auch deren Bezug zu trans*Positionen so simplifiziert da, dass es schon als falsch bezeichnet werden muss. Und noch dazu stellen sie das Ganze als eine abgehobene akademisch-feministische Debate dar, ohne mal ein paar Beispiele aus dem echten Leben zu nennen, wo solche Fragen dann ziemlich relevant werden.



    Wie leider ziemlich typisch für diese Art von Scheindebatte geht es außerdem mal wieder nur um Frauen/Transfrauen, als ob Trans*männer bzw. Männer allgemein damit überhaupt nichts zu tun hätten.

    Also bei allem Respekt. Wer zu so einem Thema schreibt, sollte sich vielleicht mal mehr als nur durch Welt-Artikellektüre und halbgar rezitierte Beauvoir-Zitate über die Basics der Auseinandersetzung informieren.

    • Peter Weissenburger , des Artikels, Autor
      @kami:

      Liebe*r Kami,



      danke für Lob und Kritik. Sie haben Recht, dass ich simplifiziere, und zwar brutal. Es geht in diesem Thema gewiss unendlich komplexer. Meine Kolumne ist auch als Einstiegshilfe gedacht für alle, denen die Debatten gänzlich neu sind. Eine längere, differenziertere Auseinandersetzung schreibe ich gerne mal an anderer Stelle - und hoffe, dass Sie dann auch wieder mitlesen.

  • (Hier Teil 2/2. Teil 1 siehe unten.)

    Kurzum: In Bezug auf Geschlechterrollen,-stereotype etc. sind BEIDE Seiten "konstruktivistisch", der Streit dreht sich um die Konstruiertheit von biologischem Geschlecht.

    Hört sich alles nach einer abgehobenen akademischen Debatte an, aber die hat mit ganz konkreten Dingen zu tun. z.B. wie aktuell in England und USA mit der Frage, ob biologisch männliche Wesen in Sportwettkämpfen gegen biologisch weibliche antreten sollten. Oder ob biologisch männliche Personen in Frauengefängnissen unterzubringen seien, wenn sie sagen, dass sie sich als Frau fühlen. (Keine hypothetische Frage, in UK und auch USA sind da grade mehrere Fälle anhängig, bei denen es übrigens auch um verurteilte Vergewaltiger geht.) Oder um die Frage, ob das jede/r für sich selbst definieren kann nach dem Motto "wenn ich sage, ich bin eine Frau, bin ich das auch und muss entsprechend akzeptiert werden", oder ob da (wie im Falle der Gefängnisse) andere auch noch ein Wörtchen mitzureden haben. Oder um die Frage, ob lesbische (cis-)Frauen bigott und transphob seien, nur weil sie nicht auf Schwänze stehen - wie es von Trans-Seite von Leuten wie Riley Dennis oder Zinnia Jones vertreten wird - wohingegen es einige Lesben nicht so lustig finden, wenn ihnen erzählt wird, dass sie sich da mal nicht so anstellen sollen und sie ihre sexuelle Orientierung "überdenken" sollten, und das dann heutzutage auch noch als progressiv bezeichnet wird.

    Auch stimmt IHre Behauptung absolut nicht, dass Transfrauen in diesen Debatten nichts zu sagen hätten bzw. alle auf derselben Seite stünden. Auch innerhalb der trans*community tobt eine Debatte um diese Definitionen: Die einen finden, es käme bei der Definition von Mann und Frau nur auf Geschlechtsempfinden (gender) an und nicht darauf, ob man einen männlichen oder weiblichen Körper habe.

    (3. und letzter Teil folgt sogleich)

  • Lieber Herr Weissenburger,



    also wenn man(n) schon einen Artikel über Streitfragen zur Definition von Frau-Sein veröffentlicht, dann sollte man vielleicht auch mal ein paar der grundlegendsten Grundlagen dieser Debatte zur Kenntnis nehmen. - Und vielleicht auch nicht Simone de Beauvoir-Zitate komplett aus dem Kontext reissen.

    Die Feministinnen, die auf einer Differenzierung zwischen Frauen und Transfrauen beharren, sind üblicherweise nämlich keineswegs gegen Konstruktivismus oder dafür, alles was Frausein ausmacht einfach nur über Biologie zu definieren.



    Vielmehr unerscheiden sie üblicherweise zwischen sozialem Geschlecht bzw. Geschlechterrollen (Engl. Gender) und biologischem Geschlecht (engl. Sex.)

    Die Streitfrage ist nun, ob nur Geschlechterrollen bzw. soziologisches Geschlecht konstruiert sind, oder ob auch Biologie weniger mit objektiven Fakten als vielmehr mit sozialen Konstrukten zu tun hat. (Die Doyenne der sog. "queer theory", Judith Butler" z.B. sieht auch biologisches Geschlecht als soziales Konstrukt an. Andere widersprechen dieser Auffassung, oder würden eher sagen, dass nur Teile unserer Vorstellungen von biologischen Geschlecht sozial konstuiert und mithin relativ sind, andere dagegen objektive Fakten. Einig sind sich jedoch beide Camps, dass "gender" auf jeden Fall ein soziales Konstrukt ist - d.h., dass Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit wie "Jungs weinen nicht" oder "Mädchen stehen auf rosa Prinzessinenspielzeug" o.ä. nichts mit Genen oder Geschlechtsteilen zu tun haben, sondern soziale Konstrukte, die daher auch von Kultur zu Kultur oder durch die Jahrhunderte sehr stark wechseln können. In DIESEM Sinne sagte de Beauvoir, dass Frausein "gemacht" sei. Mit queer studies oder trans-Theory hatte die noch überhaupt nichts am Hut. Ihr ging es darum, Geschlechterrollen zu hinterfragen, und die Vorstellung,dass Frauen durch ihre Biologie quasi dazu prädestiniert und verdammt seien, ihr Leben am Herd zu verbringen. (Teil 2 folgt sogleich)